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Missbrauch bei Domspatzen
Papstbruder in schlechtem Licht

Bei den Regensburger Domspatzen gab es wohl deutlich mehr körperliche Gewalt und sexuellen Missbrauch als angenommen. Und Georg Ratzinger hat offenbar mehr gewusst, als er bislang eingeräumt hat. Das ergibt der Bericht eines unabhängigen Ermittlers.

    Georg Ratzinger, hier 2008 beim Gebet in der Schottenkirche St. Jakob
    Georg Ratzinger, hier 2008 beim Gebet in der Schottenkirche St. Jakob (picture alliance/dpa/Armin Weigel)
    "Er hat davon gewusst. Davon muss ich nach meinen Recherchen ausgehen." Er, das ist Georg Ratzinger, Bruder des emeretierten Papstes Benedikt XVI., von 1964 bis 1994 Domkapellmeister am Regensburger Dom. Und über ihn spricht Ulrich Weber, Rechtsanwalt und von der katholischen Kirche mit der Aufklärung der Missbrauchsvorwürfe gegen Verantwortliche der Regensburger Domspatzen beauftragt.
    Die Ergebnisse eines Zwischenberichts, den Weber nun bekannt gegeben hat: Bei dem weltbekannten Chor haben Priester und Lehrer über Jahrzehnte mindestens 231 Kinder geschlagen und gequält, 50 von ihnen auch sexuell missbraucht. Weber geht davon aus, dass die Dunkelziffer noch deutlich höher liegt, dass etwa jeder Dritte der rund 2.100 Schüler der "Spatzen" zwischen 1953 bis 1992 unter körperlicher Gewalt litt. Viele Kinder hätten von Prügeln, blutigen Schlägen mit Rohrstock, Schlüsselbund oder Siegelringen berichtet.
    Ohrfeigen eingeräumt
    Ratzinger hatte in einem früheren Interview der "Passauer Neuen Presse" vor fast sechs Jahren eingeräumt, bis Ende der 1970er-Jahre selbst hin und wieder Ohrfeigen verteilt zu haben. Zur Begründung seiner damaligen Verhaltensweise hatte er gesagt, damals seien Ohrfeigen "einfach die Reaktionsweise auf Verfehlungen oder bewusste Leistungsverweigerung" gewesen. Doch er sei froh gewesen, als zu Anfang der 1980er-Jahre körperliche Züchtigungen vom Gesetzgeber ganz verboten wurden. Ratzinger bekräftigte, von den bekanntgewordenen Fällen sexuellen Missbrauchs nichts gewusst zu haben, auch nicht gerüchteweise.
    Die Übergriffe waren intern bekannt, führten aber nicht zu personellen Konsequenzen oder strukturellen Veränderungen in der Vorschule des Chores, stellt der Bericht nun klar.
    Strafrechtlich verjährt
    Weber sprach seit Mai 2015 mit Dutzenden Opfern, Verantwortlichen und dem Missbrauchsbeauftragten des Bistums Regensburg. Zudem hatte er Einblick in die Geheimarchive, Personalakten des Bistums sowie die persönlichen Notizen des Generalvikars. Strafrechtlich sind die allermeisten Taten verjährt.
    Im vergangenen Februar hatte das Bistum Regensburg noch mitgeteilt, dass Berichte von 72 früheren Domspatzen aus den Jahren 1953 bis 1992 vorlägen. Bischof Rudolf Voderholzer hatte erklärt, die Straftaten anzuerkennen und den Opfern ein Schmerzensgeld in Höhe von jeweils 2.500 Euro zu zahlen.
    Die Regensburger Domspatzen sind Deutschlands ältester Knabenchor. Sie blicken auf eine mehr als 1000-jährige Geschichte zurück.
    (bor/tgs)