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'Minority Report' für das FBI

Am Dienstag vergangener Woche bekam der amerikanische Kongress Post vom Justizministerium. Inhalt der Sendung: ein detaillierter Bericht über die Planung eines neuen Computer-Spezialsystems für das amerikanische FBI. Dieses System soll Terroristen suchen und die Wahrscheinlichkeit berechnen, derzufolge jemand eine terroristische Straftat begehen wird.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Peter Welchering |
    Manfred Kloiber: Über einige Planungselemente hat die Washington Post berichtet und damit für erheblichen Wirbel gesorgt. Demokratische Politiker, die Bürgerrechtsbewegung Electronic Frontier Foundation haben kritisiert, mit dem neuen FBI-System solle der Terror-Risikowert einer Person berechnet werden, und das sei verfassungsrechtlich anrüchig und technischer Unfug. Wie soll das neue FBI-System denn eigentlich den Risikowert von Personen berechnen, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Nun, dafür verwenden die Entwickler von Star, so heißt das neue System, ein Data Mining System und eins Risikoanalyse aus der Finanzwelt. Die Abkürzung Star steht dabei übrigens für "System to Asses Risk", also Risikoberechnungssystem. In einem ersten Schritt soll Star zur Verfolgung ausländischer Terroristen entwickelt werden. Dabei werden die Anti-Terror-Dateien der amerikanischen Regierung mit ihren schätzungsweise 500 Millionen Datensätzen mit den Fluggastdaten und anderen Angaben von Einreisenden abgeglichen. So entsteht ein erstes Profil des Einreisenden. Die Behörden wissen also, woher der Einreisende kommt, ob er geschäftlich oder privat in den USA zu tun hat, was er an Bord des Flugzeuges gegessen hat, welche Kontenverbindung er unterhält – und so weiter. Also alles das, was die Fluggastdaten, was die Datensätze des US-Visit-System und eben auch die der Anti-Terror-Dateien hergeben. Dadurch entsteht ein erstes Profil dieses Einreisenden. Und dieses Profil wird nun nach einer Methode auf terroristische Gefährlichkeit bewertet, die aus der Finanzwelt stammt und sich Scorecard nennt. Am Ende dieser Star-Überprüfung, die mit allen Datenabgleichen nur wenige Minuten dauern soll, steht dann ein Wahrscheinlichkeitswert, demzufolge der Einreisende eine terroristische Straftat begeht.

    Kloiber: Und wie wird solche eine solche Wahrscheinlichkeit genau berechnet? Machen das die berühmten Profiler, die ein psychisches Profil zusammenstellen, die wir auch in den amerikanischen Krimis sehen?

    Welchering: Das läuft gemäß der Scorecard-Methdoe alles sehr viel profaner ab. Das Profil des Einreisenden besteht nicht aus psychischen Merkmalen oder Einschätzungen, sondern nur aus sozialen Daten. Diese sozialen Daten – allein die Fluggastdaten liefern ungefähr ein Dutzend soziale Datensätze – werden mit den sozialen Daten von terroristischen Straftätern abgeglichen. Es findet also ein maschineller Vergleich mit einer Tätergruppe statt, einer Vergleichsgruppe eben. Je stärker die sozialen Daten mit denen der Vergleichsgruppe übereinstimmen, desto höher ist der Risikowert. So funktioniert diese Scorecard-Methode. Allerdings hat das amerikanische Justizministerium gestern auf Nachfrage dem Deutschlandfunk nicht bestätigen wollen, dass genau diese Scorecard-Methode in Star genauso eingesetzt wird. Da wurde jeder Kommentar verweigert. Jedoch hat die Washington Post berichtet, dass es sich um eine Data Mining Lösung bei Star handele. Diese Angabe wollte das Justizministerium auch nicht kommentieren.

    Kloiber: Wie werden denn solche Scorecard-Methoden in der Finanzbranche eingesetzt?

    Welchering: Da dienen sie dazu, die Kreditwürdigkeit eines potenziellen Kunden einzuschätzen. Und da geht es dann um Einflussgrößen, wie etwa die Adresse des möglichen Kunden, seinen Beruf, sein Einkommen, seinen Hobbys und so weiter und hier wird dann auch geschaut, wie kreditwürdig ist die den Profilen dieses potenziellen Kunden entsprechende Vergleichsgruppe in der Vergangenheit gewesen. Haben Kandidaten mit ähnlichen sozialen Daten wie dieser potenzielle Kunde in der Vergangenheit ihre Kredite immer pünktlich zurückgezahlt oder waren sie da säumig, sind Kredite "faul geworden". Das ist der hauptsächliche Anwendungsbereich von Scorecard-Methoden in der Finanzwirtschaft.

    Kloiber: Welche Einflussgrößen werden denn für die angebliche Terrorgefährlichkeit verwendet?

    Welchering: Natürlich das Herkunftsland, wie häufig jemand reist, welche Bindungen er zu Stätten hat, an denen man Aktivität von Terroristen vermutet oder kennt, welche Ernährungs- und Zahlungsgewohnheiten er hat, die Religionszugehörigkeit ist gemäß der Scorecard-Methode bei dieser Risikoeinschätzung eine wichtige Einflussgröße. Und da gibt es dann ein ähnliches Ranking wie bei der Kreditvergabe. Und wer ein zu schlechtes Ranking hat, wer also über soziale Daten verfügt, die auch terroristischen Gewalttätern zugeschrieben werden, wie etwa Religion, Geburtsland, Reisehäufigkeit, Ernährungsgewohnheiten, bei dem wird das Star-System des FBI bereits bei der Einreise Alarm schlagen. Was dann konkret beim Immigration Officer passiert, das wollen die US-Behörden allerdings noch nicht verraten.