Beim breiten Publikum hat ten Holt großen Anklang gefunden, die strengen Kritiker hingegen betrachten ihn bestenfalls mit Skepsis. In Deutschland ist Ten Holt kaum bekannt. Da ist es erfreulich, wenn das niederländische Label "Composers’ Voice" eine CD-Box auf den Markt bringt unter dem Titel "Simeon ten Holt Highlights".
Allerdings handelt es sich dabei nicht um Neueinspielungen, sondern um eine Zusammenführung von älteren Aufnahmen, die größtenteils als richtungsweisend gelten dürfen.
Hören Sie einen für Ten Holt typischen Ausschnitt aus dem "Soloduiveldans 3" von 1990. Am Anfang steht eine kleine melodische Floskel, die wie eine simple Begleitfigur wirkt. Doch dieses nebensächliche Motiv beginnt spielerisch ein Eigenleben zu führen, und wird damit - wie so oft bei Ten Holt - zum eigentlichen Thema des Werks.
• Musikbeispiel: Simeon ten Holt - Ausschnitt aus: Soloduiveldans III
Ein Ausschnitt aus dem "Soloduiveldans III" von Simeon ten Holt, in der Ausarbeitung des Pianisten Kees Wieringa.
Wenn ich hier von "Ausarbeitung" spreche und nicht von "Interpretation", so deshalb, weil die Partituren von Ten Holt ausgesprochen offen gehalten sind. Diese Partituren entsprechen Landkarten, anhand derer die Instrumentalisten ihre je eigenen Routen festlegen müssen. Viele musikalische Parameter wie Lautstärke, Anzahl der Wiederholungen oder Satzdichte sind nicht festgelegt. Nur "Raum, vor allem viel Raum" schreibt der Komponist gerne und oft über seine Partituren.
So können Aufführungen seiner Werke durchaus mehrere Stunden füllen: Zeit wird zum Raum, in dem das musikalische Objekt zu schweben beginnt.
Solchen ansatzweise philosophisch wirkenden Gedanken steht bei ten Holt aber immer eine sympathische Musikalität gegenüber: Nie verschwindet bei ihm der musikantische Gestus hinter dem intellektuellen Konstrukt.
Ten Holt ist selbst Pianist, und auf diesem Hintergrund hat er fast ausschließlich Werke für eine beliebig zu bestimmende Anzahl von Tasteninstrumenten geschrieben. Hände, so die Überzeugung des Komponisten, "greifen oft Dinge, die man nicht begreifen kann".
Traditionell werden seine Stücke mit vier Flügeln aufgeführt. Das fordert von den Interpreten allerdings mehr als bloßes Üben. Das Stück will gemeinsam erarbeit, erschlossen werden, und nicht umsonst bezeichnet ten Holt seine Werke gerne als musikalischen "Kreisverkehr". Jeder einzelne Interpret muss genau auf die Aktionen der Mitspieler achten, muss hin- und zuhören, um schließlich Teil eines sozialen musikalischen Prozesses zu werden.
Erstes und richtungsweisendes Werk der tonalen Phase war "Canto ostinato", entstanden 1976-1979. Wie nahezu alle Einspielungen in dieser CD-Box, handelt es sich auch in diesem Fall um einen Live-Mitschnitt. 1988 lieferten die Pianisten Gerard Bouwhuis, Gene Carl, Cees van Zeeland und Arielle Vernède eine bis heute unübertroffene Version für vier Klaviere. Hören Sie einen Ausschnitt aus der 160 Minuten dauernden Realisation, in dem sich kurzfristig eine Melodie durchsetzt, die in den Niederlanden schon Berühmtheit erlangt hat.
• Musikbeispiel: Simeon ten Holt - Ausschnitt aus: Canto ostinato
"Canto ostinato" von Simeon ten Holt, hier realisiert an vier Klavieren.
