
Reiter erklärte, die gewonnene Vertrauensabstimmung sei das mindeste, was Tusk gebraucht habe, um seine angeschlagene Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Er sei nach der vom Rechtsnationalisten Nawrocki gewonnenen Präsidentschaftswahl in einer schwierigen Lage gewesen, aber nun sei klar: "Die Koalition steht zu ihm".
Tusk muss jetzt Regierungsfähigkeit demonstrieren
Nawrocki werde es sich nun zur Aufgabe machen, der Regierung das Leben schwer zu machen. Der frühere Diplomat, der von 1990 bis 1995 Botschafter in Deutschland war, betonte: "Tusk muss jetzt zeigen, dass er imstande ist, durchzuregieren in der Außenpolitik und in der Europapolitik trotz seines eingeschränkten Handlungsspielraums."
Zehn Tage nach der Niederlage des Regierungslagers bei der Präsidentenwahl sprachen sich gestern 243 Abgeordnete der Regierung das Vertrauen aus. 210 stimmten gegen Tusks Ministerrat.
Der Regierungschef wollte mit dem selbst herbeigeführten Vertrauensvotum die Einigkeit und Entschlossenheit seiner pro-europäischen Koalition demonstrieren und sich gegen den künftigen Präsidenten Nawrocki behaupten. Der rechtsnationale Politiker hatte sich bei der Präsidentschaftsstichwahl am 1. Juni durchgesetzt. Er wird von der früheren Regierungspartei PiS unterstützt. Nawrocki dürfte ähnlich wie sein Vorgänger Duda sein Vetorecht als Präsident nutzen, um Tusks liberale politische Agenda zu durchkreuzen - darunter die Rücknahme der einst von der PiS umgesetzten Justizreformen, die nach Ansicht der EU-Kommission die Unabhängigkeit der Gerichte untergraben.
Tusk gibt sich in Regierungserklärung kämpferisch: keine Kapitulation
Tusk gab sich in seiner Regierungserklärung kämpferisch: "Ich kenne den Geschmack des Sieges und die Bitterkeit der Niederlage, aber ein Wort kenne ich nicht: Kapitulation." Er kündigte für Juli eine Umbildung seines Kabinetts an, stellte aber in seiner Rede vor dem Parlament ansonsten kaum konkrete Vorhaben für die nächste Zeit vor.
Polen-Beauftragter der Bundesregierung: Deutschland behält verlässlichen Partner und Freund
Als Reaktion auf Tusks Rede schrieb der PiS-Abgeordnete Sasin auf X, der Ministerpräsident und sein Team seien inkompetent und unehrlich. "Entfernt diese Faulenzer und Schädlinge von der Macht, bevor sie alles vollständig zerstören". Der Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Abraham, begrüßte dagegen das Ergebnis der Abstimmung im Parlament von Warschau. Damit behalte Deutschland einen verlässlichen Partner und Freund, sagte der CDU-Politiker der Nachrichtenagentur Reuters.
Tusk hat Wahlversprechen zum Teil nicht umgesetzt: viele Polen enttäuscht
In der Bevölkerung hat Tusk Experten zufolge für Enttäuschung gesorgt, weil er viele Wahlversprechen bislang nicht hat umsetzen können, darunter die Liberalisierung der Abtreibungsgesetze und eine Steuersenkung. Dies hängt zum Teil mit dem Vetorecht des polnischen Präsidenten zusammen, zum Teil mit Unstimmigkeiten in Tusks Koalition.
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Diese Nachricht wurde am 12.06.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.