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Minimale Reflexe

Physik. - Brillengläser aus purem Glas gibt es, wirklich schick sind sie aber nicht - sagt der Optiker. Er möchte seinen Kunden veredelte Brillen verkaufen: Mit Gleitsicht- und getönten Gläsern, außerdem sollten sie entspiegelt sein. Kostengünstig sind solche Brillen aber nicht, selbst schlichtes Entspiegeln verlangt vergleichsweise aufwändige Arbeitsgänge. Das könnte sich - zumindest bezogen auf entspiegelte Gläser - bald ändern: Seit geraumer Zeit arbeiten Wissenschaftler an einer völlig neuen Methode, störende Lichtreflexionen zu verbannen: Sie nutzen Nanopartikel, die - nicht heute, nicht morgen, aber übermorgen - jeder zu Hause auf seine Brille aufträgt.

    Von Mirko Smiljanic

    Lichtreflexe auf der Innenseite von Brillengläsern sind lästig und können sogar ein Sicherheitsrisiko sein - wer jemals nachts mit nicht entspiegelten Gläsern Auto gefahren ist, kann ein Lied davon singen. Allerdings lassen sich heute Brillen problemlos entspiegeln, indem man - so Dr. Lars Unnebrink, Physiker und Technologieberater für optische Forschung beim VDI Düsseldorf - viele hauchdünne Filterschichten auf das Glas dampft. Je nach Dicke der Schicht, wird eine bestimmt Wellenlänge des sichtbaren Lichtes herausgefiltert.

    Licht kann ja als Welle beschrieben werden und wenn Sie zwei Wellenzüge überlagern, haben Sie einmal einen Wellenberg und ein Wellental, und wenn Sie das so hinbekommen, dass ein Wellenberg mit einem Wellental überlagert, löschen sich die Wellen gegenseitig aus, also im Prinzip haben Sie von zwei Seiten Licht, die strahlen Sie übereinander und das Ergebnis ist kein Licht.

    Interferenz-Entspiegelung heißt das Verfahren. Es funktioniert, ist aber aufwändig und teuer. Eine pfiffige Alternative haben Wissenschaftler bei Biologen abgekupfert: Mottenaugen verfügen ebenfalls über Nanopartikel, mit denen sie diffuses Licht registrieren. In die entgegengesetzte Richtung Forscher beim Entspiegeln: Sie beschichten Glas mit winzigen Kunststoffkügelchen - zwischen zehn und 40 Millionstel Millimeter messen sie im Durchmesser.

    Diese Struktur sorgt dafür, dass das Licht diffus reflektiert. Wenn Sie sich vorstellen, Licht trifft auf eine fast willkürlich angeordnete Kugelstruktur, dann wird das Licht, das da drauftrifft in alle möglichen Richtungen gestreut, aber eben nicht grade zurück reflektiert.

    Die Partikel werden in sich selbst organisierenden chemischen Prozessen hergestellt: Lösungsmittel brechen aus Polymeren Makromoleküle, die - weil es energetisch günstig ist - eine Kugelform annehmen. Abhängig vom Lösungsmittel erreichen die Partikel aber nur bestimmte Durchmesser. Sind sie zu groß, brechen sie auseinander.

    Der Vorteil liegt darin, dass das ein Verfahren ist, das aus einer wässrigen Lösung funktioniert, das heißt kein Bedampfungsverfahren, sondern ein Aufschleuderverfahren, und die sind von der Fertigungstechnologie her deutlich günstiger als Bedampfungsverfahren normalerweise.

    "Günstiger" bedeutet vor allem kostengünstiger. Trotzdem gibt es einen Haken.

    Kunststoff zeichnet sich leider dadurch aus, dass die Kratzfestigkeit sehr gering ist, das heißt mit dem Fingernagel kriegen Sie diese Schichten wieder runter, und Gegenstand der Forschung ist es, Schichten zu finden, die dies verhindern.

    Aber auch hier sehen Nanotechnologen Lösungen: Forscher legen über die weichen Kunststoffpartikel eine Schicht harter Quarzteile. Damit lässt sich die Entspiegelung effektiv schützen. Gleiches gilt übrigens für Kunststoffgläser, die ja ebenfalls viel weicher sind als Glas und häufig schon nach kurzer Zeit verkratzen. Dass die Nanoschicht vergleichsweise weich und leicht zu entfernen ist, könnte aber auch von Vorteile sein: Die Schicht lässt sich problemlos erneuern. Vergleichbares gibt es heute schon bei Reinigungstüchern.

    Es gibt jetzt schon für schmutzabweisende Oberflächen Reinigungstücher - in Anführungszeichen Reinigungstücher - mit denen die Oberflächen nachbearbeitet werden und wo dann Kunststoffpartikel neu aufgetragen werden, um die Abweisung von Partikeln zu erneuern.

    Zukünftig wird es möglich sein, seine Brille mit speziellen Putztüchern zu entspiegeln - die Nanotechnologie macht's möglich!