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Mit Dampf durchs Zittauer Gebirge

Die Zittauer Schmalspurbahn lässt Dampflokfreaks die Herzen höher schlagen, denn auf der Eisenbahnstrecke durchs Zittauer Gebirge können Touristen selbst zum Lokführer werden - zum Ehrenlokführer.

Von Eva Firzlaff | 25.04.2010
    Schon 1890 wurde die Zittauer Schmalspurbahn gebaut, um die vielen Sommerfrischler ins Zittauer Gebirge zu bringen. Und jetzt stehen an der Strecke nicht nur Eisenbahnfreaks mit leuchtenden Augen. Torsten Sameiske:

    "Die Züge und Lokomotiven haben ein Alter, was zwischen 80 und 100 Jahren liegt. Die Lokomotiven im regulären Einsatz sind Baujahr 1928 bis 1933. Und die Personenwagen sind gebaut zwischen 1910 und 1933. Wir haben dann noch ein ganz besonderes Fahrzeug, das ist der Zittauer Triebwagen. Die Deutsche Reichsbahn versuchte auch in der Vergangenheit, ihre Schmalspurbahnen effektiver zu gestalten. Und da entwickelte man einen Triebwagen für 750 Millimeter Spurweite, der im Jahre 1938 bei uns zur Betriebserprobung kam. Das waren damals insgesamt vier Stück."

    Nur einer fährt noch. Die Zittauer Schmalspurbahn ist eine der wenigen, die eine Ausbildung zum Ehrenlokführer anbieten. Nach zwei Tagen Theorie darf der Hobbyeisenbahner zehn Tage lang selbst Lokführer sein, ein echter passt natürlich auf.

    "Ich höre den Pfiff, muss ich dann bestätigen, dass ich es gehört habe, einen Pfiff geben. Danach die Bremse lösen, den Regelschieber schon vorbereitet auf 75 Prozent, auf Anfahrstellung. Und dann den Dampfregler auf, oben am Schieberkastenmanometer sieht man, wie der Dampfdruck steigt. Und dann geht es los."

    Hanno Heim kommt sich vor wie ein Tausendfühler, so viele Handgriffe gleichzeitig. Aber Spaß macht es.

    "Na die Technik - schwarz - geballte Kraft - Dampfpower - das ist das schöne."

    Der Lokführer Bernd Jäckel teilt seine Begeisterung.

    "Weil man täglich die Kraft und die Technik erleben kann, spüren kann. Eine Diesellok oder eine E-Lok, ja da fährt man eben einfach. Hier ist alles spürbar. Und man trifft jeden Tag viele Leute. Man ist nicht alleine auf der Lok. Der Heizer ist dabei. Also es ist angenehm."

    Die kleine Bahn fährt von Zittau ins nahe Zittauer Gebirge, nach Jonsdorf und Oybin. Schon bei der Einfahrt in den Bahnhof Oybin sehen wir altes Gemäuer oben auf einem Felsmassiv. Dieser Felsen heißt Oybin, wie der Ort. Oben drauf die Ruinen von Burg und Kloster, ein Kleinod europäischer Kulturgeschichte mit mystischer Ausstrahlung.

    Schon in der Bronzezeit war oben eine Siedlung, im 13. Jahrhundert dann eine Burg, deren Herren das Tal kontrollierten. Das war die Handelsstraße von Böhmen in die reichen Handelsstädte Zittau und Görlitz. Bald saßen Raubritter auf der Burg. Görlitz, Zittau und noch andere gründeten den Sechs-Städte-Bund. Und dann kam Kaiser Karl VI. auf den Oybin. Simone Richter:

    "Der Kaiser hat erstmal aufgeräumt. Danach hat er sich ja diese Burg ausgesucht, um hier seinen Altersruhesitz zu erbauen und die gesamte Burg als militärisches Zentrum für diesen Sechs-Städte-Bund, den er ja auch noch gefördert hat, ausbauen zu lassen. Deswegen sind ja diese vielen Wehranlagen ran gekommen."

