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Mit dem Finger am Abzug

Zur derzeitigen Kleinwaffenkonferenz der Vereinten Nationen in New York sind erneut Rufe nach schärferen Kontrollen und effektiveren Gesetzen gegen den illegalen Besitz von Kleinwaffen laut geworden. Auf entschiedenen Widerstand stoßen derartige Appelle in den USA, wo der größte Lobbyistenverband, die National Rifle Association, an der Spitze des Protestes steht.

Von Kerstin Zilm |
    Wayne LaPierre ist außer sich. Der Vize-Präsident der einflussreichsten US-Waffenlobbygruppe National Rifle Association – NRA - kann nicht fassen, dass die Vereinten Nationen in den USA eine Konferenz abhalten, die nach seiner Meinung das Ziel hat, Rechte der US-Bürger einzuschränken. Via Internetvideo fordert LaPierre alle Waffenbesitzer auf, sich zu wehren:

    "Im Namen aller 90 Millionen sich an Gesetze haltende Waffenbesitzer, aller vier Millionen NRA-Mitglieder stemme ich mich gegen diesen Angriff auf unser per Verfassung garantiertes Recht, Waffen zu tragen - die eine Freiheit, die alle anderen schützt. Es liegt an allen Patrioten, der Welt am 4. Juli zu zeigen, dass sich unsere Nation nicht von der UN schikanieren lässt."

    LaPierre fordert dazu auf, die Vereinten Nationen mit Protestbriefen zu treffen.

    Eine Schießanlage in Los Angeles um die Mittagszeit: Schießlehrer Nolan Avery trainiert an einem der Stände. Er weiß nichts von der NRA-Kampagne, hat nicht vor, an die Vereinten Nationen zu schreiben. Avery hält aber auch nichts von schärferen Regeln zur Kontrolle von Waffenverkäufen. Vorschriften, sagt er, treffen nur diejenigen, die sich an Gesetze halten:

    "Schärfere Kontrollen läsen das Problem nicht. Schärfere Strafen für Verbrechen mit Waffen könnten die Lage verbessern."

    Avery sagt:, die meisten Waffenbesitzer in den USA handeln verantwortungsbewusst. Sie gehen auf die Jagd, zu lokalen Wettkämpfen, zum Üben auf den Schiessplatz. Und: Sie schießen zum Spaß.

    "Vor kurzem hatten wir alle Anwälte einer prominenten Kanzlei aus Los Angeles hier. Alle haben geschossen. Die machen jede Woche irgendeine Aktivität zusammen."

    Dass es auch viele nicht verantwortungsbewusste Waffenbesitzer gibt, beweisen Statistiken: Im Jahr 2003 wurden in den USA mehr als 30.000 Menschen durch Kleinwaffen getötet, rund 12.000 davon durch Mord, die übrigen durch Freitod und unbeabsichtigte Schüsse. Zum Vergleich: In Deutschland gab es im gleichen Jahr 373 Morde mit Kleinwaffen. Diese Zahlen veröffentlichte das US-Gesundheitsministerium. Die Rechtsorganisation Legal Community against violence setzt sich für mehr Kontrollen bei der Verbreitung von Waffen ein. Juliet Lewitsch, eine der dort arbeitenden Anwälte fordert, den Privatbesitz von Waffen in den USA komplett zu verbieten und sagt:, das ist verfassungsgemäß:

    "Der Wortlaut des zweiten Verfassungszusatzes ist sehr wichtig: Es heißt, dass eine regulierte Bürgerwehr, die für die Sicherheit eines Staates notwendig ist, nicht daran gehindert werden darf, Waffen zu tragen. Es gibt kein verfassungsrechtlich festgelegtes Recht, eine Waffe zu besitzen. Das haben Gerichte wiederholt bestätigt."

    Um den zweiten Verfassungszusatz streiten Gegner und Befürworter schärferer Waffenkontrollen in den USA seit Jahrzehnten. Schauspieler Charlton Heston, langjähriger NRA-Präsident, erklärte in der Michael-Moore-Dokumentation "Bowling for Columbine":

    "Ich übe ein Recht aus, dass mir die klugen, alten weißen Kerle vermacht haben, die dieses Land gründeten. Wenn es gut genug war für sie, ist es gut genug für mich."

    Die Überzeugung, dass es ein unabänderliches Recht ist, Waffen zu tragen für die Jagd und zur Selbstverteidigung, ist fest verwurzelt in US-Tradition. Waffenbesitz ist nichts Ungewöhnliches und beginnt im frühen Alter. Kinder und Teenager werden mitgenommen auf die Jagd und zu Schießplätzen, es werden Waffen für sie produziert, es gibt Zeitschriften und Internetseiten für jugendliche Jäger und Scharfschützen. Schießlehrer Nolan Avery:

    "Wir haben rund 20 Familien mit Familienmitgliedskarten am Schieß-Stand. Sie kommen regelmäßig zusammen: Vater, Mutter und Kinder. Die Kinder lernen Respekt vor der Waffe, und wie man sie richtig benutzt. Wenn sie mit den falschen Menschen zusammenkommen, sind sie hoffentlich diejenigen, die verantwortungsbewusst handeln und ein schlimmes Problem verhindern."

    730 Menschen wurden im Jahr 2003 in den USA durch einen unabsichtlich gefeuerten Schuss getötet. In Los Angeles gibt es regelmäßig Schießereien, bei denen Menschen getroffen werden, die nur zufällig am Tatort vorbeikommen. In der Stadt wächst Frust über die anhaltende Waffengewalt.

    Kalifornien hat die schärfsten Waffenkontrollen der USA. Um eine Waffe legal in einem Geschäft mit Lizenz zu kaufen, muss man unter anderem mindestens 21 Jahre alt sein, ein sauberes Führungszeugnis haben, einen Test zum sicheren Umgang mit Waffen bestehen, eine Waffensicherung kaufen und darf nicht drogenabhängig sein. Schießlehrer Nolan Avery sagt:, all das löst das wirkliche Problem nicht. Wer eine Waffe will, findet eine. Und wer die Kaufkriterien nicht erfüllt, geht garantiert nicht ins lizenzierte Geschäft:

    "Auf dem Schwarzmarkt bekommst du, was du willst. Kennst du die richtigen Leute, ist es nur eine Frage des Geldes. Es hängt davon ab, wieviel du ausgeben willst."