Der Haydn-Saal ist in ein goldenes Licht getaucht, schwere Samtvorhänge umrahmen die Bühne. Die feierliche Stimmung des auslandenden Barocksaals lässt einen kurz inne halten. Wenn an einem Ort in Eisenstadt Haydns Geist ganz besonders zu spüren ist, dann mit Sicherheit in diesem Saal. Hier hat Haydn seine berühmten Symphonien uraufgeführt, hier war das Epizentrum seines Wirkens als Hofkapellmeister.
Der Blick wandert nach oben: Prächtige Fresken zieren die Decke, darunter finden sich Abbildungen allegorischer Frauengestalten, die für die Länder der Heiligen Stephanskrone stehen.
Die Üppigkeit des Saals wirft zugleich ein Licht auf das Umfeld, in dem sich Haydn am Hof des Fürsten bewegte.
Theresia Gabriel hat als Kuratorin die Ausstellung zum Haydn-Gedenkjahr mitentwickelt. Der Höhepunkt jeder Führung im Schloss ist der Haydnsaal.
"Der sogenannte Haydn-Saal ist gute 100 Jahre früher, bevor Haydn hier begonnen hat zu arbeiten, entstanden. Und er hat vorher auch der große Festsaal geheißen. Und erst als Haydn dann hier begonnen hat, seine Opern aufzuführen, seine Sinfonien aufzuführen, hat sich dann der Name Haydnsaal eingebürgert. Erbaut wurde der Saal unter Fürst Paul I. in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Italienische Baumeister haben hier gewirkt und die Fresken zeigen Szenen aus der griechischen Mythologie und sie stammen von Carpoforo Tencalla. Das politische Programm in den Fensterachsen zeigt die ungarischen Könige aus der Zeit der Landnahme, in deren Fortsetzung sich die Esterhazy im 17. Jahrhundert gesehen haben."
Bei Joseph Haydns Dienstantritt 1761 war das Fürstenhaus Esterhazy eines der mächtigsten und reichsten der Habsburger Monarchie. Mit dem prunkvollen Haydnsaal haben sich die esterhazyschen Fürsten gleichsam selber ein Denkmal gesetzt.
Im Schloss Esterházy wurde Haydn die repräsentative Bühne für sein Schaffen geboten. Haydn genoss nicht nur materielle Vorteile, sondern auch den Luxus eines kunstsinnigen Publikums, das sein Werk verstand. Die damalige High Society ging auf dem Schloss ein und aus. Kaiserin Maria Theresia war ein gerne gesehener Gast bei den Esterházys. Anlässlich eines ihrer Besuche komponierte Haydn die Theresiensymphonie.
Doch die Anstellung am Fürstenhof bedeutete auch Abhängigkeit - der Fürst ließ sich von Haydn das Exklusivrecht auf seine Kompositionen garantieren. Die Werkfülle, die Haydn in seiner Zeit am Hofe schuf, ist einzigartig.
"Haydn war ein sehr fleißiger Komponist. Er hat 107 Sinfonien hinterlassen, unzählige Streichquartette, Opern, Messen, Klaviersonaten, Baritontrios, Baritonoktette. Und sein musikalisches Schaffen ist wirklich sehr umfangreich und auch herausragend."
Fast drei Jahrzehnte lang diente Haydn der Fürstenfamilie - bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1790. Er selber sagte, der Hof des Fürsten sei der Ort, an dem er zu leben und zu sterben wünschte. Doch sein Leben in Eisenstadt spielte sich fernab von den Musikmetropolen der damaligen Welt ab. In der Abgeschiedenheit der Provinz wird den großen Komponisten wohl von Zeit zu Zeit auch die Einsamkeit überkommen haben.
Davon zeugen jedenfalls die zahlreichen Briefe an seine Herzensfreundin Marianne von Genzinger. Ihr vertraut Haydn die Melancholie an, die ihn in Esterházy immer wieder packt. In den Briefen an die junge Pianistin zeigt sich der große Komponist von einer selten persönlichen Seite.
