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Mit der Kraft des Windes

Schifffahrt. Jedes Jahr verbraucht die Handelsschifffahrt 130 Millionen Tonnen Treibstoff. Doch der Ölpreis steigt und steigt - und das macht den Wind wieder interessant für die Seefahrt. Doch nicht das gute alte Segel soll es richten, sondern ein Zugdrachen.

Von Frank Grotelüschen |
    Die "MS Stadt Kiel" fährt auf die Kieler Förde hinaus - ein altes Museumsschiff, an Bord lauter neugierige Journalisten. Als sie die offene See erreicht, steuern sie auf ein anderes Schiff zu - die "MS Beaufort", ein ehemaliger Tonnenleger, 55 Meter lang und 800 Tonnen schwer. Noch dümpelt die Beaufort träge vor sich hin. Dann erkennt man an ihrem Bug einen ausgefahrenen Teleskopkran. Direkt an seiner Spitze hängt ein Drachen, etwa zwölf Meter breit und sieben Meter lang. Stefan Wrage, der Geschäftsführer von SkySails, greift zum Megaphon.

    "Wir sind natürlich sehr angespannt und ein Stück weit aufgeregt. Denn wir haben fünfeinhalb Jahre auf diesen Tag zugearbeitet. Es ist die erste öffentliche Vorführung des Systems in Originalgröße. Das ist kein alltäglicher Tag für uns."

    Dann kommt das Startsignal. Drüben auf der "Beaufort" drückt der Kapitän auf einen Knopf, und vorne am Mast tut sich was. Die Motorwinde spult ab, das Seil mit dem Lenkdrachen wird länger und länger. Stefan Wrage ist erleichtert:

    "Sie sehen, dass das Segel jetzt langsam an Höhe gewinnt. Es wird ausgewinscht."

    Die Winde stoppt erst, als der Drachen 150 Meter hoch über dem Schiff fliegt. Dort oben weht mehr Wind als unten. Und deshalb, so die Erfinder, sei ihr Zugdrachen viel leistungsfähiger als gewöhnliches Segel.

    Wir fahren noch näher ran, und knapp unter dem Drachen ist eine knallrote Box zu erkennen. Es ist die Steuergondel, das elektronische Herz von SkySails.

    "In der Steuergondel sind Sensoren: Trägheitsnavigation, GPS-Systeme. Auch Motoren, die das Segel entsprechend einstellen und damit lenken, und natürlich ein Autopilot-Computer, der die ganzen Informationen verarbeitet und die ganzen Motoren steuert. Es ist eine weltweit einzigartige Technologie und letztlich das Kernstück des Systems."

    Jeder Hobbydrachensteiger weiß, wie schnell sein Fluggerät zu Boden kracht, wenn er es ungeschickt lenkt. Würde ein SkySails-Drachen abstürzen, wäre er verloren. Er würde sich mit Wasser füllen und wäre viel zu schwer zum Herausheben. Genau das soll die Steuergondel verhindern. Sie kann kräftige Böen ausgleichen. Und setzt unvermittelt eine Flaute ein, registriert ein Sensor, dass das Seil plötzlich nachlässt. Dann holt die Motorwinde den Drachen schnell ein, und diese Einholgeschwindigkeit reicht aus, um den Schirm zu stabilisieren und vor dem Absturz zu bewahren.

    Jetzt kommt ein wenig mehr Wind auf. Leise hört man den Drachen durch die Lüfte sirren. Er steht nicht still am Himmel, sondern fliegt Schlangenlinien. Das sorgt für eine Art Tragflächeneffekt und nutzt den Wind besser aus. Bei einem der Tests hatte der Drachen das Schiff immerhin auf eine Geschwindigkeit von fünf Knoten gebracht, gute zehn Stundenkilometer. Zehn Prozent Treibstoff soll SkySails einmal sparen, auf windreichen Strecken sogar bis zu 30 Prozent.

    "Das System ist von der Funktionalität voll entwickelt. Wir haben auch bewiesen, dass man es vergrößern kann, dass es für große Frachtschiffe geeignet ist. Wir müssen jetzt im nächsten Jahr Praxiserfahrungen sammeln. Dafür werden wir drei bis vier Pilotschiffe ausrüsten und sehr viel Testzeit, viele Stunden das System betreiben, um die Zuverlässigkeit zu bekommen, die wir für unsere Serienreife Anfang 2008 brauchen."

    Auf der "Beaufort" hat der Drachen seinen Dienst getan. Die Winde spult ihn zurück an Bord und klinkt ihn am Kran ein. Dann wird er gerefft und verstaut. Die Präsentation ist gelungen, Stephan Wrage ist bester Dinge. Denn drei seiner System hat er bereits verkauft - für einen Frachter, ein kleines Containerschiff und eine Superyacht. Und nun peilt er ein neues Ziel an: die Fischtrawler.

    "Es sind sehr gut geeignete Schiffe, denn sie fahren in Gebieten, wo viel Wind ist. Sie haben extrem hohe Treibstoffkosten, weil sie schwere Netze schleppen müssen. Hier können wir pro Jahr zwischen 300.000 und 600.000 Euro sparen. Wir wollen deshalb nächstes Jahr auch ein System auf einen Fischtrawler setzen und testen."