Lange waren Arthur Millers Stücke - mit Ausnahme des "Handlungsreisenden" - von deutschen Bühnen praktisch verschwunden. Doch am Vorabend des Ultimatums an den Iran scheint die Zeit definitiv reif für eine "Hexenjagd". Denn die Welt beobachtet gerade teils bewundernd, teils fassungslos einen amerikanischen Präsidenten, der seit der Irak-Lüge nach der Formel zu agieren scheint: Ist die Achse des Bösen definiert, bekriegt sichs völlig ungeniert.
Ganz so einfach macht es sich der Regisseur Sebastian Baumgarten natürlich nicht, platte Bezüge zum politischen Amerika von heute fehlen; dennoch ist der Transfer des Stücks aus dem Jahr 1953 gelungen. Arthur Miller hatte noch die wahre Geschichte der Hexenprozesse von Salem 1692 erzählt; damals waren als Folge einer hysterischen Bezichtigungsorgie mehr als 100 Menschen verhaftet und verhört und 22 gehängt worden. Gemeint war das Stück als Paraphrase auf McCarthys Verfolgung von Kommunisten, die damals - Miller musste drei Jahre später selbst vor den Ausschuss zur Untersuchung unamerikanischer Umtriebe - relativ leicht mit den "Mächten der Finsternis" des 17. Jahrhunderts zu parallelisieren waren.
Heute ist der brave Reverend Samuel Parris ein ängstlicher Späthippie, der sich in einer Gemeinde von leidlich bibelfesten Durchschnittsamerikanern zu behaupten hat. Landeier mit Unterschichts-Charme sind das, die sexuelle Bedrängnis platzt aus jeder Jeansnaht. Eine Leinwand unter dem offenen und auf mehreren Ebenen bespielbaren Wohncontainer auf der Bühne zeigt das ideologische Umfeld, Killerwellen und Massenmissionierung. Die tranceartige Selbstsuggestion der Evangelikalen wird gegen Chaos und Zerfall der Welt in Stellung gebracht. Und wie der Glaube zur Frage des Überlebens wird, spielt Miller dann im Stück ja auf vielfache Weise durch. Wer die zehn Gebote nicht aufsagen kann, ist verdächtig. Wer nicht an Hexen glaubt, wird sofort verhaftet, denn der Teufel steht ja schließlich auch in der Bibel.
Von Anfang an bestimmen Hektik und Hysterie das Geschehen auf der Bühne. Die verschworen-zickige Mädchenbande, mit deren nächtlichem Nackt-Tanz, der Reverend sagt "Geisterbeschwörung", das Unheil seinen Lauf nimmt, schafft den Übergang vom Spiel mit der Macht zum Ernst der Denunziation und zu beängstigenden "I love Jesus"-Exzessen sehr überzeugend, überhaupt gehört die intensive Ensembleleistung zu den Überraschungen der Kölner Aufführung. Baumgarten, der auch viel Oper inszeniert, hat eine sehr musikalische, rhythmisch perfekte Inszenierung geschaffen, die den Text weit von jeder zeigefingrigen Polit-Moral wegrückt, um ihn statt dessen durch einen fast durchgängigen, bedrohlichen, aber filigranen Soundteppich und sogar mit Gesangseinlagen der Protagonisten poetisch-klanglich aufzuladen. Der filmische Zugriff und das musicalhafte erinnern an "Dancer in the Dark" von Lars von Trier und öffnen weitere Assoziationsketten: die Schauspieler springen wie Bildzitate aus der Leinwand auf die Bühne; die Gerichtsszene ist eine schwarz-weiß gedrehte Filmprojektion und ein Kleiderhaufen auf der Bühne erinnert an menschliche Katastrophen von Auschwitz bis New Orleans. "Am Ende unserer schönen neuen Welt steht eine neue Barbarei" sagt Teufelsaustreiber Hale dazu selbstkritisch, und das Barbarische kommt wahrlich nicht zu kurz an diesem Abend, zum Beispiel, wenn Cheever, der Henker, noch die Leiche der gehängten Tituba bespringt. Demgegenüber bleibt die Psychologie der Angst und die Dialektik von Wahrheit und Verrat in den Figuren selbst etwas auf der Strecke.
Baumgarten ist auch nicht wirklich wichtig, wie die Menschenjagd beginnt. In seiner Version haben alle den Wahn längst intus; die Grenzen zwischen Hexenglauben, Bosheit oder Dummheit sind fließend, einfache Rhetorik setzt sie in Gang, am Ende zucken alle epileptisch, entweder als stigmatisiertes Opfer oder unter der quälenden Folter durch Musik.
Was mit dieser Inszenierung aber deutlich wird, ist etwas anderes. Arthur Miller hat den antikommunistischen Furor der 50er Jahre im Rückblick einen "ideologischen Krieg" genannt. Heute werden ideologische Krieg mit allen Mitteln geführt, auch und vornehmlich mit den Mitteln der Unterhaltungsindustrie. Ein Hinweis darauf kann nicht falsch sein in Zeiten, in denen wir uns an die Rhetorik von "Rettungsfolter" oder "Präventivkrieg" zu gewöhnen beginnen. Diese klug gedachte Inszenierung ist ein "starkes Stück"; zum Ende der Intendanz von Marc Günther wird sie ähnlich Diskussionsstoff liefern wie der Auftakt-"Othello" von Ola Mafalaani vor zwei Jahren. Was fürs Kölner Schauspiel schon ein schöner Erfolg wäre.
