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Mit der Gießkanne gegen die Krise

Wie kann man die Wirtschaft angesichts der Finanzkrise stützen und vor dem Abschwung bewaren? Auch wenn viele Politiker ein umfassendes Konjunkturprogramm offiziell ablehnen, wird über Einzelmaßnahmen diskutiert: Von der Kfz-Steuerbefreiung für CO2-arme Neuwagen, die der Autoindustrie auf die Sprünge helfen soll, über zusätzliche Ausgaben für den Autobahnneubau bis hin zu zusätzlichen Gebäudesanierungsprogrammen - die Liste ist lang. Doch sind die Maßnahmen auch wirklich sinnvoll?

Von Melanie Hinter | 30.10.2008
    "Die Finanzkrise wird immer mehr zur Wirtschaftskrise ... "

    Die Nachrichten melden es jeden Tag - der deutschen Wirtschaft geht es schlecht, der Aufschwung stockt. Das spiegelt sich auch in den Prognosen der Konjunkturforscher wider, und auch die Bundesregierung hat ihre Wachstumserwartungen herunter geschraubt - statt 1,2 Prozent rechnet sie jetzt nur noch mit einem Anstieg von 0,2 Prozent.

    Einig ist sich die Große Koalition darin: Sie will versuchen der Konjunktur in der schwierigen Zeit Impulse zu geben. Nachdem innerhalb von einer Woche ein gigantisches Rettungspaket für die Banken geschnürt wurde, möchte sich die Große Koalition nicht dem Verdacht aussetzen, nur etwas für die Banken zu tun. Und so ließ Kanzlerin Angela Merkel ihren Regierungssprecher Thomas Steg an dem Tag, an dem der Rettungsschirm in Kraft trat, ausrichten:

    " Dieses sogenannte Rettungspaket mit dem Ziel, wieder Vertrauen im Finanzsystem zu schaffen und zu stärken, dieses Finanzmarktstabilisierungspaket selbst ist auch ein Impuls für die Realwirtschaft, ist etwas, das Konjunktur und Wachstum in Deutschland stabilisiert."

    Doch das reicht den Regierenden in Berlin nicht. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier forderte:

    "Es hat natürlich jetzt Vorrang, nachdem wir den Schutzschirm für die Banken errichtet haben, dass wir auch einen Schutzschirm für die Arbeitsplätze errichten, und da kann es notwendig sein, dass wir das eine oder andere noch tun, um Arbeitsplätze zu erhalten."

    Und schon taucht in der Diskussion ein Wort auf, das vielen nur schwer über die Lippen geht: Das Wort heißt: Konjunkturprogramm.

    Ein solches fordern zum Beispiel die SPD-Linke und die DGB-Gewerkschaften. Umfang: 25 Milliarden Euro. Die Linkspartei geht noch einen Schritt weiter - für Oskar Lafontaine und seine Parteifreunde sollte ein Konjunkturprogramm satte 50 Milliarden Euro umfassen. Vor allem die Nachfrage müsse gestärkt werden, nicht durch Steuersenkungen, sondern durch Anhebung der Hartz IV-Sätze, Erhöhung der Rente und der Einführung von Mindestlöhnen, so der Saarländer

    "Zum zweiten muss der Staat Investitionen vorziehen, das ist sehr wirksam. Ich denke an Schulen, an Krankenhäuser, ich denke auch an Straßen. Es gibt also viel zu tun."
    Früher hätte man in solchen Zeiten vielleicht tatsächlich ohne große Bedenken ein Konjunkturprogramm aus dem Boden gestampft. Denn die Idee, die dahinter steckt ist relativ einfach.

    Wenn der Wirtschaft eine Rezession bevorsteht, sollte der Staat gegensteuern, empfahl der britische Ökonom John Maynard Keynes. In dieser Phase des Abschwunges, dass heißt, wenn die Unternehmen und die Verbraucher sich mit Ausgaben zurückhalten, sollte der Staat durch konjunkturbelebende Maßnahmen einspringen.

    Folgt dann der erhoffte Boom, sollte der Staat die Schulden wieder zurückzahlen - um so für den nächsten Abschwung gerüstet zu sein.

    Keynes zog damit die Lehren aus der Weltwirtschaftskrise der 1930-er Jahre. Aus seiner Sicht hatte das vom Staat unbeeinflusst wirkende, marktwirtschaftliche System versagt.

