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Minireform statt großer Wurf

Die sozialistische Regierung unter Präsident François Hollande wollte Frankreich ein strukturell anderes Rentensystem verpassen. Doch daraus ist eher eine Minireform geworden. Gewerkschaften riefen dennoch zu Protesten auf, vor allem gegen die Anhebung der Beitragszeiten und Rentenbeiträge.

Von Ursula Welter | 10.09.2013
    Ein brodelnder Vulkan, der noch nicht ausgebrochen sei. Mit diesem Bild halfen sich heute führende Gewerkschaftsvertreter in Frankreich über die Runden. Zwar gab es landesweit Demonstrationszüge gegen die geplante Rentenreform, auch wurde gestreikt, aber der Aufschrei fiel deutlich leiser aus, als vor drei Jahren, als zuletzt eine konservative Regierung die Rentenkassen zu sanieren versuchte.

    "Um den gemeinsamen Protest, das Versammeln aller Unzufriedenen ging es uns",

    erklärte der Chef der CGT, Thierry Lepaon, der ebenfalls eingestehen musste, dass linker Protest gegen ein linkes Rentenreformprojekt schwerer zu organisieren ist. Dennoch: Der Gesetzentwurf hat seine Gegner, diesmal vor allem junge Leute:

    "Selbst, wenn wir jung sind, wir sind die Arbeitnehmer von morgen und je mehr Rentenreformen ins Land gehen, desto weniger Aussicht haben wir",

    sagte diese junge Studentin, die rote Fahne der Gewerkschaft auf dem Rücken.

    "Es ist wichtig, dass wir uns auflehnen",

    sekundierte eine ältere Dame und ein Mann sagte:

    "43 Beitragsjahre, das ist gerade für die jungen Leute ein Problem, die finden doch heutzutage frühestens mit 30 eine Anstellung."

    Die schrittweise Anhebung der Beitragszeiten auf 43 Jahre gilt den Gewerkschaften als Kern ihres Protestes. Auf der anderen Seite freut sich die Arbeitnehmerseite, dass die sozialistische Regierung ein Punktesystem entwickelt hat, damit Menschen in belastenden Berufen nach kürzerer Frist den Anspruch auf volle Renten haben.

    "Zehn Jahre schwere Arbeit heißt ein Jahr früher in die Rente",

    erklärt Arbeitsminister Sapin.

    So konzentriert sich der Protest der Gewerkschaften auf die längeren Beitragszeiten und darauf, dass die Kaufkraft der Beschäftigten, nach all den Steuererhöhungen, noch weiter leide – mit der Anhebung der Renten-Beiträge, die mit der Reform vom kommenden Jahr an fällig wird.

    Entsprechend aufgebracht sind die Arbeitnehmervertreter über eine Zusage des Präsidenten an die Unternehmen: Sie sollen einen Ausgleich bekommen für den Anstieg der Beitragssätze. François Hollande betreibe inzwischen eine "unternehmerfreundliche Politik", schreibt auch deshalb heute das regierungsnahe Blatt "Libération": Hollande, Sozialdemokrat oder sozialliberal? fragt der Kommentator gar. Im konservativen Teil Frankreichs wird der Reformeifer des Präsidenten indes anders interpretiert. Die Oppositionspartei UMP wetterte auch heute, die Rentenpläne der Regierung seien mager und keineswegs ausreichend, um die Löcher der Kasse nachhaltig zu stopfen.