Ganz so einfach macht es sich der Regisseur Sebastian Baumgarten natürlich nicht, platte Bezüge zum politischen Amerika von heute fehlen; dennoch ist der Transfer des Stücks aus dem Jahr 1953 gelungen. Arthur Miller hatte noch die wahre Geschichte der Hexenprozesse von Salem 1692 erzählt; damals waren als Folge einer hysterischen Bezichtigungsorgie mehr als 100 Menschen verhaftet und verhört und 22 gehängt worden. Gemeint war das Stück als Paraphrase auf McCarthys Verfolgung von Kommunisten, die damals - Miller musste drei Jahre später selbst vor den Ausschuss zur Untersuchung unamerikanischer Umtriebe - relativ leicht mit den "Mächten der Finsternis" des 17. Jahrhunderts zu parallelisieren waren.
Heute ist der brave Reverend Samuel Parris ein ängstlicher Späthippie, der sich in einer Gemeinde von leidlich bibelfesten Durchschnittsamerikanern zu behaupten hat. Landeier mit Unterschichts-Charme sind das, die sexuelle Bedrängnis platzt aus jeder Jeansnaht. Eine Leinwand unter dem offenen und auf mehreren Ebenen bespielbaren Wohncontainer auf der Bühne zeigt das ideologische Umfeld, Killerwellen und Massenmissionierung. Die tranceartige Selbstsuggestion der Evangelikalen wird gegen Chaos und Zerfall der Welt in Stellung gebracht. Und wie der Glaube zur Frage des Überlebens wird, spielt Miller dann im Stück ja auf vielfache Weise durch. Wer die zehn Gebote nicht aufsagen kann, ist verdächtig. Wer nicht an Hexen glaubt, wird sofort verhaftet, denn der Teufel steht ja schließlich auch in der Bibel.
Von Anfang an bestimmen Hektik und Hysterie das Geschehen auf der Bühne. Die verschworen-zickige Mädchenbande, mit deren nächtlichem Nackt-Tanz, der Reverend sagt "Geisterbeschwörung", das Unheil seinen Lauf nimmt, schafft den Übergang vom Spiel mit der Macht zum Ernst der Denunziation und zu beängstigenden "I love Jesus"-Exzessen sehr überzeugend, überhaupt gehört die intensive Ensembleleistung zu den Überraschungen der Kölner Aufführung. Baumgarten, der auch viel Oper inszeniert, hat eine sehr musikalische, rhythmisch perfekte Inszenierung geschaffen, die den Text weit von jeder zeigefingrigen Polit-Moral wegrückt, um ihn statt dessen durch einen fast durchgängigen, bedrohlichen, aber filigranen Soundteppich und sogar mit Gesangseinlagen der Protagonisten poetisch-klanglich aufzuladen. Der filmische Zugriff und das musicalhafte erinnern an "Dancer in the Dark" von Lars von Trier und öffnen weitere Assoziationsketten: die Schauspieler springen wie Bildzitate aus der Leinwand auf die Bühne; die Gerichtsszene ist eine schwarz-weiß gedrehte Filmprojektion und ein Kleiderhaufen auf der Bühne erinnert an menschliche Katastrophen von Auschwitz bis New Orleans. "Am Ende unserer schönen neuen Welt steht eine neue Barbarei" sagt Teufelsaustreiber Hale dazu selbstkritisch, und das Barbarische kommt wahrlich nicht zu kurz an diesem Abend, zum Beispiel, wenn Cheever, der Henker, noch die Leiche der gehängten Tituba bespringt. Demgegenüber bleibt die Psychologie der Angst und die Dialektik von Wahrheit und Verrat in den Figuren selbst etwas auf der Strecke.
Baumgarten ist auch nicht wirklich wichtig, wie die Menschenjagd beginnt. In seiner Version haben alle den Wahn längst intus; die Grenzen zwischen Hexenglauben, Bosheit oder Dummheit sind fließend, einfache Rhetorik setzt sie in Gang, am Ende zucken alle epileptisch, entweder als stigmatisiertes Opfer oder unter der quälenden Folter durch Musik.
Was mit dieser Inszenierung aber deutlich wird, ist etwas anderes. Arthur Miller hat den antikommunistischen Furor der 50er Jahre im Rückblick einen "ideologischen Krieg" genannt. Heute werden ideologische Krieg mit allen Mitteln geführt, auch und vornehmlich mit den Mitteln der Unterhaltungsindustrie. Ein Hinweis darauf kann nicht falsch sein in Zeiten, in denen wir uns an die Rhetorik von "Rettungsfolter" oder "Präventivkrieg" zu gewöhnen beginnen. Diese klug gedachte Inszenierung ist ein "starkes Stück"; zum Ende der Intendanz von Marc Günther wird sie ähnlich Diskussionsstoff liefern wie der Auftakt-"Othello" von Ola Mafalaani vor zwei Jahren. Was fürs Kölner Schauspiel schon ein schöner Erfolg wäre.