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Mindestlohn für Magister

Arbeit zu finden ist eine Sache, dafür eine angemessene Bezahlung zu bekommen, eine andere. Lokomotivführer und Postboten liefern derzeit die Schlagzeilen, die Akademiker sind etwas aus dem Blickwinkel geraten. Da springt der Deutsche Kulturrat in die Bresche, in der Person seines Geschäftsführers Olaf Zimmermann. Der fordert nun einen Mindestlohn für Geisteswissenschaftler.

Moderation: Ulrike Burgwinkel | 02.10.2007
    Ulrike Burgwinkel: Herr Zimmermann, Sie fordern den Mindestlohn für Geisteswissenschaftler. Das ist öffentlichkeitswirksam weil provokant. Ist es denn mehr als das?

    Olaf Zimmermann: Es ist auch wirklich ernst gemeint, es ist eben nicht nur ein medialer Scherz, sondern es ist sehr, sehr ernst gemeint. Wir haben vor Kurzem eine Tagung durchgeführt, wo 300 Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler zusammengesessen haben und mal drei Tage lang über ihre berufliche Situation gesprochen haben, und was wir dort erfahren mussten, da muss man auch die Frage stellen, muss es nicht auch einen Mindestlohn für, ja, Geisteswissenschaftler, also, für Studierte, geben?

    Burgwinkel: In welcher Situation befinden sich denn die meisten, mit denen Sie gesprochen haben?

    Zimmermann: Erst mal gibt es eine große Anzahl von Geisteswissenschaftlern, die keine angemessene Arbeit finden. Viele müssen sich nach neuem umschauen, müssen zum Beispiel auch den Weg in die Selbstständigkeit gehen. Das ist für viele, die das nicht vom Herzen wollen, ein sehr, sehr schwerer Weg auch, der mit sehr vielen Klippen dann quasi umschifft werden muss, damit man davon leben kann. Aber auch die, die den klassischen Weg gehen, sind mit Angeboten konfrontiert, die zumindest fragwürdig sind. 600 Euro im Monat für einen Volontär, der also ein ausgebildeter Geisteswissenschaftler ist, ist keine Seltenheit mehr.

    Burgwinkel: Nun ja, er muss wahrscheinlich froh sein, dass er überhaupt ein Volontariat bekommt.

    Zimmermann: Wenn Sie rein die ökonomischen Spielregeln durchsetzen wollen, dann ist das so. Angebot und Nachfrage, und es gibt natürlich wenig Angebote im Bereich des Volontariates und es gibt eine riesige Nachfrage, das drückt den Preis. Aber das ist genau dieselbe Situation, die wir am Bau haben oder die wir bei der Briefzustellung haben. Irgendwann haben Sie eine Situation erreicht, wo die Menschen ganz objektiv davon nicht mehr leben können, und diese Situation haben wir in bestimmten Bereichen der Geisteswissenschaften auch erreicht, und deswegen muss man sich auch um diese Themen kümmern.

    Burgwinkel: Würden Sie denken, dass das Arbeitsfeld von Geisteswissenschaftlern und die Hochschulausbildung nur noch eine ganz geringe gemeinsame Schnittmenge haben?

    Zimmermann: Ja, gut, die Frage ist ja, für was soll eigentlich eine Hochschule ausbilden? Da gibt es ja auch einen großen Streit darum im Moment, also, soll eine Hochschule eigentlich – gerade im Bereich der Geisteswissenschaften – zielgerichteter ausbilden, also auf eine eventuelle, ganz konkrete Beschäftigung hin qualifizieren? Das, glaube ich, ist bei Geisteswissenschaftlern schwierig, weil ich weiß es ja noch nicht, wenn die mit ihrem Studium beginnen als Germanist oder Historiker oder Kunstwissenschaftler, also, was werden sie denn später machen, da, glaube ich, ist es eher wichtig eine breite Bildung zu erlangen, also wirklich einen Überblick über den gesamten Bereich zu erlangen. Innerhalb des Studiums ist es aber notwendig, Geisteswissenschaftler heute schon darauf vorzubereiten, dass sie eben nicht mehr irgendwo in einer Kulturinstitution, in einem Museum, in einem Theater werden wohl arbeiten können. Wie mache ich das denn überhaupt? Das beginnt bei Fragen des Steuerrechtes bis zur sozialen Absicherung, bis zu einer ganz entscheidenden Frage: Wie gewinne ich denn Kunden? Also, ich muss jetzt ganz praktisch tätig werden, damit ich genug Geld verdiene, um auch meine Miete bezahlen zu können.

    Burgwinkel: Abschlussfrage, Herr Zimmermann: Wie viel Euro sollte denn der Mindestlohn für Geisteswissenschaftler betragen?

    Zimmermann: Wir müssen zugrunde legen, Geisteswissenschaftler haben ein Studium hinter sich gebracht, haben sehr oft auch eine Promotion, das heißt, sie haben auch einen akademischen Titel erlangt. Das muss sich irgendwo bei der Bezahlung auch dann zeigen. Und sie müssen – wie alle anderen, die arbeiten in unserem Land – eine Chance haben, von dem, was sie erarbeiten, auch leben zu können, ohne noch zum Amt zu gehen, um sich zusätzliches Geld zu holen.

    Burgwinkel: Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, plädierte für einen Mindestlohn für Geistarbeiter.