Michael Hüther verfolgt mit seinem Buch ein Ziel, das merkt der Leser schnell. Hinter seinem Essay "Die disziplinierte Freiheit" steht ein wirtschaftspolitisches Konzept, von dem er die Leser überzeugen will. Der Autor, im Hauptberuf Leiter des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft, sorgt sich um die Zukunft der Bundesrepublik. Er möchte dem Land eine ordnungspolitische Basis für Reformen geben - seine ordnungspolitische Basis. Er fordert eine grundlegende Revision der öffentlichen Aufgaben. Hüther treibt eine Angst um: Dass nach den Exzessen der Finanzkrise der Staat immer stärker in den Markt eingreift. Dass also immer mehr Gesetze gefordert werden, die den Gestaltungsspielraum der Firmen begrenzen. Hüther fürchtet außerdem, dass die Deutschen das ewige Loblied der Arbeitgeber auf Deregulierung und Flexibilisierung nicht mehr hören können - und jetzt ihren Anteil am Aufschwung fordern. Er schreibt das natürlich vorsichtiger:
Es fehlt in dieser Regierung wie insgesamt in der politischen Klasse eine sachliche Sicht darauf, was dauerhafte Staatsaufgaben eigentlich sind. So führt die Dominanz von Verteilungsthemen, die einer rationalen Debatte schon im Grundsatz nur schwer zugänglich sind, in besseren Zeiten leicht zu einem Nachlassen fiskalischer Disziplin mit gravierenden Folgen.
Hüther bewegt sich in der Defensive, weil der Neoliberalismus entfesselter Märkte so versagt hat, dass es zur Finanzkrise kam. Kein Wunder, dass Hüther mit Gewalt dem gängigen Eindruck widersprechen will, die Krise hätten vor allem wild gewordene Finanzmärkte ausgelöst, die jetzt der Staat bezähmen müsste. Aufwendig versucht er nachzuweisen, es sei vor allem die staatliche Förderung armer Häuslebauer in Amerika schuld.
Soweit, so problematisch. Hochnervös bemüht er sich dann, die Finanzbranche mit allen Mitteln vor harter Regulierung zu schützen. Dabei versteigt er sich zu der These, unter einer Finanzmarktsteuer müssten vor allem normale Sparer leiden.
Die Finanzmarktsteuer lässt nicht mehr nur Attac-Anhänger jubeln. Bis weit hinein in das bürgerliche Lager reicht die Zustimmung. Dabei bleibt unklar, welches Problem damit eigentlich gelöst werden soll. Man trifft am Ende denjenigen, der für sein Alter spart und dafür noch steuerlich begünstigt wird.
In Wahrheit sind die Finanzsteuern dafür gedacht, das tägliche Spekulieren mit Milliardensummen zu erfassen, das sich von der Warenproduktion längst entkoppelt hat - was mit langfristigen Investments für die Alltagsvorsorge allenfalls am Rande was zu tun hat. Wenig überraschend wirken Hüthers Einlassungen zur Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Gebetsmühlenhaft fordert er eine Flexibilisierung und Deregulierung der Arbeitsbeziehungen. Und hier hat der Autor in manchen Punkten Recht. Man kann mit Hüther der Meinung sein, dass die Agenda 2010 der Regierung Schröder nötig war und zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen hat. Man kann auch mit ihm der Meinung sein, dass eine deutliche Erhöhung des Hartz-IV-Satzes falsch wäre. Doch es befremdet der Enthusiasmus, mit dem der festangestellte Autor alle Facetten der zuweilen rauen Arbeitswelt umarmt. Frohgemut verlangt er von der Politik "mehr Offenheit für flexible Erwerbsformen". Apodiktisch erklärt er, flexible Arbeitsformen seien ein Sprungbrett in den Arbeitsmarkt. Dass manche dieser Jobs einfach zu schlecht bezahlt werden, versteckt er hinter einer verschämten Formulierung:
Die Spreizung der Löhne hat sich von 2003 bis 2008 akzentuiert. Dies kann ebenfalls mit den Arbeitsmarktreformen zusammenhängen, die zu mehr Beschäftigung in diesem Segment geführt haben. Der zusätzliche Angebotsdruck mag sich dämpfend auf die Löhne ausgewirkt haben.
Michael Hüthers generelle Ablehnung von Mindestlöhnen kann da nicht mehr verwundern.
Es wird regelmäßig vorgebracht, dass ein Mindestlohn vonnöten sei, um der Ausbeutung der Beschäftigten und zugleich der Steuerzahler durch Unternehmer vorzubeugen, die angesichts der Aufstockungsoption durch Hartz IV den Arbeitslohn absenken. Gerade jene Studien, die über einen längeren Zeitraum laufen, weisen statistisch signifikant Beschäftigungsverluste infolge von Mindestlöhnen aus. Gemessen an diesen Ergebnissen wäre es nachgerade fahrlässig, einen Mindestlohn in Deutschland einzuführen.
