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Mit dem Multimediakarren sinnliche Open-Air-Beschallung genießen

Eine Tagung in Berlin sammelt verschiedene Ideen und Perspektiven, wie die Zukunft sinnlichen Radios aussehen kann. Eine Möglichkeit dazu ist experimentelles Radio, welches auch mal nur den Klang erzählen lässt.

Von Ina Plodroch |
    Rauschende Daten, Klangkunst. Webradio. Data Storytelling. Podcast. Ultra Local Radio. Alles schnell und immer da. Der totale Digitalisierungswahn.

    Nathalie Singer, Professorin für Experimentelles Radio an der Bauhaus-Universität in Weimar. Die digitale Sinneskultur des Radios? Für Singer: entschleunigt und zurückgelehnt.

    "Ich glaube, es geht zurück eben zu Formaten, wo man gemeinsam hört. Es gibt ja auch sehr viele Hörtheater."

    Public Listening, sozusagen. Ohne Internet, ohne Bildschirm.

    "Das ist ja die Möglichkeit, Hörspiele unter freiem Himmel irgendwo im Grünen zu vernehmen."
    Und dazu hat sie den Multimediakarren dabei: einen alten Elektrorollstuhl mit Plattenspielern drauf, richtig guten Boxen und natürlich einem Radio für die Open-Air-Beschallung.

    "Wir wollen schon noch, dass die Leute eine Stunde sitzen und zuhören."

    Auf die Ohren gibt es experimentelles Radio von ihren Studierenden.

    "Ok ich bin HipHop. Ich bin HipHop oder ich war HipHop."
    "Dann haben wir noch Stücke, die im Zwischenbereich von DJ-Kultur und Hörspiel entstanden sind. Sehr musikalisch."

    Rafael Jové zum Beispiel erzählt er in seinem Stück von sich. Er will Remixen und mit Beats spielen. Jetzt bastelt er nicht nur Beats, sondern auch Radio. Experimentelles Radio, das auch mal den Klang erzählen lässt.

    "Dann haben wir noch welche, die sich mit Identitätsfragen auseinandersetzten: Wer bin ich in dieser multimedialen Gesellschaft? Erst seitdem wir alles verloren haben, haben wir die Freiheit, alles zu tun. Es fällt mir nicht leicht, loszulassen. Weil man in dieser schnelllebigen Zeit, die Beweise aufheben will, die einen als Individuum erkennen lassen, vertrauen diese Menschen sie externen Speichern an."

    Manche Stücke klingen wie Popmusik im Radio.

    "Weil viele der Studenten natürlich Musiker sind. Und die bringen ihren musikalischen Background mit rein und kombinieren dann mit Hörspiel oder Featureelementen. Und da entstehen dann sehr viele Stücke, die man eigentlich in den Bereich der Klangkunst subsumieren könnte."

    "Ich persönlich höre sehr selten Radio, muss ich sagen."

    Dabei studiert Floria Füger experimentelles Radio.

    "Und irgendjemand, der sich das wirklich anhört, 20 bis 30 Minuten lang, wie auch immer, dem irgendwie ein Gefühl rüberzubringen. Vom eigenen Leben. Von dem, was man gerade so fühlt. Die Reste der Jugendkultur scheinen sich auf Alkoholkonsum und so eine Art Urban-Party-Faschismus zu coden. Es scheint, dass Kunst sowohl und Musik als auch generell nicht mehr existent ist. Wo vor Jahren noch ein Künstler als Highlight die Menschen anzog, während dieser heute wohl eher ein Opfer von purer Unwissenheit der Konsumenten und Gleichschaltung von Geschmack ist."
    Klangkunst. Kein Informationsradio. Reportage, Feature, Musik und Hörspiel verschmelzen. Ist das die digitale Sinneskultur des Radios? Eine. Neben vielen anderen.

    Veranstaltungshinweis:
    Tagung "Digitale Sinneskulturen des Radios"
    Berlin, Studio P4
    21. – 22. Juni, täglich ab 10 Uhr
    http://radiosinne.mixxt.com