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Misstöne im Klangkörper

Für den Musik- und Opernkritiker Manuel Brug von der Tageszeitung "Die Welt" ist die Nachricht, dass Intendantin Pamela Rosenberg den Berliner Phiharmonikern nur bis 2010 erhalten bleibt, keine Überraschung. Eine Neubesetzung werde sicherlich schwer, da ein Orchester mit so vielen Ansprüchen und Wünschen große Ansprüche habe. Eine mögliche Lösung könne einen Neubesetzung aus Reihen des Orchesters sein, sagte Brug.

    Michael Köhler: Irgendwie ist den großen Opernhäusern und Klangkörpern kein dauerhaftes Glück beschieden. Berlins Philharmoniker müssen sich nicht nur um ihre Leitung sorgen, sondern bald vermutlich eine neue suchen. Auf der Jahrespressekonferenz bestätigt wurde, dass die erst 2006 bestellte Pamela Rosenberg ihren Vertrag nur bis 2009 innehält und dann nur um ein Jahr verlängern wird. Die Frage an den Kollegen, Musik- und Opernkritiker Manuel Brug von der Tageszeitung "Die Welt": Was bedeutet das?

    Manuel Brug: Ich glaube, man darf das jetzt nicht zu dramatisch sehen. Man muss auch jeden Einzelfall immer als Einzelfall sehen. Gerade im Fall von Pamela Rosenberg hätte eigentlich doch jedem klar sein müssen, wenn er in die Biographie guckt, dass die Frau 62 war, als sie anfing – erstens mal gibt es da natürlich Gesetze in Deutschland, die sagen, mit 65 ist Schluss.

    Und zweitens, sie hat eigentlich schon damals irgendwie zu erkennen geben, sie macht das gerne, aber das ist jetzt nicht unbedingt etwas, was sie bis 70 machen möchte. Und sie hat eben auch zusätzlich auf dieser Pressekonferenz gesagt, sie möchte einfach dann sich noch verstärkt um Jugendarbeit kümmern, um musikalische Kindergärten und solche Sachen, da hat sie einfach ein Interesse dran, und sie ist ja auch jemand, der jetzt auch seit 40 Jahren in dem Geschäft arbeitet, und ich denke, das ist einfach die Perspektive, die sie sich selber da gibt.

    Köhler: Es gab ja glücklose Vorgänger wie Elmar Weingarten oder Franz Xaver Ohnesorg – in diese Reihe darf man sie jetzt nicht stellen?

    Brug: Würde ich nicht, wobei, man muss natürlich auch sehen, es hat ja auch sehr lange gedauert, bis die Philharmoniker wieder jemanden gefunden haben nach dem sehr schnellen Abgang von Franz Xaver Ohnesorg, und natürlich ist das eine sehr, sehr schwierige Position, die zu erfüllen ist, in Deutschland, sicherlich, oder vielleicht sogar weltweit die schwierigste. Denn du hast es mit einem Orchester zu tun, das sehr, sehr starke Eigengesetzlichkeiten hat und Eigenverantwortung trägt, und du musst quasi wirklich sehr, sehr stark dort zwischen dem Chefdirigenten und dem Orchester vermitteln können. Und das ist schwierig, da quasi noch etwas zu finden, wo man selber auch präsent ist, und ich glaube, das ist wirklich auch etwas, wo sich die Philharmoniker Gedanken machen müssen künftig, wie das weiter besetzt werden kann. Es zeichnet sich ab – aber das habe ich auch nur bis jetzt als Gerüchteküche vernommen –, dass unter Umständen es diesmal sogar dann intern besetzt werden wird, dass es also Interesse gibt von Leuten aus dem Orchester vielleicht sogar, diese Stelle zu übernehmen.

    Köhler: Könnte man nicht umgekehrt argumentieren und sagen, die Pamela Rosenberg hat als Intendantin seit drei Jahren gute Arbeit geleistet, seit zwei Jahren, seit 2006, neue Schichten erschlossen, neue Gesellschaftsgruppen, Lunchkonzerte gemacht, türkische Musik gemacht. Wenn die uns lieb und teuer ist, dann sagen wir, komm, die versuchen wir über die Zeit hinaus zu halten – oder ist das wirklich so wie Sie sagen, dass es da rumst im Gebälk zwischen Chefdirigent und Intendanz?

    Brug: Es sieht im Augenblick nicht so aus, als ob vor allem es rumst zwischen Chefdirigent und Intendanz, es ist dann eher sozusagen – wenn es einen Konflikt gibt – ein Dreierkonflikt oder wahrscheinlich sogar viel stärker ein Konflikt zwischen Orchester und Intendanz, weil – einerseits habe ich mich nur mit einem auseinanderzusetzen, und zum anderen habe ich mich gerade in diesem Orchester mit unglaublich vielen Wünschen, Ideen, Vorstellungen …

    Und wir haben es erlebt, auch mit Simon Rattle: Es gibt heute im Grunde den perfekten Dirigenten, den perfekten Chef, den jemand haben möchte – der neue Musik macht, der Jugendarbeit macht, der eine Ausstrahlung hat, der das alte Repertoire beackert, der Uraufführungen macht, der interessante Stücke macht –, das hat man heute alles nicht mehr in einer einzigen Person. Und dann muss man sich überlegen, sind die Stärken genug und können wir mit den Schwächen umgehen und nehmen uns dafür andere Dirigenten, oder wollen wir einen haben, der ganz anders ist, aber der vielleicht viel, viel mehr Schwächen und Fehler hat? Wir haben uns gewöhnt, dass wir von Dirigenten inzwischen so viel wollen, das kann eigentlich kaum mehr eine einzelne Personen ausfüllen. Natürlich ist dann in so einer Situation durchaus auch ein Intendant gefragt, der quasi da moderiert und der auch sozusagen das weitervermittelt. Und das ist halt bei einem Orchester, das so eigengesetzlich arbeitet, immer sehr, sehr schwer.

    Köhler: Abschließend – Sie sprechen damit eine Veränderung auch in unseren Erwartungen an, eine Veränderung auch in der Musikkultur. Sollten Ihre Kritiken vielleicht nicht demnächst dann ohnehin im Sportteil besser erscheinen? Es geht inzwischen um Laufzeiten von Spieler- oder Musikerverträgen, Ablösesummen, Stürmerstars, Trainerqualitäten. Ist ein Konzerthaus inzwischen auch nur ein weltweit agierendes Warenhaus für Musikkultur?

    Brug: Ehrlich gesagt, die Musik ist natürlich auch ein Geschäft und ein Betrieb. Das war es immer schon, nur wir hatten uns bisher angewöhnt, davon nicht so viel Kenntnis zu haben und immer zu glauben, Musik, wie es bei Strauss heißt, sei eine heilige Kunst, die sozusagen vom Himmel fällt, und da würde nicht intrigiert, da würde es nicht um Geld gehen, um Ruhm und Macht. Wir haben uns eben angewöhnt, dass die Musikkritik heute gerne auch hinter die Kulissen blicken soll. Das Publikum möchte gerne wissen, wie so was gemacht wird, wie es geht, wie die internationalen Beziehungen untereinander verflochten sind, und deswegen nehmen wir jetzt eben auch daran teil, wie im Sport auch.

    Köhler: Wie wird ein Intendant gemacht? Berlin und seine Philharmoniker vor neuen Leitungsaufgaben ab 2010, der Kollege Manuel Brug war das.