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Minister im Winterbilderland

Vor vier Wochen lud Bundesinnenminister Thomas de Maizière auf seiner ministerialen Homepage dazu ein, ihm Fragen zu stellen – zur Münchner Olympiabewerbung. Es waren drei kritische Fragen, die "das Rennen gemacht haben".

Von Grit Hartmann | 13.02.2011
    "Sie fragen, der Minister antwortet. Heute: Olympiabewerbung München 2018."
    Sportiv vermummt gleitet Thomas de Maizière auf Skiern einen belebten Abhang herunter. Er bremst vor einem klappernden Lift, entledigt sich seiner Skibrille eher langsam. Er braucht etwas, um Atem zu schöpfen. Er wolle werben, sagt der Innenminister dann. Hier in Garmisch. Für Olympia 2018. Eine hübsche Wintermärchenimprovisation der PR-Strategen des BMI. Nur passen die Fragen, die der Minister beantworten muss, nicht ganz dazu. Die meisten wollten wissen, ob die Olympiabewerber tatsächlich Garmischer Bauern enteignen werden, auch solche, die schon für die Spiele 1936/40 Land verloren und nie zurückbekommen haben.

    "Die Verantwortlichen vor Ort haben mir versichert, dass sie nicht die Absicht haben, eine Enteignung durchzuführen. Es gibt gute Gespräche. Ich bin zuversichtlich, dass sie zu einem guten Ergebnis führen. Wie auch bei der Ski-WM hat es ja im Ergebnis auch zu einer Einigung geführt. Und zur Not gibt es noch einen Plan B."

    Die Bundesregierung also wird, nimmt man de Maizière beim Wort, den Zusagen an das IOC nicht mit Zwang Geltung verschaffen. Zwar bezweifeln die Olympiakritiker, dass der Notausgang, ein "Plan B", existiert. Garmisch, so argumentieren sie, verfüge über kein Ausweichterrain. Wie belastbar de Maizières Aussage ist, muss deshalb Spekulation bleiben. Aber die Garmischer Bauern werden daran erinnern, falls man in Bayern am Enteignungsszenario festhält.
    Alles andere hat keinen Neuigkeitswert. Der Minister wiederholt bekannte Argumentationen. Warum wird in Schwaiganger neu und temporär gebaut, wo doch in Ruhpolding Langlauf-Anlagen und Biathlon-Schiessstände vorhanden sind?

    "Gute Frage", befindet de Maizière, um sodann das Verlangen des IOC nach kompakten Spielen zu bejahen. Ruhpolding sei 120 Kilometer entfernt, Schwaiganger nah dran.

    "Und das ist insgesamt ein Pluspunkt für unsere Bewerbung."

    Ob es sinnvoll sei, heißt die dritte Frage vollständig, dass "die hoch verschuldete Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen weitere Millionen" für eine Normalschanze investiere, die nach Olympia wohl keinen hochkarätigen Wettbewerb mehr erlebe. Der Verweis auf die Verschuldung fehlt in der gekürzten Fragefassung. Der Minister kann sich so auf das zurückziehen, was jeder weiß: Für die Spiele würden nun mal zwei Schanzen gebraucht. Der Rest ist guter Glaube:

    "Also, ich glaube, das ist gut investiertes Geld, kann nachhaltig genutzt werden. Und Wettbewerbe, die kommen dann schon."

    Die Normalschanze in Garmisch wurde bisher aus gutem Grund nicht saniert: Der aufs Spektakuläre angelegte Wettkampfkalender des Ski-Weltverbandes FIS hat eher Bedarf für Groß- und Flugschanzen. Und warum sollte die FIS Garmisch mit einem weiteren Wettbewerb bedenken – neben der Vierschanzen-Tournee auf der Großschanze? Ins Realitätsferne gleitet auch das Ende des Filmchens ab. Es sei okay, dass die drei Fragen kritisch waren, resümiert de Maizière.

    "Aber es gibt ganz viele Fragen, welche Chancen in der Olympiabewerbung liegen, für Garmisch-Partenkirchen, für Bayern und für Deutschland. Die wollen wir nutzen, dafür bitte ich um Ihre Unterstützung. Gemeinsam werden wir es schaffen."

    Unter den 45 Fragen ist bestenfalls eine, die derart zu deuten wäre. Wörtlich lautet sie jedoch: "Was hat der Bürger außerhalb Bayerns davon, wenn Olympia in München stattfindet, außer den Kosten?" Bei der freizügigen Interpretation des Ministers handelt es sich selbstverständlich um mehr als um simple Verdrängung: Wo vieles wankt, verspricht der Sport Festigkeit. Er ist der Proviant für den Politiker, der gern populär sein möchte. So hat das lange funktioniert. Ob die veränderte geistige Wetterlage bei Teilen der Bürger-, sprich: Wählerschaft, die Adressaten erreicht, steht freilich dahin. Zumindest wird das Zeit brauchen, wie de Maizière im Winterbilderland mit seinem Abschiedssatz vorführt:

    "Also dann: Bis 2018 in Garmisch-Partenkirchen!"