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MINT-Gipfel
Mehr offene Stellen als Bewerber

Schule, Uni und Wirtschaft müssen an einem Strang ziehen, wenn es auch in Zukunft ausreichend Nachwuchs in den technischen Berufen geben soll. Darin sind sich die Experten auf dem 2. Nationalen MINT-Gipfel in Berlin einig. Es fehlen rund 100.000 Arbeitskräfte im sogenannten MINT-Bereich, also aus Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.

Von Anja Nehls | 08.05.2014
    Ein Roboter von Studenten der Hochschule für Technik und Wirtschaft.
    Deutschland gehen Ingenieure und Techniker aus. (picture alliance / ZB / Matthias Hiekel)
    Deutsche Ingenieurskunst und deutsche Technik hat weltweit einen hervorragenden Ruf - aber der ist gefährdet. Deutschland gehen nämlich die Ingenieure und Techniker aus. Für Sylvia Löhrmann, die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, wäre das eine Katastrophe:
    "Nicht nur unsere Kinder und Jugendlichen, sondern auch wir selbst können uns unser alltägliches Leben ohne Internet, Computer, Handys, spritsparende Automobile, Arzneimittel und weitere naturwissenschaftlich-technische Errungenschaften nicht mehr vorstellen. Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik liefern uns patente Lösungen für unseren Alltag."
    Fachkräftemangel deutlich zugenommen
    Schule, Uni und Wirtschaft müssen an einem Strang ziehen, wenn es auch in Zukunft ausreichend Nachwuchs in den technischen Berufen geben soll. Darin sind sich die Experten auf dem 2. Nationalen MINT-Gipfel in Berlin einig. Im MINT-Forum vertreten sind unter anderem die deutsche Hochschulrektorenkonferenz, Arbeitgeberverbände und die Industrie und Handelskammern. Es gibt bereits etliche MINT-Initiativen in Deutschland. Aus gutem Grund. Es fehlen rund 100.000 Arbeitskräfte im sogenannten MINT-Bereich, also aus Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Es fehlen sowohl Akademiker als auch Fachkräfte aus dem beruflichen Bereich. Überall gibt es erheblich mehr offene Stellen als Bewerber, Dringend müssen also neue Reservoires erschlossen werden, sagt Ortwin Renn, Ordinarius für Umwelt- und Techniksoziologie an der Uni Stuttgart.
    "Ein Reservoir sind sicherlich die Frauen, die immer noch sehr unterrepräsentiert sind, zweites Reservoir sind die Immigranten und das dritte sind eben die Familien, die bislang eher bildungsfern waren und von denen wir glauben dass wir sie gerade mit Technik vielleicht eher noch begeistern können als mit anderen Fächern."
    Bereits möglichst früh muss deshalb Kindern der Spaß an Naturwissenschaft und Technik vermittelt werden. Einfach ist das nicht. Eva Nicolin-Sroka ist Lehrerin für Informatik und Mathematik am Gymnasium Schloss Neuhaus in NRW und Gewinnerin des deutschen Lehrerpreises 2009. Sie versucht, durch einen ausgeprägten Praxisbezug für ihre Fächer Begeisterung zu vermitteln:
    "Ich versuche, meinen Schülern Türen zu öffnen, gerade aus dem Informatikunterricht muss ich sie in die Wirklichkeit führen, muss ich die engen Grenzen der Schule überwinden. Und ich bin sehr viel bei Unternehmen unterwegs mit Schülern und zeige ihnen, welchen Sinn und Hintergrund das hat, was sie jetzt in Grundlagen lernen und versehe das Ganze einfach mit dem realen Leben."
    Um Mädchen bei der Stange zu halten, sollte man sich in Schulen und Unis auch mehr Gedanken um Didaktik in den technischen Fächern machen, meint Ortwin Renn von der Universität Stuttgart.
    "Also es geht immer um Autos, um Raumfahrt, um Maschinen und wir haben ganz bewusst vor Jahren mal so ein Programm gemacht mit Textilkunde, also mit ganz anderen Dingen, vor allem kreativen Bereichen, also sehr viel mehr auch im Physikunterricht, dass man konstruiert, dass man Dinge selber baut, das kommt bei Mädchen sehr gut an."
    Auch Studierende aus dem Ausland benötigt
    Besonders wichtig ist die Unterstützung interessierter Schülerinnen und Schüler beim Übergang in die Uni. Ohne Studierende aus dem Ausland wird es aber nicht gehen, sagt MINT-Sprecher Prof. Henning Kagermann. Hier gelte es, die künftigen MINT-Studenten erst nach Deutschland zu locken und dann auch zum Bleiben und zum Arbeiten in Deutschland zu bewegen. Henning Kagermann ist selber theoretischer Physiker und Präsident der der deutschen Akademie der Technikwissenschaften.
    "Wir haben zum Beispiel vorgeschlagen, macht doch die Regionen in Deutschland attraktiv, zeigt nicht nur die Uni, zeigt, da gibt es auch Arbeitnehmer, da gibt es auch Großforschungsinstitute, so komm in diese Gegend und das sind deine Chancen. Das Zweite war, dass wir uns nicht genügend kümmern um die Leute, auch die kulturellen Unterschiede nicht so wahrnehmen, dass es auch zu kompliziert ist, hier ein Studium anzufangen, hinterher die Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Also eine ganze Reihe von Punkten, die eigentlich bekannt sind und die müssten in einem Bündel eigentlich mal verbessert werden."
    Von den ausländischen Hochschulabsolventen bleibt gerade mal ein Viertel in Deutschland und viel zu viele Studierende brechen ihr Studium vorzeitig ab - deutsche genauso wie ausländische. Immerhin: Der Anteil aller Studienanfänger mit einem MINT-Fach ist von 36 Prozent 2006 auf 39 Prozent gestiegen.