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Mini-Kraftpakete mit Bewegungsfreiheit

Ingenieurwissenschaften. - Aktoren sind Motoren, die im Nano- oder Mikro-Bereich arbeiten. Sie sind winzig klein, rasend schnell und arbeiten zumeist lautlos. Meistens benutzen sie "intelligente Werkstoffe", deren mechanische Eigenschaften sich durch elektrische oder magnetische Felder oder durch Temperaturveränderungen gezielt steuern lassen. In Bremen diskutierten in den vergangenen drei Tagen 400 Wissenschaftler aus 30 Ländern während der Messe "Actuator" über die jüngsten Entwicklungen bei den Mini-Antrieben.

Von Folkert Lenz | 16.06.2004
    Ein Biegewandler ist ein kleines Maschinchen, das große Maschinen steuern kann - wenn es sein muss, auf Hundertstel Mikrometer genau. Die Mini-Motoren halten mehr und mehr Einzug in den Alltag. Überall dort, wo gesteuert, geregelt oder angetrieben werden muss, der Platz aber extrem begrenzt ist. Die kleinsten der Nano-Antriebe sind nicht mal so groß wie ein Stecknadelkopf. Am häufigsten steckt das Piezo-Prinzip in den so genannten Aktoren, erklärt Hubert Borgmann, Veranstalter der Actuator-Messe in Bremen, an Hand seines Feuerzeugs:

    Das Feuerzeug hier hat keinen Feuerstein. Hier gibt es kein Rädchen, an dem ich drehen kann. Da drin befindet sich ein kleiner Kristall, ein Piezokristall. Der hat eine Eigenschaft: Wenn man ihn mechanisch verspannt, dass er dann als Ausgleich eine elektrische Spannung aufbaut.

    Genau umgekehrt benutzt, wird das Piezo-Kristall zum Stellglied oder Motor. Liegt eine Spannung an, so dehnt sich der keramische Grundstoff aus. Je nach Höhe der Spannung mehr oder weniger. So kann der Nano-Motor drücken, ziehen oder ein klitzekleines Rad bewegen. Aus elektrischer Energie wird mechanische. Kombiniert man zwei der Schichten aus Bleizirkontitanoxid, dann entsteht ein Biegewandler, erklärt Udo Zipfel vom Aktorenhersteller Argillon:

    Was passiert: In Richtung der Polarisation zieht sich die obere Keramik zusammen, wenn Sie Spannung anlegen. Dann geht der ganze Verbund nach oben. Oder Sie schalten hier, dann läuft die Spannung hier unten durch die untere Keramik. Die reduziert ihre Länge und somit geht der ganze Verbund nach unten.

    Die Biegewandler baut Zipfel neuerdings in Textilmaschinen für Wirkwaren ein. So macht die Piezoaktorik es nun möglich, dass Dessous, Gardinen oder Sporttrikots abwechslungsreicher sind als früher. Denn die Nadeln der Maschinen können jetzt ganz genau positioniert werden, sagt der Ingenieur.

    Sie können es einsetzen für das Bewegen der Nadeln, für die Einzelnadelselektion, um hier eine Musterung in dem Stoff zu erzeugen, um das zu realisieren. Sie können eine deutliche höhere Geschwindigkeit erreichen, die Produktion geht deutlich nach oben bei diesen Maschinen. Dann können Sie Musterungen generieren im Stoff, die waren früher nie maschinell herstellbar.

    Ob beim Einstellen von Mikroskopen, beim Bewegen von Autofokus-Objektiven oder beim Antrieb von Maschinen, die Halbleiter-Chips herstellen: Überall dort, wo es auf Genauigkeit ankommt, sind Piezo-Aktoren mehr und mehr zu finden. Beispiel: Der Elliptec-Motor wiegt 1,2 Gramm, surrt nicht und kann Dinge ohne Getriebe antreiben, beschreibt der Ingenieur Harald Bär:

    Bei dem Motor handelt es sich um einen Aluminiumrahmen, in den ein Piezo eingebracht wird. Der Aluminiumrahmen hat hinten eine Feder. Mit dieser Feder wird ein Andruck auf ein Rad oder eine Stange hergestellt. Und der Piezo dient vorwiegend nur dafür, dass wir die mechanische Einheit in eine Resonanzschwingung bringen. Beim Vorwärtsschwingen entsteht eine elliptische Bewegung, so dass die Nase vorne abhebt und wieder aufsetzt und das Rad nach vorne schiebt.

    Mittlerweile lassen sich die winzigen Helfer auch zu einem akzeptablen Preis herstellen. Bis vor kurzem waren noch zweistellige Eurobeträge für derartige Antriebe üblich, künftig sollen Billig-Aktoren nur einen Euro kosten. Die High-Tech-Versionen sind zwar teurer, doch auch im Auto sind die Mini-Stellglieder immer häufiger zu finden. Die Abgase von Diesel-Motoren werden sauberer, weil der Treibstoff mittels Piezo-Injektoren exakter eingebracht werden kann. Fünf oder sieben abgestufte Einspritzvorgänge sind nun möglich statt einem einfachen, sagt Hubert Borgmann:

    Mittlerweile ist diese Technologie quasi zum Standard geworden im Automobilbereich. Der Marktanteil dieser neuen Technologie liegt bei etwa bei 30 Prozent bei den Diesel-Pkw. Und wir sind in der Phase, wo auch im Benzinbereich in Zukunft diese neue Technologie eingesetzt wird.

    Nur für Nobelkarossen aber ist vorerst ein weiterer Aktorentyp bestimmt: Die Verwendung magnetorheatischer Flüssigkeiten. Manche bestehen aus feinsten Eisenteilchen. Elektromagnetische Felder verändern die Eigenschaften dieses Fluids blitzschnell. So kann das Fließverhalten der Hydraulikflüssigkeit in Stoßdämpfern angepasst werden. Hubert Borgmann:

    Auf dieser Basis gibt es Stoßdämpfer, die sich dann elektronisch an den jeweiligen Untergrund in Millisekunden anpassen: Schneller, als der Fahrer es merkt, stellt sich dieser Stoßdämpfer und seine Dämpfung auf diesen Untergrund ein.

    Drei Autohersteller bauen die Komfortfederungen derzeit in ihre Edelwagen ein. Bis die Flüssig-Aktoren den Massenmarkt erreichen, dürfte aber noch etwas Zeit vergehen. In der Medizin dagegen werden sie schon als Dämpfung in künstlichen Kniegelenken eingesetzt.