Die neue CD-Box "Highlights" mit Werken von Ten Holt enthält 11 CDs und rund 10 Stunden Musik. Sie zeigt acht Werke von Ten Holt und wird ergänzt um eine Video-DVD mit leider nur niederländischsprachigen Interviewausschnitten.
Zwar ist die CD-Box auch ohne DVD erhältlich, aber aufgrund der spärlichen Publikationen über Ten Holt wäre eine mehrsprachige DVD-Edition mehr als wünschenswert gewesen. Auch das verblüffend dünne Begleitheft fällt unangenehm auf: Der kleine, einführende Aufsatz wird kaum der Komplexität des Ten Holt'schen Werkes gerecht.
Überhaupt hätte man jetzt eine Gesamteinspielung aller tonalen Werke erwartet und nicht nur eine Auswahl. Denn Ten Holt hat mit dem Komponieren aufgehört; im persönlichen Gespräch erklärt der heute über Achtzigjährige, dass ihm jetzt für das Komponieren die nötige körperliche Energie fehle, und eine Musik, die nicht diesen physischen Aspekt widerspiegelt, möchte Ten Holt keinesfalls schreiben.
Seine Werke nach 1970 jedenfalls sind alle von dieser "Körperlichkeit" geprägt. Rückblickend sind es Dokumente eines starken Willens und eines konsequenten Mutes, kompromisslos gegen den Strom der Moden zu schwimmen.
Hören Sie zum Abschluss einen Ausschnitt aus dem 1995 bis 1997 komponierten "Meándres", ebenfalls realisiert mit vier Klavieren. Es spielen Ellen Dijkhuizen, Polo de Haas, Fred Oldenburg und Kees Wieringa. Die Live-Einspielung stammt von 1999 und dauert insgesamt 72 Minuten.
• Musikbeispiel: Simeon ten Holt - Ausschnitt aus: "Méandres"
Titel: Simeon ten Holt - "Highlights"
Composers' Voice Special
Label: Composers' Voice/MuziekGroep Nederland
Paulus Potterstraat 14; NL-1071 CZ Amsterdam
Tel. +31 20 3058900 / info@muziekgroep.nl
Bestellnr.: CV 145 (11 CDs + 1 DVD)
CV 137 (ohne DVD)
Allerdings handelt es sich dabei nicht um Neueinspielungen, sondern um eine Zusammenführung von älteren Aufnahmen, die größtenteils als richtungsweisend gelten dürfen.
Hören Sie einen für Ten Holt typischen Ausschnitt aus dem "Soloduiveldans 3" von 1990. Am Anfang steht eine kleine melodische Floskel, die wie eine simple Begleitfigur wirkt. Doch dieses nebensächliche Motiv beginnt spielerisch ein Eigenleben zu führen, und wird damit - wie so oft bei Ten Holt - zum eigentlichen Thema des Werks.
• Musikbeispiel: Simeon ten Holt - Ausschnitt aus: Soloduiveldans III
Ein Ausschnitt aus dem "Soloduiveldans III" von Simeon ten Holt, in der Ausarbeitung des Pianisten Kees Wieringa.
Wenn ich hier von "Ausarbeitung" spreche und nicht von "Interpretation", so deshalb, weil die Partituren von Ten Holt ausgesprochen offen gehalten sind. Diese Partituren entsprechen Landkarten, anhand derer die Instrumentalisten ihre je eigenen Routen festlegen müssen. Viele musikalische Parameter wie Lautstärke, Anzahl der Wiederholungen oder Satzdichte sind nicht festgelegt. Nur "Raum, vor allem viel Raum" schreibt der Komponist gerne und oft über seine Partituren.
So können Aufführungen seiner Werke durchaus mehrere Stunden füllen: Zeit wird zum Raum, in dem das musikalische Objekt zu schweben beginnt.
Solchen ansatzweise philosophisch wirkenden Gedanken steht bei ten Holt aber immer eine sympathische Musikalität gegenüber: Nie verschwindet bei ihm der musikantische Gestus hinter dem intellektuellen Konstrukt.