    Und er holte Mönche des Zölestinerordens. Innerhalb der Befestigung, gleich neben seiner Burg bekamen diese ein Kloster. Die Zittauer mussten bauen und sind seitdem nicht besonders gut auf den Oybin zu sprechen. Nach der Reformation starb das Kloster aus, später schlug ein Blitz ein, es brannte. Burg und Kloster fielen in Dornröschenschlaf.

    "Erst in der Zeit der Romantik, im 19. Jahrhundert, waren es dann Dichter und Maler, unter anderem Caspar David Friedrich, die die Anlage wieder bekannt und berühmt machten. Von ihm stammen ja etliche Skizzen hier vom Oybin, nicht nur er, sondern auch Carl Carus war hier. Gerade das Vorhangfenster ist Motiv für Caspar David Friedrich. Und eins seiner berühmtesten Gemälde 'Huttens Grab', dafür hat unsere Wenzelskapelle Modell gestanden."

    Der Wohnturm des Kaisers ist jetzt Museum. In der Kirche finden im Sommerhalbjahr Konzerte statt und die Mönchszüge nach historischem Vorbild.

    "Man sagt ja, die sind von ihren Einsiedelhütten gekommen und sind dann mit Fackeln nach unten gestiegen in diese Kirche und haben dann hier ihren Gottesdienst gehalten. Genauso wird das auch gemacht. Der historische Mönchszugsverein macht das in den Abendstunden bei Fackelschein, trifft er sich oberhalb vom Bergfriedhof, wo er schon die ersten Gesänge macht. Die steigen dann hinab vom Berg, gehen durch den Kreuzgang, dann ziehen sie hier in die Kirche ein. Dann ist hier der zweite Teil des Konzertes, also Mönchsgesänge."

    Wer in dem kleinen Zittauer Gebirge wandert, der stößt immer wieder auf bizarre Sandsteinfelsen, ähnlich wie im Elbsandsteingebirge. Nur ist der Sandstein härter.
    Von der großen Felsengasse aus beobachten wir Kletterer beim Aufstieg, mit dabei der Lokführerlehrling Hanno Heim.

    "Da unten ist ein leichter Weg in den Wald rein, da steht dran "Alpiner Grat". Da geht man rein, kurz einen Knüppelweg hoch. Dann muss man sich die Kletterausrüstung anlegen, weil es doch recht steil ist. Man kann auch mal abrutschen. Macht schon Spaß. Es sind ein paar Krampen, ein paar glatte Stellen. Aber der Felsen ist hier sehr griffig, ist auch in der Schattenseite nicht rutschig."

    Es waren hauptsächlich die Berliner, die schon vor 1900 ins Zittauer Gebirge kamen. Raus aus der muffigen Stadt. Wer es sich leisten konnte, fuhr in die Sommerfrische.

    "Größtenteils ins Riesengebirge, Isargebirge, war ja preußisches Gebiet, auch Schlesien. Und hier das Zittauer Gebirge war auch ganz beliebt. Erst mit Postkutschen und dann eben später, als 1890 die erste Bahn fuhr, dann gab es hier einen Boom. Und die ganzen Häuser, die man in Oybin sieht, sind ja nicht so die typischen ländlichen Häuser, sondern das sind alles diese Sommerhäuser, die kleinen Villen im Schweizer Stil. Hauptsächlich die Berliner."

    Und wir fahren runter nach Zittau, mit dem kleinen Dampfzug. Der wird ab und zu zum Musikzug. Mit Blasmusik oder Dixieland auf einem offenen Wagen. Die Zittauer Historie hängt eng mit der Görlitzer zusammen. Görlitz war eine reiche Handelsstadt an der Via Regia, der mittelalterlichen Ost-West-Verbindung quer durch Europa. Im 13. Jahrhundert wurde Zittau vom Böhmischen König gegründet und planmäßig angelegt, als erste Rast der Händler auf dem Weg von Görlitz nach Prag, Venedig. Hans-Jörg Masch:

    ""Der König kam persönlich hoch zu Ross und umritt einen Kreis. Ihm folgte ein Bauer mit einem Pflug. Dort, wo die Pflugschar die Spur hinterlassen hatte, durften die Bürger ihrer Mauer bauen."