Interessanter wird es, wenn sich Hüther mit der Wirtschaftspolitik beschäftigt. Bemerkenswert ist, dass er vehement gegen Subventionen aller Art eintritt, die viele Unternehmen gerne fordern. Aufschlussreich ist auch, dass er vor der Gefahr warnt, die neu entdeckte Umwelttechnik mit zu viel Förderung zu übergießen. Zu beobachten ist in der Wirtschaft etwas anderes: Der Ruf nach staatlicher Hilfe, um die Risiken zu minimieren und die Gewinne zu erhöhen. Opel will gerettet werden. Die Autokonzerne wollen Subventionen für Elektroautos. Und jetzt will sich die deutsche Industrie auch noch Geschäfte mit Griechenland vom Staat absichern lassen. Gegen eine solche Selbstbedienungsmentalität spricht sich der Autor aus, ohne Namen zu nennen. Das ist ein wertvoller
Michael Hüther: Die disziplinierte Freiheit. Eine neue Balance von Markt und Staat. Murmann Verlag, 192 Seiten, 19,90 Euro
ISBN: 978-3-867-74130-9
Es fehlt in dieser Regierung wie insgesamt in der politischen Klasse eine sachliche Sicht darauf, was dauerhafte Staatsaufgaben eigentlich sind. So führt die Dominanz von Verteilungsthemen, die einer rationalen Debatte schon im Grundsatz nur schwer zugänglich sind, in besseren Zeiten leicht zu einem Nachlassen fiskalischer Disziplin mit gravierenden Folgen.
Hüther bewegt sich in der Defensive, weil der Neoliberalismus entfesselter Märkte so versagt hat, dass es zur Finanzkrise kam. Kein Wunder, dass Hüther mit Gewalt dem gängigen Eindruck widersprechen will, die Krise hätten vor allem wild gewordene Finanzmärkte ausgelöst, die jetzt der Staat bezähmen müsste. Aufwendig versucht er nachzuweisen, es sei vor allem die staatliche Förderung armer Häuslebauer in Amerika schuld.
Soweit, so problematisch. Hochnervös bemüht er sich dann, die Finanzbranche mit allen Mitteln vor harter Regulierung zu schützen. Dabei versteigt er sich zu der These, unter einer Finanzmarktsteuer müssten vor allem normale Sparer leiden.
Die Finanzmarktsteuer lässt nicht mehr nur Attac-Anhänger jubeln. Bis weit hinein in das bürgerliche Lager reicht die Zustimmung. Dabei bleibt unklar, welches Problem damit eigentlich gelöst werden soll. Man trifft am Ende denjenigen, der für sein Alter spart und dafür noch steuerlich begünstigt wird.
In Wahrheit sind die Finanzsteuern dafür gedacht, das tägliche Spekulieren mit Milliardensummen zu erfassen, das sich von der Warenproduktion längst entkoppelt hat - was mit langfristigen Investments für die Alltagsvorsorge allenfalls am Rande was zu tun hat. Wenig überraschend wirken Hüthers Einlassungen zur Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Gebetsmühlenhaft fordert er eine Flexibilisierung und Deregulierung der Arbeitsbeziehungen. Und hier hat der Autor in manchen Punkten Recht. Man kann mit Hüther der Meinung sein, dass die Agenda 2010 der Regierung Schröder nötig war und zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen hat. Man kann auch mit ihm der Meinung sein, dass eine deutliche Erhöhung des Hartz-IV-Satzes falsch wäre. Doch es befremdet der Enthusiasmus, mit dem der festangestellte Autor alle Facetten der zuweilen rauen Arbeitswelt umarmt. Frohgemut verlangt er von der Politik "mehr Offenheit für flexible Erwerbsformen". Apodiktisch erklärt er, flexible Arbeitsformen seien ein Sprungbrett in den Arbeitsmarkt. Dass manche dieser Jobs einfach zu schlecht bezahlt werden, versteckt er hinter einer verschämten Formulierung:
Die Spreizung der Löhne hat sich von 2003 bis 2008 akzentuiert. Dies kann ebenfalls mit den Arbeitsmarktreformen zusammenhängen, die zu mehr Beschäftigung in diesem Segment geführt haben. Der zusätzliche Angebotsdruck mag sich dämpfend auf die Löhne ausgewirkt haben.
Michael Hüthers generelle Ablehnung von Mindestlöhnen kann da nicht mehr verwundern.
Es wird regelmäßig vorgebracht, dass ein Mindestlohn vonnöten sei, um der Ausbeutung der Beschäftigten und zugleich der Steuerzahler durch Unternehmer vorzubeugen, die angesichts der Aufstockungsoption durch Hartz IV den Arbeitslohn absenken. Gerade jene Studien, die über einen längeren Zeitraum laufen, weisen statistisch signifikant Beschäftigungsverluste infolge von Mindestlöhnen aus. Gemessen an diesen Ergebnissen wäre es nachgerade fahrlässig, einen Mindestlohn in Deutschland einzuführen.
Interessanter wird es, wenn sich Hüther mit der Wirtschaftspolitik beschäftigt. Bemerkenswert ist, dass er vehement gegen Subventionen aller Art eintritt, die viele Unternehmen gerne fordern. Aufschlussreich ist auch, dass er vor der Gefahr warnt, die neu entdeckte Umwelttechnik mit zu viel Förderung zu übergießen. Zu beobachten ist in der Wirtschaft etwas anderes: Der Ruf nach staatlicher Hilfe, um die Risiken zu minimieren und die Gewinne zu erhöhen. Opel will gerettet werden. Die Autokonzerne wollen Subventionen für Elektroautos. Und jetzt will sich die deutsche Industrie auch noch Geschäfte mit Griechenland vom Staat absichern lassen. Gegen eine solche Selbstbedienungsmentalität spricht sich der Autor aus, ohne Namen zu nennen. Das ist ein wertvoller
Michael Hüther: Die disziplinierte Freiheit. Eine neue Balance von Markt und Staat. Murmann Verlag, 192 Seiten, 19,90 Euro
ISBN: 978-3-867-74130-9