    Doch der Ansatz des Briten geriet in die Kritik. Keynes wurde vorgeworfen, dass sein Konzept eines Konjunkturanschubs durch kreditfinanzierte Staatsnachfrage auf Dauer zu Inflation führe und - letztendlich - wirkungslos bleibe. Zudem befürchteten Kritiker, dass sich die Wirtschaftsteilnehmer auf die Hilfe des Staates von vornherein einstellen und dann immer zu risikofreudig sein könnten - in der Hoffnung auf den nächsten Eingriff des Staates.

    In Deutschland sind die Ideen Keynes weitgehend tabu. Auch jetzt beruft sich kaum ein Politiker oder Interessenvertreter auf ihn. Schon das Wort Konjunkturprogramm löst bei vielen pure Ablehnung aus, so auch bei Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt.

    "Konjunkturprogramme sind Strohfeuer, die verpuffen, die viel Geld verschwenden, die die Haushaltskonsolidierung herauszögern. Davon sollten wir die Finger lassen Ich bin grundsätzlich gegen Konjunkturprogramme für einzelne Branchen, sondern wir müssen auf der vollen Breite Entlastungen schaffen, Bürokratieabbau und vieles andere mehr."

    Im Gegensatz zu Hundt hat DGB-Chef Michael Sommer kein Problem mit Konjunkturprogrammen - er verknüpft die positive Sicht jedoch mit seiner Forderung nach Unterstützungsmaßnahmen in Höhe von 25 Milliarden Euro.

    " Ich glaube, dass das dringend Not tut, um die Konjunktur zu stabilisieren, um mögliche, noch nicht vorhandene Einbrüche zu verhindern. Es geht uns nicht um die Frage, wie man das Ding nennt. Es geht uns um die Maßnahmen an sich: konjunkturstützende, konsumstützende Maßnahmen. Dazu gehören die Förderung öffentlicher Investitionen, die Förderung des Mittelstandes, die Förderung von Bildung, auch Fördermaßnahmen im Bereich des Klimaschutzes und auch von klimafreundlichen Automobilen und einigem mehr."

    Der Spitzengewerkschafter steht mit dieser Forderung jedoch weitgehend alleine da. Finanzminister Peer Steinbrück, stellvertretender SPD-Vorsitzender, kontert:

    " Ich halte gar nichts von einem breit gestreuten, auf Gießkanneneffekten orientiertes Konjunkturprogramm. Da wird nur Geld verbrannt, und wir haben anschließend eine höhere Staatsverschuldung."

    Von seinem Ziel, bis zum Jahr 2011 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen, möchte der Finanzminister nicht Abstand nehmen. Was aber nicht heißt, dass nichts getan werden soll, aber auf gar keinen Fall in Form eines klassischen Konjunkturprogrammes.

    So umstritten Konjunkturprogramme auch sein mögen, gegeben hat es sie immer, auch in Deutschland. Sie hießen nur anders. So zog die Regierung des sozialdemokratischen Kanzlers Gerhard Schröder die dritte Stufe der Steuerreform um ein Jahr vor. Oder:

    Die jetzige Große Koalition startete zu Beginn ihrer Amtszeit gleich mit einem 25 Milliarden Euro teuren Impulsprogramm, um mit günstigen Abschreibungsregeln für Unternehmen, billigen Krediten für Bauherren und Investitionen in Straßen und Bahnlinien die Konjunktur anzukurbeln. Holger Schäfer vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hält nur wenig von solchen Programmen

    "Die Konjunktur lässt sich durch staatliche Maßnahmen nicht hundertprozentig beeinflussen. Letztendlich, wenn ein konjunktureller Abschwung kommt, dann gibt es kein Konjunkturpaket, was das letztlich verhindern kann. Und auch die Arbeitsmarktwirkungen dieser Konjunkturabschwächung werden auf jeden Fall kommen. Egal was die Bundesregierung dafür tut."

    Doch nicht nur linke Politiker sehen jetzt die Zeit für einen Eingriff des Staates gekommen. Auch Wirtschaftsforscher stimmen ein. Zum Beispiel Udo Ludwig vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle.

    "Deutschland steht am Rande einer Rezession. Und da würde es schon hilfreich sein, wenn der Staat etwas tut, etwas für die Konjunktur tut. Das heißt, er sollte schon eine konjunkturgerechte Politik betreiben. Aber er sollte sein Geld nicht unnütz ausgeben."

    Christian Dreger vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, kurz DIW, plädiert dagegen nicht unbedingt für neue politische Eingriffe und sagt:

    "Es ist ja so, dass wir im Moment durchaus ein Konjunkturprogramm haben, das durch die fallenden Energiepreise und die fallenden Lebensmittelpreise ausgelöst wird. Das führt dann eben dazu, dass die Inflation im weiteren Verlauf des Jahres abnehmen wird und auch in 2009 abnehmen wird, bei ungefähr gleicher Beschäftigung. Und bei Lohnabschlüssen wie in diesem Jahr sollte ein deutliches Plus an Kaufkraft herauskomme, was tendenziell immer wichtiger wird, und dann auch den privaten Konsum stützen wird. Von daher haben wir bereits stimulierende Impulse zu beobachten, bei allem was es an negativen Nachrichten gibt."

