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"Mir ist keiner gewachsen!"

Die Diskussion um Dani Levys angelaufenen Film "Mein Führer" dauert an. Denn dieser Hitler alias Helge Schneider im senfgelben Trainingsanzug, der das geschädigte Kind zum Vorschein kommen lässt, befremdet offenbar selbst anspruchslose Komödienliebhaber.

Von Wolfgang Stenke |
    "Des Teufels Kreuz am Rocke,
    Tief in der Stirn die Locke,
    Das Chaplin-Bärtchen wie ein Klecks:
    Das ist die Dämonie des Drecks."

    Franz Werfel 1938 in seinem Gedicht "Der größte Deutsche aller Zeiten". Es war eben schon damals schwierig, keine Satire über den Mann zu schreiben, jedenfalls für die Hellsichtigen unter den Deutschen. Selbst in den Zeiten seiner großen außenpolitischen Erfolge, als die Rhetorik der nationalen Wiedergeburt dem Heer der Volksgenossen Wonneschauer über den Rücken jagte, gab es den einen oder anderen, der respektlos am heroisierend aufgebrezelten Bild des "Führers" zu kratzen wagte: "Wisst Ihr, warum Hitler nicht heiratet?" fragte ein Arbeiter auf einer Baustelle am "Westwall" 1939 die Kollegen. Die Antwort gab er dann gleich selbst unter Hinweis auf Hitlers programmatisches Buch "Mein Kampf". Dort habe der "Führer" schließlich selbst geschrieben: "Mir ist keiner gewachsen." Ein Jahr Gefängnis nach Paragraf 2 des"Heimtücke-Gesetzes war der Tarif des Sondergerichtes Kaiserslautern für diese Sottise, an die Dani Levy und Helge Schneider fast 70 Jahre später dankbar anknüpfen: in der "wirklich wahrsten Wahrheit über Adolf Hitler", nur dass das Lachen diesmal billiger kommt.

    Kurz nach 1945, als von diesem Hitler nicht mehr übrig war als ein Stück Kieferknochen und eine Zahnbrücke, die mühelos in eine Zigarrenkiste passten, standen vor allem die diabolischen Seiten seiner Persönlichkeit im Vordergrund des öffentlichen Interesses: Zur Erklärung der "deutschen Katastrophe" brauchte es eben einen dämonischen Politiker aus Österreich, der ein Volk von lauter Idealisten übel verführt hatte. Diese apologetische Deutung war so verbreitet, dass allenfalls ein paar notorische Antikapitalisten, die es allerdings bis in die frühe CDU gab, die Frage nach den Profiteuren der NS-Politik zu stellen wagten. Von den Opfern sprach ohnehin niemand, wenn es nicht gerade um ausgebombte Deutsche und Heimatvertriebene ging.

    Die enorme Verdrängungsleistung der Nachkriegsdeutschen hat die NS-Forschung zunächst von der Figur Hitler und den Opfern seines Regimes abgelenkt. Gerade weil es nach Ansicht von Millionen Parteigenossen außer Hitler nun mal keiner gewesen war, spürten die Zeithistoriker in volkspädagogischer Absicht nach den gesellschaftlichen Ursachen seiner Diktatur. Wie konnte es passieren, dass so einer massenhaft Gefolgschaft fand? Noch ein jüngerer Hitler-Biograf wie Ian Kershaw schreibt geradezu folgerichtig eher eine Gesellschaftsgeschichte des nationalialsozialistischen Deutschlands, als sich um die Deutung einer offensichtlich verkorksten Persönlichkeit zu bemühen.

    Den richtigen Hitler-Hype haben erst die Spezialisten der Histotainment-Industrie losgetreten. Mit seinen pseudodokumentarischen Dramen um "Hitlers willige Helfer" hat vor allem Guido Knopp einem Genre den Weg bereitet, auf dem dann auch Breloer, Eichinger und Hirschbiegel munter in den "Untergang" schlitterten. "Historische Pornografie" nennt denn auch ein Analytiker des medialen Umgangs mit Geschichte das knoppsche Verfahren: blanke SS-Stiefel auf knarrendem Parkett, selbstverständlich nachgedreht, plus hektisch geschnittene Dokumentarfilmschnipsel, plus kleingehackte Statements so genannter Zeitzeugen, dazu reichlich dramatische Musik und mystischer Blaustich. Und wenn dann im Spielfilm Bruno Ganz oder Tobias Moretti mit Führers Bärtchen unter der Nase Sätze hervorstoßen wie "Ech moß hierr in Berlin die Entscheidung herrbeiführren oder ontergehen.", dann weiß auch der letzte Kinobsucher, dass Adolf, der Nazi-Chef, mittlerweile eine Figur der Pop-Kultur ist.

    Selbst originales Filmmaterial wird dadurch als kultiger Trash rezipiert: Sobald der "Führer" im Klammerteil aus der Wochenschau den Arm hochhält zum deutschen Gruß, denkt man den Moretti-Hitler, der seine Muskeln am Expander stählt, gleich mit. Dem realen Ableben im Bunker der Reichskanzlei ist so schon viele Male der Tod durch Lächerlichkeit gefolgt.

    Bei Stalin übrigens ist das anders. Aber der war am Ende auch nicht für alle unübersehbar besiegt und demaskiert. Doch wer weiß: Vielleicht arbeitet sich Borat, Sacha Baron Cohens postmodern-humoreske Reporterfigur, bereits in das Thema ein: "Gulag Glamour" wär ein schöner Titel, fast so schön wie Mel Brooks "Frühling für Hitler".