Auch die Berliner Philharmoniker haben sich mit der "Planeten"-Suite kaum beschäftigt. Seit aber Sir Simon Rattle ihre Geschicke lenkt, ist ein Raketenstart des Vorzeigeorchesters zum Jupiter kein Problem mehr - wie ein neuer CD-Mitschnitt zeigt:
* Musikbeispiel: Gustav Holst: "Jupiter" (Ausschnitt) aus "The Planets"
Simon Rattle ist zwar ein feuriger Dirigent, aber eben auch Engländer. Deswegen entfaltet selbst der etwas pausbäckige Hymnus in Gustav Holsts "Jupiter" bei ihm und seinen Berliner Philharmonikern ein gewisses Understatement. Rattle bezeichnet diesen vierten Satz der "Planeten" im CD-Heft als - Zitat - "nostalgischen Blick auf ein England, das es so nie gegeben hat: das England der Kricketplätze, des warmen Bieres und der schlechten Küche"! Will Rattle damit sagen, dass Holst den Himmel gar nicht beobachtet hat?
Als er 1914 an die Arbeit ging, interessierte sich Holst tatsächlich nicht für Entdeckungen - Pluto hätte man damals noch entdecken können - sondern für die Deutung des Bekannten. Er wollte hörbar machen, wie Gestirne auf Menschen wirken. Diese Suche nach Sinn und Über-Ordnung wurde angespornt durch den Ersten Weltkrieg. Aber im Zeitalter des Hurra-Patriotismus wurden "Die Planeten" zum Verdruss des Komponisten als nationales Bekenntnis aufgefasst - obwohl ein internationaleres Thema kaum denkbar scheint. Und es war ein internationaler Trend, in dem Holst lag: Auch Arnold Schönberg oder Charles Ives - beide wie Holst 1874 geboren - versuchten auf ihre Weise, Mystisches zum Klingen zu bringen.
Eines dieser Mysterien war für Holst die Kraft der Kontinuität und des Alters, die dem Planeten Saturn zugeschrieben wird. Lassen wir die Berliner Philharmoniker zuerst unter Simon Rattle auf den Ringen des Planeten schreiten und hören wir dann, wie dasselbe Orchester unter seinem früheren "Chefpiloten" Herbert von Karajan an dieselbe Stelle gelangte:
* Musikbeispiel: Gustav Holst: "Saturn" (Ausschnitt) aus "The Planets"
Soweit Rattle und die Berliner Philharmoniker im März 2006. Nun zum Vergleich Karajans Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern vom Januar 1981:
* Musikbeispiel: Gustav Holst: "Saturn" (Ausschnitt) aus "The Planets". Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan, DGG 439 011-2, LC 0173
In dieser Karajan-Aufnahme hat das Fortissimo die Wucht eines Meteoriten-Einschlags. Was aber ein Crescendo ist, das erfährt man in der homogeneren Deutung Rattles. Überhaupt klingt das Orchester unter Rattle ausgewogener, klarer und weniger sprunghaft. Karajan mag durch die ältere Technik entlastet werden, aber ihm stand ein Studio zur Verfügung, während sich Rattle mit Konzert-Mitschnitten begnügen musste.
Der Vergleich lohnt sich schon deswegen, weil zuletzt einige Medien behauptet haben, Rattle sei konzeptionslos und gefährde die Klangkultur des Orchesters. Wie unberechtigt die teils kampagnen-artigen Vorwürfe sind, beweist er auch mit dieser neuen Platte. Im Gegensatz zu vielen Kollegen ist Rattle mutig genug, Holst mit zeitgenössischer Musik zu verbinden. Er hat Colin Matthews' ergänzendes "Pluto"-Stück aus dem Jahr 2000 übernommen und vier Komponisten beauftragt, die "Planeten" um "Asteroiden" zu erweitern. Ein originelles Experiment, auch wenn es nicht ganz aufgegangen ist: Die neuen Werke von Saariaho, Pintscher und Turnage fügen mit ihrer wabernden Tremolo-Mystik Holst nach meinem Eindruck wenig hinzu.
Die in sich stimmigste Arbeit hat der Australier und ehemalige philharmonische Bratscher Brett Dean vorgelegt. Sein Asteroid heißt Komarov und ist nach einem sowjetischen Kosmonauten benannt, der in der Raumkapsel "Sojus" ums Leben kam - ein Opfer des Wettlaufs zwischen Ost und West um die Vorherrschaft im Weltraum.
* Musikbeispiel: Brett Dean: "Komarov's Fall" (Ausschnitt)
Ein Tongemälde von Brett Dean: "Komarov's Fall", beobachtet von den Berliner Philharmonikern unter Simon Rattle. Entgegen einigen Pressestimmen muss man sich um ein Orchester, das solche Komponisten hervorbringt, wohl keine Sorgen machen. Und erst recht nicht um eines, das den Merkur aus Gustav Holsts "Planeten" mit solch einer Schwerelosigkeit zu spielen versteht:
* Musikbeispiel: Gustav Holst: "Mercury" aus "The Planets"
Merkur - einer der "Planeten" aus der gleichnamigen Orchestersuite von Gustav Holst - eingespielt samt fünf zeitgenössischen Werken bei EMI Classics von den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle.