"Nun - da siz ich in meiner Einöde - verlassen - wie ein armer waiß - fast ohne menschlicher Gesellschaft - traurig - voll der Erinnerung vergangener edler täge… Ich konnte wenig schlafen, sogar die Träume verfolgten mich, dan, da ich an besten die opera le Nozze di Figaro zu hören traumte, wegte mich der Fatale Nordwind auf und blies mir fast die schlafhauben von Kopf."
Ein unscheinbares Häuschen in einer schmalen Gasse - wir stehen vor Haydns Wohnstätte in Eisenstadt. Kommen wir hier dem Privatmann Haydn etwas näher?
Astrid Gruber führt eine Gruppe Besucher durch die niedrigen Räume.
"Also, wir befinden uns hier im ehemaligen Wohnhaus von Joseph Haydn. Er hat das Haus hier gekauft 1766 und hat zwölf Jahre lang hier im Haus gewohnt. Als er es gekauft, hat die Wohnung aus vier Räumen mit einem Vorraum bestanden und dabei war sogar ein Keller, eine Hofeinfahrt und im hinteren Teil war sogar Platz für einen Stall. Also, man nimmt an, er hat hier Ziegen und Hühner gehalten."
Dieses kleinbürgerliche Milieu passt nun gar nicht zum gefeierten Komponisten, der schon zu Lebzeiten ein Weltstar war.
Doch Haydn stammte nicht aus wohlhabenden Verhältnissen. Sein Vater war Wagnermeister. Als er als jung verheirateter Mann die Stellung am Fürstenhof antrat, musste er bei seinem Dienstherrn Fürst Paul Anton I. um einen Vorschuss bitten, um das Haus in der Klostergasse zu kaufen.
Hier, in seiner Wohnstätte, wird auch das schwierige Verhältnis zu seiner Ehefrau Anna Aloisia deutlich.
"Joseph Haydn hat seine Frau kennengelernt, als er noch in Wien war als junger Komponist. Er hat seine Frau kennengelernt, als er ihr und ihrer jüngeren Schwester Musikunterricht gegeben hat. Allerdings war die Ehe nicht die beste Verbindung, die Ehe blieb kinderlos. Und Joseph Haydn hat selbst so ein Zitat verwendet wegen des Nebeneinanderherlebens mit seiner Gemahlin, wo er dann sagte: Ich war den Reizen anderer Frauenzimmer gegenüber weniger unempfänglich."
Dies ist vermutlich der schmeichelhafte Ausdruck für das, worüber in Eisenstadt auch heute noch zahlreiche Gerüchte kursieren - Haydns Affären zu anderen Frauen. Mit der Opernsängerin Luiga Porcelli soll er sogar einen unehelichen Sohn gehabt haben. Wie viel Wahrheit in diesen Geschichten steckt, bleibt heute der Fantasie jedes Einzelnen überlassen.
Doch bei all dem, was die Spurensuche in Eisenstadt schon ergeben hat - die Person Haydn bleibt dabei seltsam im Schatten. Über sein Wirken außerhalb des Schlosses weiß man nur sehr wenig.
Natürlich ist für den Besucher die Vorstellung verlockend, die idyllische Umgebung des Burgenlandes als Ursprung von Haydns Inspiration anzunehmen.
Dass der Landstrich rund um den Neusiedler See ein besonders schönes Fleckchen Erde ist, lässt sich nicht bestreiten: Die pittoresken Städtchen laden zu einem Spaziergang ein, auf den Dächern der geduckten Häuser nisten Störche - und überall Weinberge.
Der Winzer Josef Umathum führt uns durch seinen Weingarten.
"Wir sind hier in Joist, in der Gemeinde Joist, am Nordwestufer des Neusiedler Sees, im Joister Kirschgarten. Das ist ein ganz besonderer Weingarten. Man spürt also jetzt von unten her vom See die Luft, die so sanft hier raufstreicht und der Blick ist wunderbar über die Ebene des Neusiedler Sees. Man sieht das Schilf und dahinter das Wasser, das ist wie im Süden am Meer, das hat schon ein bisschen diesen Eindruck. Oben höre ich gerade eine Lerche zwitschern, die für mich also immer so das Frühlingsbild verkündet."
Bei einer solchen Idylle fällt es schwer, zu glauben, dass Haydn dafür blind gewesen sein soll. Fangen die zarten Klänge in der Sinfonie Le soir nicht geradezu die Romantik eines Sonnenuntergangs am Neusiedler See ein? Doch Anekdoten, die dies belegen, sucht man vergeblich.
