Das Maxim Gorki Theater hat unter wechselnden Intendanten nach der Wende bis heute nicht seinen Platz in der Berliner Theaterlandschaft gefunden. Der neue Intendant Armin Petras tritt nun mit der Absicht an, sein Haus zu einem Stadttheater für alle Schichten und Altersstufen zu machen, statt sich eine ästhetische Nische für ein eingegrenztes Publikumssegment zu suchen:
"Wir haben überlegt, was können wir. Und nicht, wo ist die Lücke. Wir glauben, dass wir drei grundsätzliche Ideen haben, die uns Spaß machen. Das eine ist, das man sagt: Diese historische Arbeit des Maxim Gorki Theaters, also realistische Themen, realistische Texte, den sogenannten kritischen Realismus des 19. und 20.Jahrhunderts fort zu führen, das es ja immer gab hier am Maxim Gorki Theater, mit einem bestimmten Blick auf die Gegenwart, das finden wir eine wichtige Schiene. Wo wir versuchen, kein Spezialistenpublikum zu erreichen, sondern eine größere Breite von Berlinern.
Der zweite Punkt ist, dass ich immer gesagt habe, wenn ich mal so was machen sollte, kann ich nicht anders, als ein Autorentheater zu machen. Das heißt, dass wir nur lebende Autoren spielen im Studio dieses Jahr. Und der dritte Punkt, den ich auch immer gesagt habe, dass es mir sehr wichtig ist: Dass man sagt, Theater muss da raus gehen, wo die anderen Menschen sind, die normaler Weise nicht ins Theater gehen. Das heißt, dass wir versuchen, raus zu gehen, dass wir in Stadtbezirke rein gehen, mit den Leuten dort Theater machen und das auch wieder zurückholen ins Haus."
Nur konsequent, dass Armin Petras dem zehnteiligen Auftaktspektakel seiner Intendanz das Motto "Spurensuche" gab. Für den Zuschauer hieß das, sich nach der Inszenierung von Ibsens "Baumeister Solness" durch den Intendanten auf der großen Bühne in zwei folgenden Runden zwischen vielen gleichzeitig stattfindenden Produktionen in unterschiedlichsten Räumen des Theaters, aber auch vor dem Haus, im Garten oder auf dem Parkplatz zu entscheiden. Fünf Inszenierungen konnte ich an zwei Tagen sehen. Erster, übergreifender Eindruck: da ist ein spannendes Ensemble mit tollen Schauspielern zusammengekommen.
Es inszenierten Erfolgsregisseure der mittleren Generation wie Jan Bosse, Sebastian Baumgarten und eben Armin Petras. Die herausragende Inszenierung aber steuerte der schon etwas ältere Hermann Schein mit einer klug auf eine Stunde komprimierten Version von Marieluise Fleißers "Der starke Stamm" bei. Dafür versammelte sich das Publikum an den Wänden eines engen Salons. Ein langer Tisch mit treppenartigem Podest an der Stirnseite (das schöne Bühnenbild stammt von Stefan Heyne) ist Spielfläche für ein Volksstück, von dem die Autorin gesagt hat, es sei "unterschwellig satirisch" und habe "einen gesellschaftskritischen Hintergrund".
Hermann Schein hat es ganz im Sinne der Autorin, die es als "Heimatdichtung missverstanden" sah und schrieb, "ich wollte Leben geben, wirklich lebendige Gestalten", als eine realistische Geschichte von Menschen und ihren Leidenschaften inszeniert. Die Menschen, die sich bei einer Beerdigung versammeln, denken nur ans Erbe. Und so sieht man Individuen statt skurrilen Klischeefiguren zu, die um Geld kämpfen, aber auch sexuelle Begierden haben. Aus dem sensibel-konzentrierten, beeindruckenden Ensemblespiel ragt Ursula Werner als Schwägerin des Witwers hervor.
Wie diese Schauspielerin mit kleinsten Gesten und minimalsten mimischen Zeichen unterschiedlichste und heftige Gefühlslagen einer Frau zeigt, die erst Spielautomaten betreibt, dann mit Bildern von nackten Weibern handelt, um schließlich mit Wallfahrer-Transporten ihr Geld zu machen, während sie gleichzeitig um ihren Schwager kämpf, den sie an dessen junge Magd verliert, um am Ende wenigstens als ökonomische Siegerin dazustehen, das ist so wunderbar wie die gesamte Inszenierung.
