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Minidraht für die Computertechnik

Technologie.- Computerchips werden immer leistungsfähiger und immer kleiner. Allerdings wird befürchtet, dass diese Regel versagen könnte, wenn die technischen Grenzen erreicht sind. Ein neuer Nanodraht liefert nun aber Anzeichen dafür, dass die Miniaturisierung der Computerchips noch längst nicht am Ende ist.

Von Frank Grotelüschen | 10.01.2012
    Er ist so ziemlich das simpelste Bauteil, das man in der Elektronik kennt – der Draht. Knifflig aber wird es, wenn dieser Draht extrem winzig sein soll, wenn er nur einen Durchmesser von anderthalb Nanometern haben soll, also anderthalb Milliardstel Meter. Um so einen Nanodraht zu basteln, braucht es aufwendige Spitzentechnologie, sagt Michelle Simmons, Physikerin an der University of New South Wales in Sydney.

    "Wir nehmen ein Stück hochreines Silizium und schieben es in ein luftleer gepumptes Spezialgefäß. Das Silizium beschichten wir mit einer hauchdünnen Schicht Wasserstoff, in die wir dann mit einer feinen Nadel einen winzigen Graben ritzen. Danach lassen wir Phosphor in das Gefäß, es lagert sich in dem Graben ab. Dann heizen wir das Ganze auf. Dadurch dringt das Phosphor ins Silizium ein und macht es elektrisch leitend. Zum Schluss kommt noch eine Schicht Silizium drauf, wodurch alles überflüssige Phosphor entfernt wird."

    Das Ergebnis: Ein mit Phosphor gespickter Siliziumdraht mit einem unglaublich feinen Durchmesser – gerade mal vier Atomdicken. Doch wie gut leitet so ein Winzling Strom? Ähnlich wie ein normaler, ein großer Draht? Oder stören – wie manche Experten erwarten – Quanteneffekte die Stromleitung? Simmons und ihre Kollegen maßen den Stromfluss und kamen zu einem eindeutigen Resultat.

    "Selbst bei einem so dünnen Draht ist der elektrische Widerstand völlig unabhängig vom Durchmesser. Das Ohmsche Gesetz gilt also nicht nur in der Alltagswelt, sondern auch in der Nanowelt."

    In anderen Worten: Im Prinzip leitet der Nanodraht Strom genauso wie ein normaler Klingeldraht aus Kupfer. Für unabhängige Experten wie David Ferry von der Arizona State University alles andere als selbstverständlich.

    "Für diese Größenordnung von nur wenigen Nanometern ist das wirklich eine Überraschung!"

    Und zwar eine angenehme Überraschung, vor allem für die Computerindustrie. Schon heute sind Konzerne wie Intel in der Lage, Chips mit extrem winzigen Strukturen zu fertigen, bis zu 22 Nanometer. Je kleiner nämlich die Strukturen, umso schneller und leistungsfähiger der Chip. Das Ergebnis aus Sydney legt nun nahe, dass – was manche Experten bezweifelt hatten – diese Miniaturisierung noch eine ganze Zeitlang weitergehen dürfte.

    "In meinen Augen bedeutet das, dass die Halbleiterindustrie erst mal so weitermachen kann wie bisher. Das Moorsche Gesetz besagt ja, dass die Industrie etwa alle zwei Jahre eine neue Generation an Computerchips auf den Markt bringt, die doppelt so viel leistet wie die Vorgängergeneration. Und nun sieht es so aus, als ob es die nächsten acht oder neun Jahren so weitergeht."

    Die Fertigungstechnologie von Michelle Simmons aber wird sich nicht so bald in den Werkhallen der Chiphersteller wiederfinden. Dazu ist sie viel zu aufwendig und unwirtschaftlich – jedenfalls bislang.

    "Die Technologie, die wir nutzen, ist mit den derzeitigen Verfahren der Halbleiterindustrie nicht kompatibel. Aber ich glaube, dass sich auch die Industrie irgendwann in die Größenordnungen von wenigen Nanometern orientieren wird. Und dann dürften unsere Techniken auch für die Industrie wichtig werden."