Mittwoch, 08. Mai 2024

Archiv


Misswirtschaft, Insolvenz und Millionenverluste auf dem Bieberer Berg

In dieser Woche hat der Bund der Steuerzahler sein Schwarzbuch 2013 veröffentlicht. Darin wird auch ein Fall von Misswirtschaft bei den Offenbacher Kickers aufgeführt, der den Steuerzahler einen Millionenverlust beschert.

Von Jessica Sturmberg | 19.10.2013
    Es ist eine Geschichte, wie sie in den letzten Jahren schon häufiger vorgekommen ist: Ein Traditionsverein, ein Stadion, mit dem große Emotionen und Erinnerungen verbunden sind, dass aber in die Jahre gekommen ist. Es fehlt an VIP-Logen, modernen Vermarktungsmöglichkeiten und es müsste dringend saniert werden.
    Verein, Fans und Stadt sind sich einig: Man will und man braucht ein neues Stadion.
    Als die Kickers Offenbach ihre neue Spielstätte planten, wurde in der Nachbarschaft, beim Zweitligisten FSV Frankfurt parallel ein Stadionumbau vorangetrieben. Beide zweitligatauglich.

    Vor vier Jahren wies der Bund der Steuerzahler bereits darauf hin, dass allein bei den Baukosten ein zweistelliger Millionenbetrag an Steuergeldern hätte gespart werden können, wenn die beiden Vereine sich zusammengetan hätten.

    "Aber natürlich sind damit Schwierigkeiten verbunden, es ist ja z.B. so, dass der FSV Frankfurt, der in der 2. Fußball-Bundesliga spielt, ja auch noch Punktspiele hat für seine zweite Mannschaft, die auch entsprechend an einer Spielstätte nachgewiesen werden müssen, die dafür geeignet ist, d.h. man kommt da bei einem Stadion auch schnell an Kapazitätsgrenzen."

    Erklärt Offenbachs Sportdezernent Peter Schneider von den Grünen, warum diese Idee damals nicht verfolgt wurde. Er selbst war zu der Zeit noch nicht im Amt, sondern Mitglied im Stadtrat. Er kann sich aber daran erinnern, dass der Oberbürgermeister dies kurzzeitig überlegte, den Gedanken aber wieder verwarf:

    "Also dieser Vorschlag als er aufkam, der war schon seinerzeit deutlich zu spät, außerdem war mit niemandem in Frankfurt darüber geredet worden, (...) ich weiß nicht ob das je eine Chance hatte auf Realisierung diese Idee."

    Auch wenn es keiner offen sagt, aber es wäre wohl auch für beide Clubs schwierig gewesen, das bei ihren Fans durchzusetzen. Jede Mannschaft will ihre eigene Heimstätte, das sieht man beim Bund der Steuerzahler etwas anders. Joachim Papendick, Vorsitzender des hessischen Landesverbands:

    "Man muss immer sehen, dass alle Ausgaben einer Stadt in Konkurrenz zu allen anderen stehen, natürlich hat Offenbach als hochverschuldete Stadt viel wichtigere Aufgaben, Bildungsbereich, Kita usw. deswegen sollten aus unserer Sicht Städte darauf verzichten Profi-Fußball zu unterstützen."

    Eigentlich hatte die Stadt Offenbach das auch gar nicht vor. Die städtische Stadiongesellschaft SBB hat zwar das neue 25 Millionen teure Stadion auf dem Bieberer Berg gebaut, der Löwenanteil wurde aus Mitteln des Landes Hessen finanziert, und ...

    "...das auf dem Hintergrund eines plausiblen Wirtschaftsplans einer Kickers Offenbach GmbH, und da kommen wir zum Kern. Ich habe als Stadtverordneter damals auch meine Hand dafür gehoben, denn es gab für uns keinen Grund zu zweifeln, dass das wirtschaftlich für die Stadt Offenbach ohne jeden Verlust auch darstellbar sein würde, dass die Kickers dort spielen und entsprechend über die Miete das Ganze sich auch trägt."

    Erläutert Sportdezernent Peter Schneider. Inzwischen fühlt er sich von der damaligen Geschäftsführung betrogen. Und was er dann noch hinzufügt, klingt wie ein Wirtschaftskrimi:
    "Tatsache ist, dass es staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gibt, Tatsache ist auch, dass die Staatsanwaltschaft entsprechend auch die Geschäftsräume der Kickers Offenbach GmbH durchsucht hat und nicht nur die, sondern auch von handelnden Personen in Vergangenheit und Gegenwart. Ich kann dem nicht vorauseilen, was da rauskommt, aber es ist doch völlig klar, wenn ein Geschäftsführer sagt, wir haben 4,7 Mio. Verbindlichkeiten und nach 2 Monaten, nachdem jemand anders in die Bücher schaut, sagt er es sind 9,1 und später wurden es dann auch 10 komma irgendwas, dann kann ja da irgendwo was nicht gestimmt haben."

    Die Offenbacher Kickers bekamen in dieser Saison vom DFB keine Lizenz für die dritte Liga, die Profi GmbH musste im Juni Insolvenz anmelden, jetzt spielt der Club in der vierten Liga. Stadt und Land hatten noch versucht, den Verein zu retten, mit Forderungsverzicht, Stundung und Landesbürgschaft. Man wollte so auch verhindern, dass der Hauptmieter für das Stadion wegfällt, doch geholfen hat es am Ende nicht. Für die Stadt Offenbach bedeutet das nun, dass sie nicht nur einen Großteil ihrer Forderungen abschreiben muss, sondern vor allem jährlich auf 325.000 Euro Mieteinnahmen verzichten muss. Als Viertligist kann der OFC nur noch einen Bruchteil der Stadionmiete zahlen. Der Schaden ist groß, Geschäftsführer David Fischer - seit nicht ganz einem Jahr im Amt - weiß, dass er jetzt nur noch versuchen kann, den Schaden zu begrenzen. Zur Erklärung der Misere sagt er:

    "Die Schwierigkeit im Fußballbereich ist ein sehr, sehr emotionales Umfeld, wo sie oftmals getrieben sind von einem einer Erwartungshaltung von Seiten Sponsoren, Fans, eigener Anspruch, und somit hat das oftmals zur Konsequenz, dass sie womöglich Dinge und Entscheidungen fällen, die aus dem Bauch heraus sind, die emotional geprägt sind und vielleicht nicht immer nach wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, sondern eher halt nur von der Hoffnung und der erwartungsvollen Haltung, dass man sportlichen Erfolg hat."