Vom großen Komponisten weiß man vor allem eins: Er hatte tatsächlich eine Haydn-Arbeit. Theresia Gabriel:
"Er musste ständig komponieren, die musikalischen Wünsche des Fürsten erfüllen. Es waren sicherlich 100 Opernaufführungen jedes Jahr, die er zu organisieren hatte und er war eben nicht nur Komponist, sondern er war, wenn man das im übertragenen Sinne heute ausdrücken würde, auch Musikmanager. Er musste dafür sorgen, dass seine Kopisten die Stimmen vervielfältigten, und er musste das natürlich auch komponieren. Er musste das Material beschaffen, es gibt da unzählige Dokumente, wo er ansucht um Tinte um Papier, um Notenstecherwerkzeug. Er musste sich auch um diesen, sag ich mal, Kleinkram kümmern. Es war schon mehr als ein Fulltime-Job und er war auch sicherlich sehr gestresst."
Das immense Arbeitspensum, das er am fürstlichen Hof abzuleisten hatte, wird ihm wohl kaum Zeit für lange Spaziergänge am Neusiedler See gelassen haben. Dennoch hat das Burgenland Spuren in seinem Werk hinterlassen. Auch wenn die eher politischer als privater Natur sind.
Die ungarische Reichshälfte des Vielvölkerstaats Österreich-Ungarns war ein Schmelztiegel verschiedener Kulturen. Gerade diese Multikulturalität hat Haydn in vielen Werken verarbeitet.
Michael Weese führt im Landesmuseum Burgenland durch die Ausstellung Haydn Crossover, die die volksnahe Seite des Komponisten herausstellt.
"Dieser Raum ,wo wir uns heute befinden, dieser pannonische Kulturraum war eben stark durchmischt mit deutschsprachigen, ungarischsprachigen, Slowaken, Kroaten sehr stark. Die Kaiserin Maria Theresia hat sehr viele Kroaten hier angesiedelt. Und eben auch - damals hat man noch gesagt - mit Zigeunern, also es waren eben lovarer Sinti und Roma, die hier gelebt haben. Und es gab ja weder den Begriff der Volksgruppe noch den Begriff der Ethnie damals, es war einfach selbstverständlich, dass man so durchmischt multikulturell gelebt hat, und diese Stimmung ist auch der Humus, auf dem diese Werke von Haydn hier entstehen."
Für das berühmte Streichquartett Op 76-3, das Haydn als Kaiserquartett für den österreichischen Kaiser Franz komponiert hat, ließ er sich von einer kroatischen Volksweise inspirieren. Die Melodie dieses Kaiserquartetts liegt heute der deutschen Nationalhymne zugrunde.
"Haydn war aber auch stark beeinflusst von ungarischer Musik. Wir stehen hier vor einer Vitrine, wo Klaviertrios und Klaviersonaten aufgelegt sind und Haydn bezeichnet diese Klaviersonaten mit dem Titel Alt-Zingarese oder ungarese. Das Zigeunerhafte war eben das Exotische. Das heißt, es gab eine sehr starke Aufmerksamkeit für die eigene Kultur oder für die Besonderheiten der eigenen Kultur. Haydn nimmt sich diesen Stoff und gießt es in eine Kunstform und macht etwas Eigenes daraus."
Noch heute sind in Eisenstadt die osteuropäischen Einflüsse deutlich spürbar. Auf der Straße hört man ein buntes Gemisch aus ungarisch, kroatisch und deutsch. Seit dem Fall des Eisernen Vorhang sind viele Menschen aus den angrenzenden Staaten ins Burgenland gekommen. Das Burgenland ist der Welt, so wie sie Haydn erlebt hat, wieder ein Stück näher gekommen.
Und wie viel man vom Burgenland in Haydns Musik wieder finden möchte, das bleibt jedem Hörer selber überlassen.