"Holst - The Planets"
Berliner Philharmoniker
Leitung: Sir Simon Rattle
Label EMI
Labelcode LC 06646
Bestellnummer 0946 3 59382 2 7
* Musikbeispiel: Gustav Holst: "Jupiter" (Ausschnitt) aus "The Planets"
Simon Rattle ist zwar ein feuriger Dirigent, aber eben auch Engländer. Deswegen entfaltet selbst der etwas pausbäckige Hymnus in Gustav Holsts "Jupiter" bei ihm und seinen Berliner Philharmonikern ein gewisses Understatement. Rattle bezeichnet diesen vierten Satz der "Planeten" im CD-Heft als - Zitat - "nostalgischen Blick auf ein England, das es so nie gegeben hat: das England der Kricketplätze, des warmen Bieres und der schlechten Küche"! Will Rattle damit sagen, dass Holst den Himmel gar nicht beobachtet hat?
Als er 1914 an die Arbeit ging, interessierte sich Holst tatsächlich nicht für Entdeckungen - Pluto hätte man damals noch entdecken können - sondern für die Deutung des Bekannten. Er wollte hörbar machen, wie Gestirne auf Menschen wirken. Diese Suche nach Sinn und Über-Ordnung wurde angespornt durch den Ersten Weltkrieg. Aber im Zeitalter des Hurra-Patriotismus wurden "Die Planeten" zum Verdruss des Komponisten als nationales Bekenntnis aufgefasst - obwohl ein internationaleres Thema kaum denkbar scheint. Und es war ein internationaler Trend, in dem Holst lag: Auch Arnold Schönberg oder Charles Ives - beide wie Holst 1874 geboren - versuchten auf ihre Weise, Mystisches zum Klingen zu bringen.
Eines dieser Mysterien war für Holst die Kraft der Kontinuität und des Alters, die dem Planeten Saturn zugeschrieben wird. Lassen wir die Berliner Philharmoniker zuerst unter Simon Rattle auf den Ringen des Planeten schreiten und hören wir dann, wie dasselbe Orchester unter seinem früheren "Chefpiloten" Herbert von Karajan an dieselbe Stelle gelangte:
* Musikbeispiel: Gustav Holst: "Saturn" (Ausschnitt) aus "The Planets"
Soweit Rattle und die Berliner Philharmoniker im März 2006. Nun zum Vergleich Karajans Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern vom Januar 1981:
* Musikbeispiel: Gustav Holst: "Saturn" (Ausschnitt) aus "The Planets". Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan, DGG 439 011-2, LC 0173
In dieser Karajan-Aufnahme hat das Fortissimo die Wucht eines Meteoriten-Einschlags. Was aber ein Crescendo ist, das erfährt man in der homogeneren Deutung Rattles. Überhaupt klingt das Orchester unter Rattle ausgewogener, klarer und weniger sprunghaft. Karajan mag durch die ältere Technik entlastet werden, aber ihm stand ein Studio zur Verfügung, während sich Rattle mit Konzert-Mitschnitten begnügen musste.
Der Vergleich lohnt sich schon deswegen, weil zuletzt einige Medien behauptet haben, Rattle sei konzeptionslos und gefährde die Klangkultur des Orchesters. Wie unberechtigt die teils kampagnen-artigen Vorwürfe sind, beweist er auch mit dieser neuen Platte. Im Gegensatz zu vielen Kollegen ist Rattle mutig genug, Holst mit zeitgenössischer Musik zu verbinden. Er hat Colin Matthews' ergänzendes "Pluto"-Stück aus dem Jahr 2000 übernommen und vier Komponisten beauftragt, die "Planeten" um "Asteroiden" zu erweitern. Ein originelles Experiment, auch wenn es nicht ganz aufgegangen ist: Die neuen Werke von Saariaho, Pintscher und Turnage fügen mit ihrer wabernden Tremolo-Mystik Holst nach meinem Eindruck wenig hinzu.
Die in sich stimmigste Arbeit hat der Australier und ehemalige philharmonische Bratscher Brett Dean vorgelegt. Sein Asteroid heißt Komarov und ist nach einem sowjetischen Kosmonauten benannt, der in der Raumkapsel "Sojus" ums Leben kam - ein Opfer des Wettlaufs zwischen Ost und West um die Vorherrschaft im Weltraum.
* Musikbeispiel: Brett Dean: "Komarov's Fall" (Ausschnitt)
Ein Tongemälde von Brett Dean: "Komarov's Fall", beobachtet von den Berliner Philharmonikern unter Simon Rattle. Entgegen einigen Pressestimmen muss man sich um ein Orchester, das solche Komponisten hervorbringt, wohl keine Sorgen machen. Und erst recht nicht um eines, das den Merkur aus Gustav Holsts "Planeten" mit solch einer Schwerelosigkeit zu spielen versteht:
* Musikbeispiel: Gustav Holst: "Mercury" aus "The Planets"
Merkur - einer der "Planeten" aus der gleichnamigen Orchestersuite von Gustav Holst - eingespielt samt fünf zeitgenössischen Werken bei EMI Classics von den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle.
"Holst - The Planets"
Berliner Philharmoniker
Leitung: Sir Simon Rattle
Label EMI
Labelcode LC 06646
Bestellnummer 0946 3 59382 2 7