Verpasste Hoffnungen oder verpatzte Ideale sind das durchgehende Thema des Spektakels. Armin Petras lässt Ibsens "Baumeister Solness" mit einem Filmvortrag über Berlins Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte beginnen. Seine stark körpersprachlich geprägte, oft spielerisch veräußerlichte, auch mit nackter sexueller Direktheit arbeitende Inszenierung zeigt mit Peter Kurth einen Baumeister Solness, der seinen Ort zwischen Schuldbewusstsein, emotionaler Zerrissenheit, Karrieredenken und Angst vor der folgenden Generation sucht. Anja Schneider als die junge Hilde, die beim Baumeister ein altes Versprechen einfordert, kommt als Hippie mit aufgedrehter, fast überdrehter Spielweise daher, mit der sie ihre Figur sehr schön als Zeichen hinstellt und diese dabei sowohl ausstellt wie darstellt.
Petras hat das Stück zu einem Beziehungskampf zwischen vier Figuren gemacht, unter denen Christin König als Frau Solness hervorsticht. Am Schluß einer mehr schauspielerisch als inszenatorisch überzeugenden Aufführung stürzt Baumeister Solness nicht ab, sondern Hilde spricht davon, dass man in der Zukunft Luftschlösser bauen werde.
Auf dem Parkplatz beförderte Armin Petras den Schauspieler Andreas Leupold für den witzigenVortrag von Einar Schleefs Prosatext "Das Haus", in dem ein DDR-Maurer sein um die eigene Leere gebautes Eigenheim zerstört und Selbstmord begeht, aufs Theaterdach. Während Sebastian Baumgarten "Berlin Ein Meer des Friedens", Schleefs ersten Theatertext über ein Ehepaar, das sich in banaler, erschöpfter Distanz zwischen Arbeit, fehlendem Sex, Fernsehen und Konsum verliert, wenig spannend zu machen versteht. Das zieht sich trotz Videoeinspielungen und viel Bewegung zwischen drei Tischen im Studio recht müde dahin.
Kurz vor Mitternacht blieb es dann hell im großen Haus, und die weißgekleideten Darsteller kamen aus dem Publikum oder lieferten sich ihm aus. Jan Bosse hat Goethes "Die Leiden des jungen Werthers" vor dem eisernen Vorhang als Stück über gesellschaftliche Leere und Überdruß inszeniert. Hans Löw als verzweifelt schwärmerischer Werther, Fritzi Haberlandt als realistisch kesse Lotte und Ronald Kukulies als derb direkter Albert spielen stets einen heutigen, ironischen Abstand zu ihren Rollen mit und fallen oft kommentierend aus ihnen.
Schließlich schleudert der Darsteller des Werther seinen gesellschaftlich bedingten Missmut im Dialog mit der Souffleuse. Eine umjubelte, wenn auch theatralisch allzu marktgängig gestaltete Inszenierung. Insgesamt aber machte das Theaterspektakels Hoffnung auf aufregende Zeiten am neuen Maxim Gorki Theater.
"Wir haben überlegt, was können wir. Und nicht, wo ist die Lücke. Wir glauben, dass wir drei grundsätzliche Ideen haben, die uns Spaß machen. Das eine ist, das man sagt: Diese historische Arbeit des Maxim Gorki Theaters, also realistische Themen, realistische Texte, den sogenannten kritischen Realismus des 19. und 20.Jahrhunderts fort zu führen, das es ja immer gab hier am Maxim Gorki Theater, mit einem bestimmten Blick auf die Gegenwart, das finden wir eine wichtige Schiene. Wo wir versuchen, kein Spezialistenpublikum zu erreichen, sondern eine größere Breite von Berlinern.
Der zweite Punkt ist, dass ich immer gesagt habe, wenn ich mal so was machen sollte, kann ich nicht anders, als ein Autorentheater zu machen. Das heißt, dass wir nur lebende Autoren spielen im Studio dieses Jahr. Und der dritte Punkt, den ich auch immer gesagt habe, dass es mir sehr wichtig ist: Dass man sagt, Theater muss da raus gehen, wo die anderen Menschen sind, die normaler Weise nicht ins Theater gehen. Das heißt, dass wir versuchen, raus zu gehen, dass wir in Stadtbezirke rein gehen, mit den Leuten dort Theater machen und das auch wieder zurückholen ins Haus."
Nur konsequent, dass Armin Petras dem zehnteiligen Auftaktspektakel seiner Intendanz das Motto "Spurensuche" gab. Für den Zuschauer hieß das, sich nach der Inszenierung von Ibsens "Baumeister Solness" durch den Intendanten auf der großen Bühne in zwei folgenden Runden zwischen vielen gleichzeitig stattfindenden Produktionen in unterschiedlichsten Räumen des Theaters, aber auch vor dem Haus, im Garten oder auf dem Parkplatz zu entscheiden. Fünf Inszenierungen konnte ich an zwei Tagen sehen. Erster, übergreifender Eindruck: da ist ein spannendes Ensemble mit tollen Schauspielern zusammengekommen.