    Zittau gehörte lange zu Böhmen. So stehen auch hier die charakteristischen Prager "Durch-Häuser". Vorne eine prächtige Fassade und durch mehrere Höfe kommt man zur nächsten Straße. Im Siebenjährigen Krieg wurde die Stadt schwer getroffen. Doch das Salzhaus, ein mächtiges, mittelalterliches Hochhaus, steht heute noch. Es war das Mehllager der Preußen: Die Österreicher hatten die Stadt zusammen geschossen, doch das Mehllager, um das es ging, nicht getroffen.

    "1757 war die größte Zerstörung der Stadt Zittau im Siebenjährigen Krieg. Da wurde auch diese Kirche von den Österreichern total zerstört. Der Wachturm zuerst bis runter und das Kirchenschiff brannte total aus."

    Der Türmer Reinhard Rokitte. Die jetzige klassizistische Johanniskirche stammt vom preußischen Hofbaumeister Schinkel. Vom Turm gucken wir runter auf Zittau. Mittags und zum Feierabend bläst der Türmer.

    100 Jahre dauerte der Wiederaufbau der Stadt. Anstelle der Stadtmauer wurde eine Ringstraße angelegt wie in Wien - mit öffentlichen Gebäuden, Parks zum Flanieren und einer Blumenuhr mit Glockenspiel, diese Blumenuhr von 1907 ist sozusagen die Urmutter aller Blumenuhren.

    Das Rathaus, auch von Schinkel, wirkt wie ein italienischer Palazzo Grande und etwas fremd zwischen den barocken Bürgerhäusern am Markt ringsum. Erst seit wenigen Jahren ist das große Zittauer Fastentuch zu sehen. Mit solchen Tüchern wurden in der Fastenzeit die Altäre verhängt. Torsten Pietschmann:

    "Man hat nicht nur wenig gegessen und getrunken, man hat die Augen mit fasten lassen. Man hat sich den Anblick eines Altares verboten. In Mode gekommen ist dieser Brauch vor 1000 Jahren in Westeuropa. Die Tücher waren zunächst einfarbig. Im 15. Jahrhundert tauchen dann die ganz großen bemalten Tücher auf, zu denen gehört unser Tuch. Das wird 1472 von einem unbekannten Meister geschaffen."

    Das Tuch ist riesig, über acht Meter hoch und fast sieben Meter breit, bemalt mit den Geschichten des alten und neuen Testaments - von der Erschaffung der Welt bis zum Weltengericht. Dieses Fastentuch war nach Kriegsende in vier Teile zerrissen und als Saunazelt benutzt worden. Die allermeisten Bilder haben diese Tortur überstanden. Das Tuch ist nun restauriert und hängt in der Kirche zum Heiligen Kreuz. Auch die ist eine besondere - eine böhmische Ein-Stützen-Kirche.

    "Ein quadratisches Kirchenschiff, das Gewölbe ruht auf einem einzigen Mittelpfeiler. In Böhmen finden Sie noch einige, in Deutschland noch zwei, diese und eine in Ebersbach bei Görlitz. Zittau selbst hat so eine Kirche bekommen, weil die Stadt lange zu Böhmen gehört hat."

    An der Kirchhofmauer fallen prunkvolle fürstliche Grabstätten auf. Hier liegt jedoch kein Fürst, kein Bischof. Es sind die Gräber reicher Zittauer Bürger aus früheren Jahrhunderten.

    Weitere Informationen:
    zittau.eu
    zittauer-gebirge.de
    soeg-zittau.de