Lydia Baich ist Violinistin. Sie hat das Haydn-Jahr mit einem Konzert im Haydn-Saal eröffnet. Die Frage, wie viel Burgenland in Haydns Musik steckt, ist für sie völlig klar:
"Das Burgenland ist ein sehr sonniges Land und ich glaube, dass man in Haydns Musik auch das Fröhliche sehr stark spürt. An diesem Ort lebt sein Geist, also man spürt das und vor allem in diesem Saal klingt seine Musik besonders schön."
Der Blick wandert nach oben: Prächtige Fresken zieren die Decke, darunter finden sich Abbildungen allegorischer Frauengestalten, die für die Länder der Heiligen Stephanskrone stehen.
Die Üppigkeit des Saals wirft zugleich ein Licht auf das Umfeld, in dem sich Haydn am Hof des Fürsten bewegte.
Theresia Gabriel hat als Kuratorin die Ausstellung zum Haydn-Gedenkjahr mitentwickelt. Der Höhepunkt jeder Führung im Schloss ist der Haydnsaal.
"Der sogenannte Haydn-Saal ist gute 100 Jahre früher, bevor Haydn hier begonnen hat zu arbeiten, entstanden. Und er hat vorher auch der große Festsaal geheißen. Und erst als Haydn dann hier begonnen hat, seine Opern aufzuführen, seine Sinfonien aufzuführen, hat sich dann der Name Haydnsaal eingebürgert. Erbaut wurde der Saal unter Fürst Paul I. in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Italienische Baumeister haben hier gewirkt und die Fresken zeigen Szenen aus der griechischen Mythologie und sie stammen von Carpoforo Tencalla. Das politische Programm in den Fensterachsen zeigt die ungarischen Könige aus der Zeit der Landnahme, in deren Fortsetzung sich die Esterhazy im 17. Jahrhundert gesehen haben."
Bei Joseph Haydns Dienstantritt 1761 war das Fürstenhaus Esterhazy eines der mächtigsten und reichsten der Habsburger Monarchie. Mit dem prunkvollen Haydnsaal haben sich die esterhazyschen Fürsten gleichsam selber ein Denkmal gesetzt.
Im Schloss Esterházy wurde Haydn die repräsentative Bühne für sein Schaffen geboten. Haydn genoss nicht nur materielle Vorteile, sondern auch den Luxus eines kunstsinnigen Publikums, das sein Werk verstand. Die damalige High Society ging auf dem Schloss ein und aus. Kaiserin Maria Theresia war ein gerne gesehener Gast bei den Esterházys. Anlässlich eines ihrer Besuche komponierte Haydn die Theresiensymphonie.
Doch die Anstellung am Fürstenhof bedeutete auch Abhängigkeit - der Fürst ließ sich von Haydn das Exklusivrecht auf seine Kompositionen garantieren. Die Werkfülle, die Haydn in seiner Zeit am Hofe schuf, ist einzigartig.
"Haydn war ein sehr fleißiger Komponist. Er hat 107 Sinfonien hinterlassen, unzählige Streichquartette, Opern, Messen, Klaviersonaten, Baritontrios, Baritonoktette. Und sein musikalisches Schaffen ist wirklich sehr umfangreich und auch herausragend."
Fast drei Jahrzehnte lang diente Haydn der Fürstenfamilie - bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1790. Er selber sagte, der Hof des Fürsten sei der Ort, an dem er zu leben und zu sterben wünschte. Doch sein Leben in Eisenstadt spielte sich fernab von den Musikmetropolen der damaligen Welt ab. In der Abgeschiedenheit der Provinz wird den großen Komponisten wohl von Zeit zu Zeit auch die Einsamkeit überkommen haben.
Davon zeugen jedenfalls die zahlreichen Briefe an seine Herzensfreundin Marianne von Genzinger. Ihr vertraut Haydn die Melancholie an, die ihn in Esterházy immer wieder packt. In den Briefen an die junge Pianistin zeigt sich der große Komponist von einer selten persönlichen Seite.
"Nun - da siz ich in meiner Einöde - verlassen - wie ein armer waiß - fast ohne menschlicher Gesellschaft - traurig - voll der Erinnerung vergangener edler täge… Ich konnte wenig schlafen, sogar die Träume verfolgten mich, dan, da ich an besten die opera le Nozze di Figaro zu hören traumte, wegte mich der Fatale Nordwind auf und blies mir fast die schlafhauben von Kopf."
