
Eine Liebesbeziehung – oder sexueller Missbrauch einer Schutzbefohlenen: Keine leichte Entscheidung für das Amtsgericht Kiel. Am Ende sei man dem Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten“ gefolgt, sagte die Vorsitzende Richterin Elisabeth Bellmann. Zwar habe die Staatsanwaltschaft deutlich gemacht, dass der Schwimmtrainer einen gewissen Einfluss auf die Schwimmerin gehabt habe, die er seit ihrem 12. Lebensjahr trainiert hatte. Es gebe aber für eine mögliche Verurteilung des Angeklagten keine ausreichend belastbaren Hinweise auf eine echte Abhängigkeit des damals 16-jährigen Mädchens. Es sei vielmehr nicht auszuschließen, dass sich die Sicht der heute 25 Jahre alte Jura-Studentin auf die sexuellen Kontakte zu ihrem Trainer später im Zuge einer Therapie völlig verändert habe.
"Wir haben mit Einschaltung eines Sachverständigen feststellen müssen, dass eine Umbewertung stattgefunden hat – für sich selber mit Schreck festzustellen: Ich habe mich damals manipulieren lassen."
Da die junge Frau u.a. Einblicke in ihre damaligen Tagebücher verweigerte, habe das Gericht sich nur auf der Basis ihrer Aussagen im Prozess ein Bild von ihrer damaligen Situation machen können – und die hätten sich z.T. wesentlich von Zeugenaussagen unterschieden, die sie als sehr selbstbewusste und durchsetzungsfähige 16-jährige geschildert hätten. Mit dem Freispruch folgte das Gericht dem Antrag der Verteidigung, die im Prozess immer von einer selbstbestimmten Liebesbeziehung ausgegangen war. Allein der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs habe die berufliche Laufbahn ihres Mandanten völlig zerstört, betonte Rechtsanwältin Annette Marberth-Kubicki:
"Seiner Leidenschaft, seinem Beruf – Schwimmtrainer zu sein, Sportwissenschaftler – dem wird er nicht mehr nachgehen können, das hat ihn sehr, sehr belastet und das wiegt natürlich schwer.“
Die Staatsanwaltschaft, die eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung gefordert hatte, will jetzt prüfen, ob sie vor dem Landgericht Kiel Berufung gegen das Urteil einlegt.