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Miniaturisierter Magnetsensor

Physik. - Magnetfelder misst man am einfachsten mit einem Kompass. Wie aber misst man Magnetfelder, die viel zu winzig sind, um eine träge Kompassnadel zu drehen? Dann muss man eben eine ebenso winzige Kompassnadel verwenden, dachte sich ein junger Harvard-Professor, und hat einen hochempfindlichen Magnetsensor mit einem einzelnen Atomkern als "Nadel" gebastelt.

Von Ralf Krauter |
    Wer winzige Magnetfelder messen will, braucht winzige Magnetnadeln. Je kleiner desto besser. Der junge Professor Mikhail Lukin von der Universität Harvard setzt deshalb auf die kleinsten nur erdenklichen Magnetnadeln. Laseroptische Experimente mit Diamantkristallen brachten den Physiker auf die Idee, einen einzelnen Atomkern als hochempfindlichen Messfühler zu benutzen.

    " Atomkerne sind die am besten isolierten Quantensysteme, die man sich nur denken kann. Schließlich sind sie von einer elektrisch geladenen Elektronenhülle umgeben, die sie von allen störenden äußeren Einflüssen abschirmt. Diese Unempfindlichkeit führt dazu, dass Atomkerne sehr stabile magnetische Eigenschaften haben. Sie verhalten sich wie winzige Kompassnadeln. Die Orientierung dieser Magnetnadeln zu messen, ist eine enorme Herausforderung. Wenn sie etwas so isoliertes wie einen einzelnen Atomkern haben, wie können sie trotzdem gezielt auf seine magnetische Information zugreifen? "

    Weil die magnetischen Signale eines einzelnen Atomkerns verschwindend gering sind, hilft man sich bislang mit Masse statt Klasse. Bei der Kernspintomographie, jenem bildgebenden Verfahren aus der Medizin, versetzt Hochfrequenzstrahlung Millionen von Atomkernen in kollektive Taumelbewegungen. Die magnetische Kraft ihrer Kompassnadeln summiert sich, wird dadurch messbar und liefert am Ende ein Bild des durchleuchteten Gewebes. Vom millionenfachen Gruppenbild bei der Kernspintomographie will Mikhail Lukin nun sozusagen den Sprung zum Porträt schaffen. In seinem Labor hat er ein Verfahren erprobt, mit dem sich das Magnetfeld eines einzelnen Atomkerns fast punktgenau messen lässt.

    " Wir sprechen über Magnetsensoren, die empfindlicher und genauer sind, als alles, was wir heute kennen. Dieser neuartige Sensortyp kann das winzige Magnetfeld eines einzelnen Protons im Abstand von einigen Nanometern messen. "

    Weil das Magnetfeld eines Protons in dieser Entfernung tausendmal kleiner ist, als das an der Erdoberfläche, sind das bemerkenswerte Ergebnisse. Ermöglicht hat sie eine trickreiche Kombination verschiedener Messtechniken.

    Als filigrane Kompassnadel verwenden Lukin und Co. den magnetischen Kern eines Kohlenstoff-13-Atoms in einem Diamantkristall. Um diese Magnetnadel auszulesen, nutzen die Physiker einen häufig auftretenden Defekt im Kristallgitter von Diamant als Vermittler. Dieser Defekt wirkt wie ein freies Elektron, das seinerseits wie eine kleine Magnetnadel agiert, die von der ersteren beeinflusst wird. Durch die Wechselwirkung wird die schwer zugängliche magnetische Information des Atomkerns in die Elektronenhülle übertragen. Sie dort auszulesen, ist dann ein Kinderspiel.

    " Mit Laserstrahlen können wir diesen kleinen Magneten manipulieren und messen. "

    Das Ergebnis ist ein aus einem einzigen Atom bestehender Sensor, der ultraempfindlich auf feinste Magnetfeldänderungen in seiner Nähe reagiert. Die praktische Realisierung des Magnetsensor im Miniaturformat könnte nach Ansicht von Mikhail Lukin recht handlich ausfallen: Im Prinzip genügt eine lichtleitende Faser mit einem Diamantkristall am Ende. Funktioniert das Ganze wie geplant, ließen sich damit künftig vielleicht einmal die magnetischen Eigenschaften einzelner Atomkerne in komplexen Molekülen bestimmen - und so Informationen gewinnen, die etwa für die Strukturaufklärung biologischer Moleküle wichtig sind.

    " Unsere ersten Ergebnisse sind sehr vielversprechend. Aber noch stehen wir ganz am Anfang der Entwicklung. Wir glauben, es könnte spannende Anwendungen geben, zum Beispiel in der biologischen und medizinischen Grundlagenforschung. Aber noch bleibt viel zu tun, um zu zeigen, dass sich dieses Potenzial tatsächlich ausschöpfen lässt. "