Es inszenierten Erfolgsregisseure der mittleren Generation wie Jan Bosse, Sebastian Baumgarten und eben Armin Petras. Die herausragende Inszenierung aber steuerte der schon etwas ältere Hermann Schein mit einer klug auf eine Stunde komprimierten Version von Marieluise Fleißers "Der starke Stamm" bei. Dafür versammelte sich das Publikum an den Wänden eines engen Salons. Ein langer Tisch mit treppenartigem Podest an der Stirnseite (das schöne Bühnenbild stammt von Stefan Heyne) ist Spielfläche für ein Volksstück, von dem die Autorin gesagt hat, es sei "unterschwellig satirisch" und habe "einen gesellschaftskritischen Hintergrund".
Hermann Schein hat es ganz im Sinne der Autorin, die es als "Heimatdichtung missverstanden" sah und schrieb, "ich wollte Leben geben, wirklich lebendige Gestalten", als eine realistische Geschichte von Menschen und ihren Leidenschaften inszeniert. Die Menschen, die sich bei einer Beerdigung versammeln, denken nur ans Erbe. Und so sieht man Individuen statt skurrilen Klischeefiguren zu, die um Geld kämpfen, aber auch sexuelle Begierden haben. Aus dem sensibel-konzentrierten, beeindruckenden Ensemblespiel ragt Ursula Werner als Schwägerin des Witwers hervor.
Wie diese Schauspielerin mit kleinsten Gesten und minimalsten mimischen Zeichen unterschiedlichste und heftige Gefühlslagen einer Frau zeigt, die erst Spielautomaten betreibt, dann mit Bildern von nackten Weibern handelt, um schließlich mit Wallfahrer-Transporten ihr Geld zu machen, während sie gleichzeitig um ihren Schwager kämpf, den sie an dessen junge Magd verliert, um am Ende wenigstens als ökonomische Siegerin dazustehen, das ist so wunderbar wie die gesamte Inszenierung.
Verpasste Hoffnungen oder verpatzte Ideale sind das durchgehende Thema des Spektakels. Armin Petras lässt Ibsens "Baumeister Solness" mit einem Filmvortrag über Berlins Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte beginnen. Seine stark körpersprachlich geprägte, oft spielerisch veräußerlichte, auch mit nackter sexueller Direktheit arbeitende Inszenierung zeigt mit Peter Kurth einen Baumeister Solness, der seinen Ort zwischen Schuldbewusstsein, emotionaler Zerrissenheit, Karrieredenken und Angst vor der folgenden Generation sucht. Anja Schneider als die junge Hilde, die beim Baumeister ein altes Versprechen einfordert, kommt als Hippie mit aufgedrehter, fast überdrehter Spielweise daher, mit der sie ihre Figur sehr schön als Zeichen hinstellt und diese dabei sowohl ausstellt wie darstellt.
Petras hat das Stück zu einem Beziehungskampf zwischen vier Figuren gemacht, unter denen Christin König als Frau Solness hervorsticht. Am Schluß einer mehr schauspielerisch als inszenatorisch überzeugenden Aufführung stürzt Baumeister Solness nicht ab, sondern Hilde spricht davon, dass man in der Zukunft Luftschlösser bauen werde.
Auf dem Parkplatz beförderte Armin Petras den Schauspieler Andreas Leupold für den witzigenVortrag von Einar Schleefs Prosatext "Das Haus", in dem ein DDR-Maurer sein um die eigene Leere gebautes Eigenheim zerstört und Selbstmord begeht, aufs Theaterdach. Während Sebastian Baumgarten "Berlin Ein Meer des Friedens", Schleefs ersten Theatertext über ein Ehepaar, das sich in banaler, erschöpfter Distanz zwischen Arbeit, fehlendem Sex, Fernsehen und Konsum verliert, wenig spannend zu machen versteht. Das zieht sich trotz Videoeinspielungen und viel Bewegung zwischen drei Tischen im Studio recht müde dahin.
Kurz vor Mitternacht blieb es dann hell im großen Haus, und die weißgekleideten Darsteller kamen aus dem Publikum oder lieferten sich ihm aus. Jan Bosse hat Goethes "Die Leiden des jungen Werthers" vor dem eisernen Vorhang als Stück über gesellschaftliche Leere und Überdruß inszeniert. Hans Löw als verzweifelt schwärmerischer Werther, Fritzi Haberlandt als realistisch kesse Lotte und Ronald Kukulies als derb direkter Albert spielen stets einen heutigen, ironischen Abstand zu ihren Rollen mit und fallen oft kommentierend aus ihnen.
Schließlich schleudert der Darsteller des Werther seinen gesellschaftlich bedingten Missmut im Dialog mit der Souffleuse. Eine umjubelte, wenn auch theatralisch allzu marktgängig gestaltete Inszenierung. Insgesamt aber machte das Theaterspektakels Hoffnung auf aufregende Zeiten am neuen Maxim Gorki Theater.