    Zwischenzeitlich laufen sich die Lobbyisten in der Hauptstadt warm, fast täglich hebt eine neue Branche den Finger der Begehrlichkeiten. Für den haushaltspolitischen Sprecher der Union, Steffen Kampeter, kein ermutigendes Zeichen.

    " Jeder wünscht sich das, was er immer schon mal haben wollte. Das ist ähnlich wie Weihnachten. Im Ergebnis werden wir lediglich mehr Schulden, mehr Inflation und danach mehr Steuern haben."

    Auch wenn es kein Konjunkturprogramm geben soll, einzelne Maßnahmen sind geplant. Um herauszufinden, was wirklich notwendig ist, hat die Bundeskanzlerin einen Arbeitsauftrag verteilt. Finanzminister Peer Steinbrück und Wirtschaftsminister Glos sollen gemeinsam Vorschläge erarbeiten. Die Kanzlerin:

    "Breit gestreute Finanzierungsregeln, schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme wären allerdings der falsche Weg. Denn ein kurzes Strohfeuer kann uns volkswirtschaftlich nicht helfen, sondern wir brauchen gezielte, nachhaltig begründete Entscheidungen, die das Vertrauen in unseren Standort stärken, die auf die Zukunft gerichtet sind, auch auf die Zukunftsfähigkeit unserer Produkte."

    Doch Glos und Steinbrück sind sich bis jetzt noch nicht ganz einig, wie konkrete Maßnahmen aussehen könnten. Der CSU-Politiker Glos kann sich Steuersenkungen vorstellen. Und bekennt freimütig, er sei ...

    " ... grundsätzlich immer ein Freund von Steuer- und Abgabensenkungen, weil das meiner Ansicht nach nie verpufft, sondern dauerhafte Wirkung hat. Auf der anderen Seite müssen Sie sehen, wenn Sie Steuersenkungen beschließen, wie lange dauert das, bis sie direkt im Geldbeutel ankommen."

    Zu lange, findet der Finanzminister.

    " Es geht nicht darum, Steuersätze weiter zu senken. Weil eine solche Steuersenkung kurzfristig keine arbeitsmarktstabilisierenden Effekte hätte. Weil ziemlich unsicher ist, mit welchem Ausmaß das in die Sparquote geht. Weil gar nicht klar ist, in welchem Ausmaß die deutsche Binnennachfrage darunter profitiert, sondern eine Nachfrage, die sich eher auf das Ausland richtet, was per se nichts Schlechtes ist, aber mit Blick auf die wichtige Frage einer Binnenkonjunktur, einer Ankurbelung, bei uns von erheblicher Bedeutung wäre. Und noch einmal, weil diese Steuererleichterungen erst mit einem gewissen Zeitverzug über Jahresausgleichsmechanismen gewährleistet werden."

    Michael Glos hält dagegen:

    "Ich möchte vor allem, dass die Steuern für die unteren und mittleren Einkommen gesenkt werden, damit es wieder mehr Kaufkraft gibt. Also Lohnsteuersenkungen würden sofort helfen. Die kann man natürlich einarbeiten in die Lohnsteuertabelle. Und das kann schon ab erstem Januar, wenn man will, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugute kommen."

    Dieser Sichtweise stimmen der Wirtschaftsflügel der Unionsparteien und die liberale FDP-Opposition zu.

    Innerhalb der Großen Koalition ist diese Sicht nicht mehrheitsfähig. Denn nicht nur bei den Sozialdemokraten, auch in der CDU stoßen die Steuersenkungsvorstellungen des Wirtschaftsministers auf Widerstand.

    Unklar ist auch, ob eine weitere der Kernforderungen des Wirtschaftsministers durchgesetzt werden kann. Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sollen von der Steuer abgesetzt werden können - eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes, die bis spätestens 2010 ohnehin erfüllt werden müsste.

    Glos möchte das jetzt schon auf 2009 vorziehen, was die Bürger um rund neun Milliarden Euro entlasten würde. Doch hier winkt die SPD ab, denn das Geld käme viel zu spät beim Bürger an. Volker Kauder, Fraktionsvorsitzender von CDU/CSU reagiert skeptisch.

