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Mit dem Geld von Gazprom

Ein höheres Niveau, mehr Fans, mehr Geld – die Argumente, welche die Initiatoren für ihre Idee einer gemeinsamen russisch-ukrainischen Fußball-Liga vorbringen, klingen gut. Doch tatsächlich steckt hinter dem Projekt ein Machtkampf zwischen Gazprom und der neuen Verbandsspitze.

Von Johannes Aumüller | 11.05.2013
    Der Titel klingt nach bester sowjetischer Tradition – und das passt ganz gut zu dem, was Walerij Gassajew gerade zu tun hat. Seit ein paar Wochen darf sich der russische Fußball-Trainer "Vorsitzender des Komitees des Vereinigten Championats" nennen. Und seit Anfang Mai kann er auch das offizielle Komiteebüro in Moskau nutzen. Gassajew ist das offizielle Gesicht einer Gruppe, die sich an einer Neuordnung der osteuropäischen Fußball-Landschaft versucht. Sie möchte, dass so bald wie möglich die besten Mannschaften aus Russland und der Ukraine in einer gemeinsamen Liga einen Meister ermitteln. Wer sich mit Gassajew unterhält, hört viele plausibel klingende Argumente. Das sportliche Niveau würde steigen, das Format sei für Fans und Fernsehanstalten attraktiver und die wirtschaftliche Perspektive besser:

    ""Wir brauchen ein Reglement, das das Niveau der Klubs hebt und das dafür sorgt, dass alle Klubs finanziell gut ausgestattet sind. Das wichtigste ist, dass alle Klubs das Financial Fairplay befolgen. Zum heutigen Tag erfüllt kein einziger Klub in Russland und in der Ukraine die Bedingungen des Financial Fairplays."

    Mit alldem hat er Recht – und doch ist das bestenfalls die Viertel Wahrheit, die hinter dem Projekt steckt. Denn das Komitee ist nicht von den nationalen Verbänden gegründet worden, sondern geht auf eine Initiative einiger einflussreicher Akteure zurück. Allen voran den politisch kontrollierten Energieriesen Gazprom mit seinem Vorstandschef Alexej Miller. Wjatscheslaw Koloskow, der viele Jahre Russland in der Fifa vertrat und hinter den Kulissen immer noch sehr aktiv ist, sagt:

    ""Die erste Veranstaltung mit dem Versuch, die Klubs zu einer solchen Liga zu bewegen, fand in einem Gebäude von Gazprom statt, und derjenige, der durch die Versammlung geführt hat, war Miller. Von daher kann man gut sagen, dass der Initiator dieser Sache Gazprom ist."

    Das Motiv von Gazprom liegt in einem Konflikt mit der neuen Verbandsspitze. Über Jahre war es Tradition, dass der Verbandschef dem Lager von Gazprom beziehungsweise dem von ihm kontrollierten Klub Zenit St. Petersburg entstammt. Doch bei der Wahl im Herbst scheiterte ihr Kandidat und gewann Nikolaj Tolstych. Die Machtverschiebung zeigte sich erstmals, als Zenit am grünen Tisch ein Spiel verlor, weil aus ihrer Fankurve ein Böller auf den gegnerischen Torwart geflogen war. Nun möchten sich Gazprom und Zenit dem Einfluss des neuen Verbandschefs entziehen. Dafür lockt man mit immens viel Geld: Eine Milliarde Dollar soll das Jahresbudget der vereinigten Liga betragen, alleine 92 Millionen Dollar der Sieger bekommen. Projekt-Kritiker Koloskow sagt:

    ""Ich denke, so eine vereinigte Liga brauchen wir nicht. Wir haben in Russland eine sehr starke Liga, in der Ukraine gibt es eine starke Liga. Ich denke, das Geld, das man in die vereinigte Liga stecken möchte, sollte man besser direkt in den russischen Fußball stecken."

    Doch derzeit sieht es so aus, als könne das Projekt durchkommen. Teile der Politik sehen es mit Wohlwollen, weil es ein wenig an Glanz und Größe der alten Sowjetunion erinnert. Einige Oligarchen haben bereits ihre Unterstützung angekündigt. Bei einer Versammlung stimmten 14 von 16 Klubs der russischen Liga für die konkrete Ausarbeitung eines Konzepts. Nun versucht das Komitee, bei den Vereinen der ukrainischen Liga ein ähnliches Votum zu erzwingen. Für den ursprünglichen Zeitplan jedoch, die ganze Sache bis zum Beginn der Saison 2014/15 durchzuziehen, wird es eng. Komitee-Chef Gassajew:

    ""Wir sollten jetzt einmal ein konkretes Reglement ausarbeiten und alle offenen Fragen beantworten. Ich sehe keine besonderen Schwierigkeiten, aber es dauert eine gewisse Zeit."

    Formal steht vor der Einführung einer solchen Liga ohnehin die Zustimmung des europäischen Fußball-Verbandes. Doch diesbezüglich sind die Macher des Projektes optimistisch. Schließlich zählt zu den Partnern der Uefa-Champions-League seit Sommer 2012 auch – der russische Energieriese Gazprom.