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Minderheitsregierung, Neuwahlen oder doch GroKo?
Auf der Suche nach einer neuen Regierung

Sonntagabend, 23.46 Uhr: Christian Lindner lässt das Jamaika-Projekt platzen und die Republik, allen voran das politische Berlin hält den Atem an: zwei Monate nach den Bundestagswahlen ist keine Koalition und damit auch keine neue Regierung in Sicht. Welche Möglichkeiten tun sich nach dem Scheitern der Sondierungsverhandlungen auf - Minderheitsregierung, Neuwahlen oder doch eine Neuauflage der Großen Koalition?

Diskussionsleitung: Klaus Remme, Deutschlandradio | 22.11.2017
    Nach dem Ende der Sondierungsgespräche: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterhalten sich zu Beginn ihres Treffens in Schloss Bellevue in Berlin
    Was nun? (picture alliance/ dpa/ Guido Bergmann)
    Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen wartet Deutschland – allen voran das politische Berlin – warten auf eine vom Wähler legitimierten Regierung. Bekommen wir eine Minderheitsregierung, werden wir neu wählen müssen und gibt es am Ende doch wieder eine Große Koalition? Darüber diskutierten unter der Leitung von Deutschlandfunk-Hauptstadtkorrespondent Klaus Remme, Elisabeth Niejahr, von der "WirtschaftsWoche", Christine Hoffmann, vom Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", Stefan Braun, "Süddeutsche Zeitung" und Günter Bannas, "Frankfurter Allgemeine Zeitung".
    Einig war sich die Runde, nicht klar sei zur Stunde, was eigentlich genau am Sonntagabend und in der Zeit davor passiert sei. Welche Gründe gab es für die FDP, die Verhandlungen platzen zu lassen? Elisabeth Niejahr verwies darauf, dass zwei Narrative im Umlauf seien. Es sei unmöglich zu entscheiden, welche der beiden Versionen der Wahrheit näher komme. Für Stefan Braun, "Süddeutsche Zeitung", waren die heftigen Statements, mit denen FDP und CSU die Sondierungen von Anfang an kommentiert hätten, irritiert. Das habe nicht so geklungen, als wenn ernsthaft nach einer Koalition gesucht worden wäre. Dagegen zeigte sich Günter Bannas von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von der zurückhaltenden Rolle überrascht, die die Kanzlerin während der Gespräche eingenommen hätte. Auch jetzt sei Angela Merkel schwach und quasi abgetaucht. Sie könne sich nicht nur in zwei Fernsehinterviews äußern, sondern müsse sich auch im Bundestag erklären und ihr weiteres Vorgehen skizzieren.
    Mit der staatstragenden Vernunft, mit der der Bundespräsident an die Parteien und deren Verantwortung dem Wähler gegenüber appellierte, habe Steinmeier zu seiner Rolle gefunden. Das meinte die "Spiegel"-Redakteurin Christiane Hoffmann. Überraschend wie deutlich er damit auch seine eigene Partei angesprochen habe. Gerade dadurch habe er einen Kurswechsel für die SPD möglich gemacht, trotz der Festlegung durch ihren Vorsitzenden Schulz, meint auch Stefan Braun von der "Süddeutschen Zeitung". Zumal die SPD nach Neuwahlen kaum einer GroKo zustimmen könne, wenn sie jetzt bei ihrem Nein bleibt.
    Vorsichtig gab sich die Runde in Sachen Prognosen: Stefan Braun glaubt noch nicht an Neuwahlen, zu sehr würde die Glaubwürdigkeit der SPD andernfalls leiden. Seine Kollegin Niejahr sieht das ähnlich, zumal die Partei unter den gegeben Bedingungen der Union viel abverlangen könne. Einen Schwenk der SPD hält Christine Hoffmann dagegen für ebenso unwahrscheinlich wie eine Minderheitsregierung der Kanzlerin. Zu sehr hätten sich die Protagonisten festgelegt. Die scharfen Töne, die seit Sonntag auch im Bundestag zu hören sind, findet Günter Bannas, erfrischend. Debatten sollten frisch und frech geführt werden.

    Es diskutieren:
    • Günter Bannas, Leiter der politischen F.A.Z.-Redaktion in Berlin
    • Stefan Braun, Berlin-Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung"
    • Christiane Hoffmann, Stellvertretende Leiterin des Hauptstadtbüros des "Spiegel"
    • Elisabeth Niejahr, Chef-Reporterin der Wirtschaftswoche