    " Der Haushalt darf nicht außer Rand und Band geraten. Deswegen sehe ich an diesem Punkt schon Probleme. Man kann es, sagen die Fachleute, so lösen, dass es unmittelbar wirkt. Aber wie gesagt, wir dürfen jetzt nicht große Entlastungsprogramme, Steuerprogramme versprechen, die nachher im Haushalt nicht zu sanieren sind. Wir werden es prüfen, entschieden ist in dieser Frage noch nichts."

    Wenn die Wähler selbst entscheiden könnten, wäre die Antwort klar: In einer aktuellen Emnid-Studie plädierten 76 Prozent für eine Senkung der Steuern und Abgaben, und nur 15 Prozent sprachen sich für ein staatliches Konjunkturprogramm aus. Doch Schwarz-Rot in Berlin hat andere Pläne.

    Man setzt dort vor allem auf Maßnahmen, die schnell wirken, ohne den Haushaltrahmen zu sprengen. Ziemlich sicher scheint die Einigung auf eine Veränderung der KfZ-Steuer zu sein. Sie wird bisher nach dem Hubraum des Fahrzeugs berechnet und soll sich künftig am CO2-Ausstoß orientieren. Gedacht wird auch daran, dass für besonders saubere und damit umweltfreundliche Autos zwei Jahre lang überhaupt keine Kfz-Steuer anfallen soll. Die Steuerausfälle werden für 2009 auf zwei Milliarden Euro geschätzt.

    "Da geht es darum, dass wir vor allen Dingen die Kraftfahrzeugsteuer endlich so neu regeln, dass wieder Kaufanreize für neue Autos bestehen, und eines der ganz großen Sorgenkinder der gegenwärtigen Konjunkturlage ist ja die Autoindustrie, und davon hängt in Deutschland jeder sechste, manche sagen jeder siebte Arbeitsplatz ab."

    Das Projekt steht schon im Koalitionsvertrag der Großen Koalition aus dem Jahr 2005. Doch seither ist nicht viel geschehen. Bund und Länder haben sich bisher nur darauf einigen können, dass künftig nicht mehr die Länder, sondern der Bund die Kfz-Steuereinnahmen bekommen soll. Die Länder sollen mit anderen Steuereinnahmen entschädigt werden.

    Wie genau dieser Tausch aussehen soll - das ist noch nicht ausgemacht. Doch für den rheinland-pfälzischen Finanzminister Ingolf Deubel steht fest, dass der Bund eine angemessene Ausgleichszahlung leisten muss. Und zwar mehr als die gegenwärtig knapp neun Milliarden Euro.

    "Es geht nur um die Frage, ob dieser Betrag auf ewig konstant bleibt oder eine gewisse Dynamisierung erfordert, so wie die Länder das sehen. Das ist der einzige Streitpunkt. Wir könnten das im Dezember noch in Bundestag und Bundesrat regeln."

    Darauf hofft die Autoindustrie. Denn für die von einer Absatzflaute gezeichnete Branche könnte das wie ein kleines Konjunkturprogramm wirken. Kein Wunder, dass der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, Mattias Wissmann, erfreut reagiert. Er verspricht sich viel davon.

    "Dann würden Altfahrzeuge verschrottet, Neufahrzeuge verkauft. Es wäre gut für die Umwelt, und es wäre gleichzeitig gut für die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie."

    Die Autobauer rechnen also mit einem erheblichen Absatzplus, doch Experten sind da skeptischer, ob die Kfz-Steuer vom Volumen her überhaupt groß genug ist, um irgendeinen Effekt für die Konjunktur zu erzielen. Kritiker bemängeln zudem, dass vor allem ausländische Hersteller, deren Autos sparsamer und billiger sind als die deutschen, profitieren würden. Diese Befürchtung teilt auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck. Die Frage sei ...

    "Wie schnell ist die deutsche Automobilindustrie überhaupt in der Lage, solche Autos zu bauen, die die Norm einhalten. Da habe ich schon die Sorge, dass das eher ausländischen Autoverkäufern zugute kommt als inländischen."

    Eine steuerliche Privilegierung der Autoindustrie dürfte Forderungen der anderen Branchen nach sich ziehen. Schon plädierte der Einzelhandel für eine Entlastung der Privathaushalte, damit deren Kauflaune stimuliert wird. Experten werfen der Autoindustrie zudem vor, an der Misere zum Großteil selbst Schuld zu sein.

    Zwar werde die Absatzflaute von der Finanzkrise beschleunigt, keine Frage sei, dass die Turbulenzen die Verbraucher verunsichern und vom Kauf abhalten. Aber: Das alleine erkläre das Problem nicht, sagt der Konjunkturexperte des DIW, Christian Dreger.

