"Ich war der T-Shirt-Verkäufer, ich habe T-Shirts verkauft und ´99 habe ich quasi zu den Sommerfestivals angefangen Synthesizer live zu spielen."
Rick McPhail. Seit 2004 ist er offizielles Bandmitglied von Tocotronic – an den Keyboards und an der Gitarre. Dabei war der gebürtige US-Amerikaner mit der eckigen Hornbrille und dem ergrauten Pilzkopf ursprünglich eher skeptisch gegenüber Tocotronic eingestellt – die Gruppe, die hierzulande mittlerweile als renommierteste deutsche Alternative-Rockband gilt.
Vom Band T-Shirt Verkäufer zum Gitarristen bei Tocotronic
"Ja, erstmal war ich nicht so der große Fan von ihrer Musik, und ich dachte: 'Ich bleibe nicht so lange in Deutschland, ich bin eh in zwei Jahren weg. Da brauche ich nicht so eine deutsche Band, die amerikanischen Indie-Rock mit deutschen Texten macht.' Und dann haben sie mir diesen T-Shirt-Verkäufer-Job gegeben, und ich habe jeden Abend ihre Musik gehört und dachte mir 'Es ist eigentlich nicht so schlecht. Also eigentlich ist es gut, was sie machen.'"
Vor etwas mehr als sechs Jahren rief Rick McPhail sein eigenes Projekt "Mint Mind" ins Leben. Aktuell besteht das Trio neben ihm aus einem zweiten Gitarristen und einem Schlagzeuger. Kein Bass, ab und zu das Mini-Keyboard. Wer jedoch mit einem ähnlichen Sound wie bei Tocotronic rechnet, täuscht sich: Kein nachdenklicher Indierock, sondern kratziger, psychedelisch angehauchter Punkrock, der mitunter parolenhaft wirkt und stärker nach vorne geht. Dabei klingen Mint Mind weder retro noch wie 60er Jahre -Garagenbands.
"Eher wie Bands der 1980er Jahre, die davon beeinflusst sind – dass es diese Energie hat, diese Punk-Attitüde hat – aber keine reine Punkband ist."
Genau diese Energie und Punk-Attitüde geht Mint Mind jedoch ab, und man fragt sich weshalb. Liegt es daran, dass es Profimusiker sind, die bewusst schlampig spielen? Oder reichen die Fertigkeiten der Band schlichtweg nicht aus? Vor allem irritiert das Schlagzeug, das nicht auf den Punkt spielt und auf diese Weise die Songs in ihrer Energie ausbremst, beziehungsweise verschleppt. Teilweise klingen die Songs verschlafen und schunkelig, dass man fast mitklatschen möchte. Besonders deutlich wird das bei einer Coverversion von Billy Braggs "A New England".
Studio im Hamburger Hinterhof
Rick McPhail hat das neue Album in seinem eigenen Studio in einem Hamburger Hinterhof aufgenommen. Mehr als zwei Dutzend unterschiedliche Gitarren sind dort aufgereiht, Schlagzeug, Synthesizer und allerlei technisches Equipment. Über dem Fenster zum Mischpult hängen vier Porträts von den Beatles, dahinter eine vergilbte Weltkarte. Zigarettenrauch hängt in der Luft. Im Vorraum ein silberner Tannenbaum. Wenn die Klingel geht, meint man die Glocken von Big Ben zu hören. Der Ort ist originell. Genauso wie der Albumtitel: "Thoughtsicles". Eine Neuwortschöpfung, für:
"Gedankenzapfen, wie Eiszapfen: Icicles – thoughtsicles."
Das psychedelische Titelstück geht über zehn Minuten. Der mantrahafte Gesang und ein kreisender Rhythmus wirken tranceartig. Das ist gewollt und erklärt, was McPhail unter "Gedankenzapfen" versteht.
"Bei dem Lied geht es darum, dass man Gespräche mit jemanden hat und man wirkt gelangweilt, weil man das Thema nicht so super findet und dann fängt man an wegzuträumen. Man geht verloren in seinen Gedanken. Spacing Out sagt man dazu im Englischen."
Narzissmus bis Gesellschaftspolitik
Die zwölf Stücke auf "Thoughtsicles" klingen mal wütend, mal genervt. Wie ein Beschwerdebrief, in dem der heute 49-Jährige sich auskotzt über Dinge, die ihn stören. Inhaltlich reicht das Spektrum von Narzissmus und Selbstdarstellung über Alkoholismus bis zu gesellschaftspolitischen Themen. Zum Beispiel in dem Song "A road best travelled", der auf das unbegründete Überlegenheitsgefühl innerhalb einer weißen Mehrheitsgesellschaft anspielt.
"Auf White Supremacies oder Pegida-Leute. Die Leute, die gegen Ausländer sind. Wieso denkt man, dass man etwas verdient hat, nur weiß ist und eben nicht irgendwo anders geboren wurde. Das ist einfach Bullshit."
Eine klare politische Haltung kennt man auch von seinen Mitstreitern bei Tocotronic. Das macht Rick McPhail und Mint Mind sympathisch. Der Biss, der der Musik fehlt, haben zumindest einige der Songttexte des Amerikaners. Manchmal muss man aber auch schmunzeln. Zum Beispiel dann, wenn dieser entspannte Typ – so wirkt er zumindest im Gespräch – sich in einem Song über Leute auslässt, die Fotos von ihrem Mittagessen posten. Oder über Hipster, die ihr Joy Division-Shirt bei H&M kaufen, ohne die Songs der Band zu kennen. Themen, die eigentlich nur ein müdes Achselzucken wert sind.