Ein unscheinbares Häuschen in einer schmalen Gasse - wir stehen vor Haydns Wohnstätte in Eisenstadt. Kommen wir hier dem Privatmann Haydn etwas näher?
Astrid Gruber führt eine Gruppe Besucher durch die niedrigen Räume.
"Also, wir befinden uns hier im ehemaligen Wohnhaus von Joseph Haydn. Er hat das Haus hier gekauft 1766 und hat zwölf Jahre lang hier im Haus gewohnt. Als er es gekauft, hat die Wohnung aus vier Räumen mit einem Vorraum bestanden und dabei war sogar ein Keller, eine Hofeinfahrt und im hinteren Teil war sogar Platz für einen Stall. Also, man nimmt an, er hat hier Ziegen und Hühner gehalten."
Dieses kleinbürgerliche Milieu passt nun gar nicht zum gefeierten Komponisten, der schon zu Lebzeiten ein Weltstar war.
Doch Haydn stammte nicht aus wohlhabenden Verhältnissen. Sein Vater war Wagnermeister. Als er als jung verheirateter Mann die Stellung am Fürstenhof antrat, musste er bei seinem Dienstherrn Fürst Paul Anton I. um einen Vorschuss bitten, um das Haus in der Klostergasse zu kaufen.
Hier, in seiner Wohnstätte, wird auch das schwierige Verhältnis zu seiner Ehefrau Anna Aloisia deutlich.
"Joseph Haydn hat seine Frau kennengelernt, als er noch in Wien war als junger Komponist. Er hat seine Frau kennengelernt, als er ihr und ihrer jüngeren Schwester Musikunterricht gegeben hat. Allerdings war die Ehe nicht die beste Verbindung, die Ehe blieb kinderlos. Und Joseph Haydn hat selbst so ein Zitat verwendet wegen des Nebeneinanderherlebens mit seiner Gemahlin, wo er dann sagte: Ich war den Reizen anderer Frauenzimmer gegenüber weniger unempfänglich."
Dies ist vermutlich der schmeichelhafte Ausdruck für das, worüber in Eisenstadt auch heute noch zahlreiche Gerüchte kursieren - Haydns Affären zu anderen Frauen. Mit der Opernsängerin Luiga Porcelli soll er sogar einen unehelichen Sohn gehabt haben. Wie viel Wahrheit in diesen Geschichten steckt, bleibt heute der Fantasie jedes Einzelnen überlassen.
Doch bei all dem, was die Spurensuche in Eisenstadt schon ergeben hat - die Person Haydn bleibt dabei seltsam im Schatten. Über sein Wirken außerhalb des Schlosses weiß man nur sehr wenig.
Natürlich ist für den Besucher die Vorstellung verlockend, die idyllische Umgebung des Burgenlandes als Ursprung von Haydns Inspiration anzunehmen.
Dass der Landstrich rund um den Neusiedler See ein besonders schönes Fleckchen Erde ist, lässt sich nicht bestreiten: Die pittoresken Städtchen laden zu einem Spaziergang ein, auf den Dächern der geduckten Häuser nisten Störche - und überall Weinberge.
Der Winzer Josef Umathum führt uns durch seinen Weingarten.
"Wir sind hier in Joist, in der Gemeinde Joist, am Nordwestufer des Neusiedler Sees, im Joister Kirschgarten. Das ist ein ganz besonderer Weingarten. Man spürt also jetzt von unten her vom See die Luft, die so sanft hier raufstreicht und der Blick ist wunderbar über die Ebene des Neusiedler Sees. Man sieht das Schilf und dahinter das Wasser, das ist wie im Süden am Meer, das hat schon ein bisschen diesen Eindruck. Oben höre ich gerade eine Lerche zwitschern, die für mich also immer so das Frühlingsbild verkündet."
Bei einer solchen Idylle fällt es schwer, zu glauben, dass Haydn dafür blind gewesen sein soll. Fangen die zarten Klänge in der Sinfonie Le soir nicht geradezu die Romantik eines Sonnenuntergangs am Neusiedler See ein? Doch Anekdoten, die dies belegen, sucht man vergeblich.