    "Was die Automobilindustrie angeht muss man ja sagen, dass die nicht erst aktuell in die Krise gekommen ist. Das sind ja Entwicklungen, die jetzt die schwierige Lage begründen, die aber schon seit längerer Zeit im Gange sind. Dazu gehört also beispielsweise die Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar, auch gegenüber dem Yen. Das hat natürlich Kostennachteile gegenüber japanischen Herstellern beispielsweise gebracht. Dann sind seit 2002 die ansteigenden Energiepreise gewesen, die ansteigenden Rohstoffpreise ganz allgemein. Die Stahlpreise sind sehr stark gestiegen. Das ist ein gewichtiger Input-Faktor für die Automobilindustrie. Damit sind dann natürlich auch die Kosten gestiegen. Dann hat man sich vielleicht im Management falsch positioniert, man hätte halt noch stärker als man es getan hat auf energieeffizientere Fahrzeuge beispielsweise setzen sollen."

    Und was sind die weiteren Maßnahmen, die von der Berliner Regierung erwogen werden?

    Zum Beispiel soll eine Milliarde Euro ausgegeben werden für den Autobahnneubau und neue Eisenbahntrassen.

    Auch soll das Gebäudesanierungsprogramm ausgebaut werden. Das Programm gibt es schon seit 2001, seitdem wurde es mehrfach erweitert und verbessert. Angesichts des großen Energiesparpotenzials im Gebäudebereich soll hier zum Zwecke von Heizungsmodernisierung oder Wärmedämmung noch einmal nachgelegt werden. Mit dem Geld aus dem Gebäudesanierungsprogramm werden Darlehen der KfW-Bankengruppe verbilligt und zum Teil auch Zuschüsse gewährt.

    Die Erwartung der Bundesregierung: vermehrte Arbeitsplätze und außerdem nutze es dem Klima.

    Eine Argumentation, der auch die beiden rot-schwarzen Fraktionsvorsitzenden Struck und Kauder etwas abgewinnen können - trotz angespannter Haushaltslage.

    "In der jetzigen Konjunktursituation würde ich schon dafür plädieren, dass im Bereich Infrastruktur oder im Bereich Gebäudesanierung wir mehr machen als bisher geplant."

    "Man muss eines sehen, das Gebäudesanierungsprogramm ist ein echter Renner geworden. Und wenn man es einmal abrechnet, wird man sehen, dass da unwahrscheinlich viel Geld wieder in die Kasse gekommen ist. Denn wir geben einen Kredit, einen kleinen Zuschuss. Und dann haben wir ein riesiges Programm entwickelt, das ein Vielfaches von dem wieder in Gang setzt, was wir anreizen, da kommen Steuergelder herein. Das ist ein echt gutes Programm, das sollten wir machen. Beim Straßenbau geht es auch darum, Wirtschaftsstruktur zu erhalten, ist auch richtig. Also diese Maßnahmen, die übrigens kein Konjunkturprogramm, sondern notwendige Investitionen des Bundes sind, die sollten wir dringend durchführen."

    Im Köcher zur Konjunkturbelebung außerdem: die Kreditanstalt für Wiederaufbau soll verstärkt Kredite an den Mittelstand ausschütten. Der Wirtschaftsforscher Holger Schäfer hält von all diesen Maßnahmen wenig.

    "Ich würde mir wünschen, dass die Politik eigentlich nicht nur zu Weihnachten, sondern schon viel länger sich eigentlich wieder rückbesinnt auf das, was sie richtig gemacht hat, was sie vor einigen Jahren richtig gemacht hat, als sie die Agenda 2010 angepackt hat, als sie gesagt hat, ja unser Land braucht Reformen. Da sind wir den richtigen Weg eingeschlagen, da sind wir ein wenig von abgekommen in letzten Zeit. Vielleicht auch, weil sich die Entwicklung konjunkturell so gut dargestellt hat. Jetzt schlägt das Pendel wieder um. Ich würde mir wünschen, dass wir auf dem Reformpfad bleiben, auch wenn die Lage gut ist, nicht nur, wenn die Probleme überhand nehmen."
    Wie sich die Bundesregierung der Wirtschaftsflaute entgegenstemmen wird und welche Einzelmaßnahmen konkret beschlossen werden, darüber entscheidet das Kabinett am kommenden Mittwoch. Das genaue Finanzvolumen wird dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck zufolge genau berechnet - es könnte in den nächsten beiden Jahren 20 bis 25 Milliarden Euro betragen. Doch entschieden wird erst nach der Steuerschätzung. Denn erst dann ist klar, wie viel Geld überhaupt zur Verfügung steht.