Ten Holt ist selbst Pianist, und auf diesem Hintergrund hat er fast ausschließlich Werke für eine beliebig zu bestimmende Anzahl von Tasteninstrumenten geschrieben. Hände, so die Überzeugung des Komponisten, "greifen oft Dinge, die man nicht begreifen kann".
Traditionell werden seine Stücke mit vier Flügeln aufgeführt. Das fordert von den Interpreten allerdings mehr als bloßes Üben. Das Stück will gemeinsam erarbeit, erschlossen werden, und nicht umsonst bezeichnet ten Holt seine Werke gerne als musikalischen "Kreisverkehr". Jeder einzelne Interpret muss genau auf die Aktionen der Mitspieler achten, muss hin- und zuhören, um schließlich Teil eines sozialen musikalischen Prozesses zu werden.
Erstes und richtungsweisendes Werk der tonalen Phase war "Canto ostinato", entstanden 1976-1979. Wie nahezu alle Einspielungen in dieser CD-Box, handelt es sich auch in diesem Fall um einen Live-Mitschnitt. 1988 lieferten die Pianisten Gerard Bouwhuis, Gene Carl, Cees van Zeeland und Arielle Vernède eine bis heute unübertroffene Version für vier Klaviere. Hören Sie einen Ausschnitt aus der 160 Minuten dauernden Realisation, in dem sich kurzfristig eine Melodie durchsetzt, die in den Niederlanden schon Berühmtheit erlangt hat.
• Musikbeispiel: Simeon ten Holt - Ausschnitt aus: Canto ostinato
"Canto ostinato" von Simeon ten Holt, hier realisiert an vier Klavieren.
Die neue CD-Box "Highlights" mit Werken von Ten Holt enthält 11 CDs und rund 10 Stunden Musik. Sie zeigt acht Werke von Ten Holt und wird ergänzt um eine Video-DVD mit leider nur niederländischsprachigen Interviewausschnitten.
Zwar ist die CD-Box auch ohne DVD erhältlich, aber aufgrund der spärlichen Publikationen über Ten Holt wäre eine mehrsprachige DVD-Edition mehr als wünschenswert gewesen. Auch das verblüffend dünne Begleitheft fällt unangenehm auf: Der kleine, einführende Aufsatz wird kaum der Komplexität des Ten Holt'schen Werkes gerecht.
Überhaupt hätte man jetzt eine Gesamteinspielung aller tonalen Werke erwartet und nicht nur eine Auswahl. Denn Ten Holt hat mit dem Komponieren aufgehört; im persönlichen Gespräch erklärt der heute über Achtzigjährige, dass ihm jetzt für das Komponieren die nötige körperliche Energie fehle, und eine Musik, die nicht diesen physischen Aspekt widerspiegelt, möchte Ten Holt keinesfalls schreiben.
Seine Werke nach 1970 jedenfalls sind alle von dieser "Körperlichkeit" geprägt. Rückblickend sind es Dokumente eines starken Willens und eines konsequenten Mutes, kompromisslos gegen den Strom der Moden zu schwimmen.
Hören Sie zum Abschluss einen Ausschnitt aus dem 1995 bis 1997 komponierten "Meándres", ebenfalls realisiert mit vier Klavieren. Es spielen Ellen Dijkhuizen, Polo de Haas, Fred Oldenburg und Kees Wieringa. Die Live-Einspielung stammt von 1999 und dauert insgesamt 72 Minuten.
• Musikbeispiel: Simeon ten Holt - Ausschnitt aus: "Méandres"
Titel: Simeon ten Holt - "Highlights"
Composers' Voice Special
Label: Composers' Voice/MuziekGroep Nederland
Paulus Potterstraat 14; NL-1071 CZ Amsterdam
Tel. +31 20 3058900 / info@muziekgroep.nl
Bestellnr.: CV 145 (11 CDs + 1 DVD)
CV 137 (ohne DVD)