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Misshandelte Flüchtlinge
Kontrollversagen der Politik

Wachleute sollen Bewohner der Flüchtlingsunterkunft in Burbach misshandelt haben. Offenbar waren das keine Einzelfälle. Die Bezirksregierung kündigt schärfere Kontrollen an. Am eigentlichen Problem - dass viele Kommunen an Rhein und Ruhr sich mit der Flüchtlingsversorgung heillos überfordert fühlen - ändert das aber nichts.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 29.09.2014
    Das Flüchtlingsheim auf dem Gelände der ehemaligen Siegerland-Kaserne in Burbach
    Misshandlungen in Burbach: das Flüchtlingsheim auf dem Gelände der ehemaligen Siegerland-Kaserne (picture-alliance / dpa / Federico Gambarini)
    Der Vorsitzende der deutschen Polizeigewerkschaft nennt die Dinge beim Namen: "Die Situation in den deutschen Flüchtlingsheimen ist katastrophal", sagt Rainer Wendt. Und: Die Misshandlungen in den Unterkünften in Nordrhein-Westfalen - Fußtritte und Demütigungen - seien keine Einzelfälle, so Wendt heute Morgen im ZDF - das werde in Deutschland immer wieder vorkommen. Den Einsatz privater Sicherheitsdienste kritisiert der Polizeigewerkschafter scharf:
    "Ein bisschen zynisch, möchte man fast sagen. Willkommen im schlanken privatisierten Staat. Hier wird eine hoheitliche Aufgabe auf ein gewinnorientiertes Unternehmen übertragen und gleichzeitig wird auch der Kardinalfehler begangen, nämlich die Tätigkeit von Subunternehmen wird im Vertrag nicht zu verbieten. Damit sind natürlich die Scheunentore weit geöffnet für Kriminelle, im Übrigen auch für Extremisten."
    Kontrolle und Transparenz fehlen
    Rechtsextremistische Tatmotive lassen sich bisher nicht belegen bei den vier Wachleuten, gegen die in Zusammenhang mit den Misshandlungen in Burbach im Siegerland jetzt ermittelt wird. Allerdings ist auch der Staatsschutz eingeschaltet. Die Beschuldigten, die teils vorbestraft sein sollen, hatten sich bei ihren Taten selbst gefilmt und fotografiert. Auch die Polizei in Essen ermittelt jetzt, dort liegen aus dem Asylbewerberheim drei Anzeigen wegen Körperverletzung vor. Kontrolle und Transparenz fehlen offenbar in den Flüchtlingsunterkünften in NRW. Vielfach werden sie von Privatfirmen beaufsichtigt, die wiederum mit Subunternehmen zusammenarbeiten - ohne deren Qualifikation zu überprüfen. Burbachs Bürgermeister Christoph Ewers klingt überfordert:
    Zwei Sicherheitsleute misshandeln in der ehemaligen Siegerland-Kaserne in Burbach (Nordrhein-Westfalen) einen am Boden liegenden Flüchtling.
    Dieses von der Polizei NRW zur Verfügung gestellte Bild zeigt zwei Sicherheitsleute in der ehemaligen Siegerland-Kaserne in Burbach und einen am Boden liegenden Flüchtling. (picture alliance / dpa / Polizei NRW)
    "Es macht mich schon sehr betroffen, dass in einer Landeseinrichtung in unserer Gemeinde solche Vorfälle auftauchen, die überhaupt nicht vertretbar sind. Unser Credo in der Gemeinde Burbach ist ja seit Monaten, dass die Einrichtung kleiner werden muss, dass eine bessere Infrastruktur und eine bessere Betreuung Platz greifen müssen. Das ist bisher nicht gehört worden, weil die Flüchtlingsströme so groß sind, aber der Vorfall zeigt noch einmal, dass die Forderung richtig ist."
    "Standards im Moment nicht diskutieren"
    Ein Kontrollversagen räumte indirekt auch die zuständige Unterbehörde ein, die Bezirksregierung im sauerländischen Arnsberg, die für die Aufsicht in den Heimunterkünften in NRW verantwortlich ist. Die beauftragte Heimbetreiber-Firma European Homecare habe sich nicht an die Verträge gehalten, erklärte Volker Milk, Vize-Regierungspräsident in Arnsberg. Warum seine Behörde dennoch nicht reagierte, rechtfertigte Milk noch am Sonntag im WDR so:
    "Wir sind im Moment sehr froh, dass uns alle Hilfsorganisationen und auch der private Betreiber European Homecare nach ihren besten Kräften unterstützen und es ermöglichen, dass die Menschen nicht in die Obdachlosigkeit geraten. Vor diesem Hintergrund bin ich nicht der Meinung, dass wir im Moment die Standards diskutieren sollten."
    Doch genau das geschieht jetzt. Die Bezirksregierung will künftig anstelle von Subunternehmen qualifiziertes Personal ohne Vorstrafen einstellen und genau das künftig besser kontrollieren. Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) stellte unterdessen harte Strafen für die Täter in Aussicht, die die Heimbewohner misshandelt haben. Dass viele Kommunen an Rhein und Ruhr sich mit der Flüchtlingsversorgung heillos überfordert fühlen, ist dem Innenministerium wie auch der gesamten rot-grünen Landesregierung in Düsseldorf seit Langem bekannt.