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Misstrauen zwischen Türkei und Iran

Die Türkei lehnt zwar Sanktionen gegen den Iran ab, weil sie wirtschaftlich vom Handel mit dem Nachbarn profitiert. Dass Iran als letzter Verbündeter Syrien beisteht, empört die türkische Führung jedoch. Auch angebliche Anschlagspläne gegen westliche Einrichtungen in der Türkei sorgen für Streit.

Von Gunnar Köhne, Istanbul |
    "Das großartige Volk, die Türken sind unsere Brüder und Schwestern. Beide Länder erfreuen sich so guter bilateraler Beziehungen wie es sie sonst nur selten gibt."

    Irans Außenminister Ali Akbar Salehi gab sich bei seinem letzten Besuch in Ankara Mitte Januar den Gastgebern gegenüber charmant. Doch tatsächlich ist das türkisch-iranische Verhältnis derzeit alles andere als freundschaftlich. Stattdessen ist es zunehmend von Misstrauen geprägt - obgleich die Türkei die Sanktionen gegen den Iran nach wie vor ablehnt.

    Die staatliche türkische Halkbank soll Anfang des Jahres sogar geholfen haben, eine Zahlung von fünf Milliarden Dollar für Öllieferungen aus Indien nach Teheran zu überweisen. In Washington - heißt es - war man darüber sehr aufgebracht. Merdad Emahdi, iranischstämmiger Unternehmensberater in Istanbul, weiß noch von anderen Gelegenheiten, bei denen die Sanktionen gegen den Iran mit Hilfe der Türkei umgangen worden sind:

    "Die Bedeutung der Türkei für die Iraner hat in den letzten zwölf Monaten zugenommen, weil ein Gutteil des iranischen Handels mit den Arabischen Emiraten nun über die Türkei abgewickelt wird. Die Emirate waren von den USA zu stark unter Druck gesetzt worden. Nun werden 50 Prozent ihrer Verträge mit dem Iran über die Türkei abgewickelt."

    Ankara rechtfertigt das mit der starken Abhängigkeit der Türkei von iranischen Öl- und Gaslieferungen. Das Land deckt ein Drittel seines Energiebedarfs über das Nachbarland. 15 Milliarden Dollar betrug das Handelsvolumen beider Länder im vergangenen Jahr. Volkan Bozkir, Außenpolitiker der regierenden AK-Partei, verbittet sich darum Kritik an der Iran-Politik seines Landes:

    "Andere Staaten sollten nicht glauben, sie könnten der Türkei Vorschriften machen. Die heutige Türkei ist eine andere als die vor zehn Jahren. Steht irgendwo geschrieben, dass die USA ohne UN-Mandat weltweit Sanktionen verhängen kann? Wir würden uns nur einem UN-Mandat anschließen."

    Doch mag der Handel zwischen beiden Ländern auch weiterlaufen - die politischen Beziehungen haben sich deutlich verschlechtert. Während sich Ankara an die Spitze der Assad-Gegner gestellt hat und die syrische Opposition offen unterstützt, bleibt der Iran Syriens letzter Verbündeter in der Region. Der stellvertretende türkische Ministerpräsident Bülent Arinc machte kürzlich seiner Empörung über die iranische Haltung in der Syrienfrage Luft. Er fragte öffentlich, ob das Land noch wert sei, den Titel Islamische Republik zu tragen.

    Türkische Medien verschärfen ebenfalls den Ton gegenüber dem alten Rivalen Iran: Sie berichten, die iranischen Revolutionsgarden planten Anschläge gegen westliche Einrichtungen in der Türkei. Das iranische Regime seinerseits hat Ankara davor gewarnt, eine US-Radarstation in der Nähe der Stadt Malatya zu genehmigen. Teheran sieht die geplante Anlage als Teil des gegen ihr Land gerichteten Raketenabwehrschirms. Sollten die USA den Iran angreifen, müsse die Türkei darum mit Vergeltungsschlägen rechnen, drohte ein hoher iranischer General.

    Der türkische Ex-Diplomat Murat Bilhan glaubt, dass sich die Türkei klar für eine Seite entschieden hat - auch wenn sie ihre Wirtschaftsbeziehungen zum Iran derzeit noch aufrecht erhalten will:

    "Die Türkei fühlt sich zwar nicht direkt bedroht durch den Iran. Aber klar ist auch: Ankara würde für den Iran niemals seine Beziehungen zu den USA gefährden. Das Beispiel des Raketenabwehrschirms zeigt: Die Türkei achtet auf amerikanische Interessen in der Region."

    Am liebsten jedoch wäre der Türkei eine möglichst schnelle friedliche Beilegung des Streits mit dem Iran. Darum hat die Regierung Erdogan erneut ihre Vermittlerrolle angeboten. In Kürze sollen in Istanbul noch einmal Gespräche zwischen dem Iran und den fünf ständigen Vertretern im UN-Sicherheitsrat stattfinden. Auch Deutschland soll dann mit am Verhandlungstisch sitzen.