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Mit dem Rücken zur Kunst

    Zepter, Hermelin oder das Schwert sind auf klassischen Darstellungen oft als Insignien der Macht zu sehen. Heute spielen Kunstwerke selbst diese Rolle, meint der Kunsthistoriker und Unternehmensberater Wolfgang Ullrich in seinem neuen Buch "Mit dem Rücken zur Kunst". "Die Mächtigen lassen sich gerne fotografieren vor dem Hintergrund eines Werks der modernen Kunst", sagte Ullrich im Campus-&-Karriere-Interview. "Das signalisiert natürlich auch Reichtum, aber nicht nur." Spätestens seit der Klassischen Moderne schreibt man der Kunst auch andere positive Eigenschaften zu: vorwärtsorientiert, dynamisch, entschlossen, authentisch und risikobereit. "Das sind alles Eigenschaften, die gerade Vertreter der Wirtschaft oder der Politik für sich in Anspruch nehmen", so Ullrich. Allerdings gingen die meisten Manager und Politiker mit der Kunst, die sie sich an die Wand hängen, kein besonders großes Risiko ein. "Es sind meistens großformatige, abstrakte, bunte Gemälde - keine Bilder, die durch irgendwelche Inhalte die Person auf ein bestimmtes Programm, eine bestimmte Haltung festlegen." Umgekehrt hat das auch Einfluss auf die Produktion von Kunst. In der dienenden Funktion kann der Kunst ihre Autonomie abhanden kommen. "Das ist eigentlich eine paradoxe Situation", erklärt Ullrich. "Die moderne Kunst wird ja gerade geschätzt, weil sie autonom ist. Nur weil sie autonom ist, kann sie diese positiven Werte verkörpern. Aber nun ist es so, dass viele Künstler sich nach dem Markt richten, sehen, dass genau das begehrt ist, und nun Bilder malen, die den Eindruck der autonomen Kunst machen. Ob sie das wirklich noch ist, weil sie doch mehr oder weniger bestellte Kunst ist, muss dahingestellt sein." Boshaft könne man fast von einer feindlichen Übernahme der Kunst durch die Mächtigen, die sich damit schmücken wollen, sprechen.

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    "Mit dem Rücken zur Kunst" von Wolfgang Ullrich ist im Wagenbach Verlag erschienen und kostet 36 Mark. (ISBN: 3803151643)