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Mit den Waffen der Natur

640.000 Menschen erkranken jährlich an der Infektionskrankheit Borreliose, die jedes Organ im Körper befallen kann. Zwar findet sich der Erreger der Krankheit, der durch Zecken übertragen wird, in der gesamten Bundesrepublik, aber manche Regionen sind stärker durchseucht als andere. So zum Beispiel Baden-Württemberg. 2005 hat die Landesstiftung Baden-Württemberg daher das Projekt Borreliose-Prävention gestartet. Seither suchen Forscher nach wirksamen Methoden zur Zeckenbekämpfung.

Von Silke Thole | 04.08.2008
    Eigentlich ist die Borreliose leicht zu behandeln. Um der Krankheit Einhalt zu gebieten, müssen Betroffene lediglich Antibiotika nehmen. Und doch gilt die Borreliose als Gefahr, sind Zecken als Überträger der Krankheit zu Schreckgespenstern geworden. Der Grund: Die Borreliose ist schwer zu erkennen. Zwar gilt eine Rötung an der Einstichstelle als erstes Anzeichen für eine Infektion, aber die tritt nur in etwa 80 Prozent der Fälle auf. Professor Ingo Authenried, Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie am Universitätsklinikum Tübingen, schildert weitere Symptome:

    "In der Phase zwei können dann neurologische Störungen resultieren, also Nervenentzündungen - hauptsächlich, die bis zu einer Lähmung der Gesichtsmuskeln beispielsweise führen können. Oder andere Erscheinungen. Schmerzen, lang anhaltende Schmerzen, und in der weiteren Phase können auch Gelenkentzündungen entstehen, chronische Gelenkentzündungen, Gelenkentzündungen, die nach zwei drei Jahren vielleicht wieder sistieren oder Erkrankungen des Gehirns, die dann sehr schwer verlaufen oder auch weitere Erkrankungen der Haut, die dann zu einer Verdünnung der Haut und zu chronischen Hautstörungen führen können."

    Alle Krankheitszeichen können auch einzeln und mit monate- bis jahrelanger Verzögerung auftreten. Wird die Borreliose verspätet diagnostiziert, bilden sich einzelne Symptome nicht mehr zurück. Der angerichtete Schaden bleibt. Einen Impfstoff gegen die Borreliose gibt es bislang nicht. Was also tun gegen diese tückische Krankheit?

    Ein Weg, die Zahl der Infektionen zu reduzieren ist es, die Zahl der Zecken zu reduzieren, die die Krankheit übertragen. Die Parasitologin Professor Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim sucht seit drei Jahren nach biologischen Mitteln, die Zecken töten. Zusammen mit ihrem Team und dem Kollegen Professor Johannes Steidle vom Fachbereich Tierökologie hat sie Literatur gewälzt und in Büschen und Wiesen nach kranken Zecken gesucht. Das Ziel: Organismen finden, die die Zecken krank machen und sie sterben lassen. Mackenstedt hatte Erfolg: Sie fand drei viel versprechende Gegenspieler der Zecken.

    "Das sind auf der einen Seite Pilze, es sind auf der anderen Seite Fadenwürmer oder Rundwürmer - Nematoden - und dann gibt es noch Wespen, die man ebenfalls einsetzen kann. Diese Wespen haben den Vorteil, dass sie sehr spezifisch die Zecken aufsuchen und sich dann in den Zecken vermehren. Diese genaue Gerichtetheit in Bezug auf die Zecken, das können wir mit Pilzen und Nematoden nicht so erreichen, so dass wir da auch noch genauer hingucken müssen, dass wir mit solchen Pilzen und solchen Nematoden arbeiten, die sehr spezifisch auf Zecken gehen aber die nicht drum herum alles ebenfalls zerstören."

    Die Pilze sind sehr effektiv bei Zeckenlarven und ungesaugten Nymphen. Nymphen, das sind sehr junge Zecken, und die befallen Menschen am häufigsten. Mit Nematoden dagegen erzielten die Forscher einen größeren Effekt bei erwachsenen Zecken. Durch den kombinierten Einsatz beider Gegner konnten die Hohenheimer in Modellversuchen die Zeckenpopulation um bis zu 50 Prozent reduzieren. Bevor die biologischen Feinde der Zecke aktiv in der Natur eingesetzt werden können, müssen aber noch viele weitere Untersuchungen angestellt werden. So ist die Biologie der Wespenart, die ihre Eier ausschließlich in Zecken ablegt, weitgehend unerforscht. Und bei den Pilzen und Nematoden ist nicht klar, wie es sich auswirkt, wenn sie in der nötigen hohen Konzentration ausgebracht werden. Um diese Zusammenhänge zu verstehen braucht Mackenstedt noch Zeit.

    "Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir einen langen Atem brauchen. Das ist eine recht schwierige Aufgabe, weil wir es hier mit zwei lebenden Organismen zu tun haben und jeder Organismus stellt besondere Ansprüche an seine Umgebung und das ist eben halt immer das Spannende und auch das Ambitionierte an diesem Projekt, dass man diese beiden Organismen zusammen bringen muss."