Vom großen Komponisten weiß man vor allem eins: Er hatte tatsächlich eine Haydn-Arbeit. Theresia Gabriel:
"Er musste ständig komponieren, die musikalischen Wünsche des Fürsten erfüllen. Es waren sicherlich 100 Opernaufführungen jedes Jahr, die er zu organisieren hatte und er war eben nicht nur Komponist, sondern er war, wenn man das im übertragenen Sinne heute ausdrücken würde, auch Musikmanager. Er musste dafür sorgen, dass seine Kopisten die Stimmen vervielfältigten, und er musste das natürlich auch komponieren. Er musste das Material beschaffen, es gibt da unzählige Dokumente, wo er ansucht um Tinte um Papier, um Notenstecherwerkzeug. Er musste sich auch um diesen, sag ich mal, Kleinkram kümmern. Es war schon mehr als ein Fulltime-Job und er war auch sicherlich sehr gestresst."
Das immense Arbeitspensum, das er am fürstlichen Hof abzuleisten hatte, wird ihm wohl kaum Zeit für lange Spaziergänge am Neusiedler See gelassen haben. Dennoch hat das Burgenland Spuren in seinem Werk hinterlassen. Auch wenn die eher politischer als privater Natur sind.
Die ungarische Reichshälfte des Vielvölkerstaats Österreich-Ungarns war ein Schmelztiegel verschiedener Kulturen. Gerade diese Multikulturalität hat Haydn in vielen Werken verarbeitet.
Michael Weese führt im Landesmuseum Burgenland durch die Ausstellung Haydn Crossover, die die volksnahe Seite des Komponisten herausstellt.
"Dieser Raum ,wo wir uns heute befinden, dieser pannonische Kulturraum war eben stark durchmischt mit deutschsprachigen, ungarischsprachigen, Slowaken, Kroaten sehr stark. Die Kaiserin Maria Theresia hat sehr viele Kroaten hier angesiedelt. Und eben auch - damals hat man noch gesagt - mit Zigeunern, also es waren eben lovarer Sinti und Roma, die hier gelebt haben. Und es gab ja weder den Begriff der Volksgruppe noch den Begriff der Ethnie damals, es war einfach selbstverständlich, dass man so durchmischt multikulturell gelebt hat, und diese Stimmung ist auch der Humus, auf dem diese Werke von Haydn hier entstehen."
Für das berühmte Streichquartett Op 76-3, das Haydn als Kaiserquartett für den österreichischen Kaiser Franz komponiert hat, ließ er sich von einer kroatischen Volksweise inspirieren. Die Melodie dieses Kaiserquartetts liegt heute der deutschen Nationalhymne zugrunde.
"Haydn war aber auch stark beeinflusst von ungarischer Musik. Wir stehen hier vor einer Vitrine, wo Klaviertrios und Klaviersonaten aufgelegt sind und Haydn bezeichnet diese Klaviersonaten mit dem Titel Alt-Zingarese oder ungarese. Das Zigeunerhafte war eben das Exotische. Das heißt, es gab eine sehr starke Aufmerksamkeit für die eigene Kultur oder für die Besonderheiten der eigenen Kultur. Haydn nimmt sich diesen Stoff und gießt es in eine Kunstform und macht etwas Eigenes daraus."
Noch heute sind in Eisenstadt die osteuropäischen Einflüsse deutlich spürbar. Auf der Straße hört man ein buntes Gemisch aus ungarisch, kroatisch und deutsch. Seit dem Fall des Eisernen Vorhang sind viele Menschen aus den angrenzenden Staaten ins Burgenland gekommen. Das Burgenland ist der Welt, so wie sie Haydn erlebt hat, wieder ein Stück näher gekommen.
Und wie viel man vom Burgenland in Haydns Musik wieder finden möchte, das bleibt jedem Hörer selber überlassen.
Lydia Baich ist Violinistin. Sie hat das Haydn-Jahr mit einem Konzert im Haydn-Saal eröffnet. Die Frage, wie viel Burgenland in Haydns Musik steckt, ist für sie völlig klar:
"Das Burgenland ist ein sehr sonniges Land und ich glaube, dass man in Haydns Musik auch das Fröhliche sehr stark spürt. An diesem Ort lebt sein Geist, also man spürt das und vor allem in diesem Saal klingt seine Musik besonders schön."