Archiv


Mit dem Bologna-Bachelor nach Amerika

Ein Ziel des Bologna-Prozesses sind vergleichbare Hochschulabschlüsse überall in Europa. In jedem der 46 Länder, welche die Bologna-Erklärung unterzeichnet haben, sollen dieselben Spielregeln gelten. Wer einen Bachelor-Abschluss in der Tasche hat, soll sich damit an jeder anderen Universität in Europa für einen Master-Studiengang einschreiben können - ohne zusätzliche Tests und Qualifikationen. Was aber, wenn jemand sein Studium nicht in Europa fortsetzen will, sondern in den USA? Der amerikanische und der europäische Bachelor unterscheiden sich in einem entscheidenden Punkt: in der Länge des Studiums.

Von Arndt Reuning |
    Am östlichen Rand von Manhattan, ganz in der Nähe des riesigen Hochhauses der Vereinten Nationen hat der DAAD sein Hauptquartier in Nordamerika aufgeschlagen, der Deutsche Akademische Austauschdienst. Wenn deutsche Bachelor-Absolventen in den USA Schwierigkeiten dabei haben sollten, noch einen Master draufzusetzen, dann sollte Peter Kerrigan davon gehört haben. Er ist der stellvertretende Leiter im DAAD-Büro New York.

    " Wir haben keine dramatischen Beschwerden gehabt von Seiten der Studierenden, die uns um Hilfe gebeten hätten, dass ihr Abschluss anerkannt wird. Daraus folgern wir, dass die meisten damit gut zurecht gekommen sind. Meine Erfahrung bisher: Es ist wirklich eine Entscheidung, die von Universität zu Universität anders ist. Ob sie einen Abschluss anerkennen oder um weitere Leistungen bitten als Ergänzung. "

    In Einzelfällen kann es also tatsächlich Schwierigkeiten geben. Und das liegt daran, dass ein Bachelor-Studium in Europa nach Bologna-Richtlinien nur drei Jahre dauert. In den USA sind es aber vier. Schlussfolgerung der amerikanischen Hochschulen: Die Studenten aus Europa haben weniger drauf. Ein Argument, dem Peter Kerrigan nicht folgen will. Denn ein direkter 1:1-Vergleich der Bachelor-Studiengänge dies- und jenseits des Großen Teichs ist nicht möglich, sagt der DAAD-Mitarbeiter.

    " Wir denken, es macht keinen Sinn, sie im Einzelnen miteinander zu vergleichen. Denn sie sind einfach nicht kompatibel. Im deutschen System werden viele Anforderungen an die Hochschulbildung bereits auf der Ebene der Highschool erfüllt. So sagen wir, in Deutschland heißt es Gymnasium. Das ist in den USA nicht der Fall. Was in Deutschland mit dem dreijährigen Studiengang geschieht: Die Studenten bekommen ein hohes Level an Kompetenz in einem speziellen Fach. Im Vergleich zu den Studierenden hier hatten sie während ihres Studiums keinen Hintergrund in den Freien Künsten. Aber sie haben das bereits auf der Gymnasialstufe gehabt. Die Botschaft, die wir für uns mitnehmen, ist also: Wir haben den Eindruck, dass Studierende, die mit einem Drei-Jahres-Abschluss aus Deutschland kommen, für weitere Studien genauso qualifiziert sind wie ihre amerikanischen Gegenüber. "

    Die amerikanische Vereinigung Council of Graduate Schools in Washington DC vertritt die Interessen jener Hochschulen, an denen die Studierenden einen Master-Abschluss oder einen Doktorgrad erlangen können. Eine Erhebung unter den Mitglieds-Universitäten hat ergeben, dass im Jahr 2006 die Hälfte der Hochschulen den Abschluss selbst auf Gleichwertigkeit geprüft hat. Rund 30 Prozent haben die einzelnen Kandidatinnen und Kandidaten einer Bewertung unterzogen. Debra Stewart, die Präsidentin des Council of Graduate Schools.

    " Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir noch zu wenig Erfahrung mit dem dreijährigen Bachelor-Abschluss. Wir wissen aber, dass viele Graduate Schools über lange Jahre hinweg Studierende aus Großbritannien zugelassen haben - mit dreijährigen Abschlüssen. Und sie haben diesen akademischen Grad so behandelt, als sei er gleichwertig mit einem vierjährigen Bachelor in den Vereinigten Staaten. Wir haben wirklich nicht genügend Erfahrung mit den Bologna-Abschlüssen, damit wir beurteilen können, ob sie erfolgreich auf eine Teilnahme an einer Graduate School vorbereiten - oder nicht. Aber man sollte daran denken, dass die Zulassung zu einer amerikanischen Graduate School stark auf die einzelnen Bewerber zugeschneidert ist. "

    Dabei spielt nicht nur das Bachelor-Zeugnis eine Rolle, sondern zum Beispiel auch Empfehlungsschreiben von Professoren. Die Entscheidung fällt dann meistens in einem Komitee innerhalb des Fachbereichs. Ein zentrales Amt für die Anerkennung von Abschlüssen gibt es nicht.

    " Der amerikanische Weg ist: Jede Universität tut, was sie tut. Und glücklicherweise ist das meistens auch sehr gut. Und was sich im Moment tatsächlich abzeichnet: Amerikanische Universitäten schaffen einen eigenen Harmonisierungsprozess. Sie entwickeln Strategien, um sich mit Universitäten überall auf der Welt zu verbinden, indem sie gemeinsame Studiengänge erschaffen. Verschiedene Arten der internationalen Zusammenarbeit, die dazu führen werden, dass mehr amerikanische Studierende deutsche Hochschulen besuchen und mehr deutsche Studierende amerikanische Hochschulen. So dass alle zusammen eine reiche und globale Erfahrung machen können als Teil ihres Graduierten-Studiums. "