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Mit der Metro durch die Welt

In Paris befindet sich das größte asiatische Viertel Europas als Teil der multikulturellen, kosmopolitischen Seine-Metropole. Mehr noch: Ein Metroticket genügt, und Sie können die ganze Welt bereisen.

Von Martina Zimmermann |
    Chinesische Fluo-Schriftzeichen und rote Lampions schmücken das Restaurant, aber nicht einmal der Kellner entspricht dem Klischee vom lächelnden Chinesen mit einem langen Haar am Kinn. Die Asiaten haben einen flotten Haarschnitt und sprechen Pariser Jargon. Die Gäste sind schön, elegant, erfolgreich. Paare legen perfekte Tänze aufs Parkett. Nur bei manchen Melodien stellen sich alle im Kreis auf und tanzen eine asiatische Choreografie:

    Das ist ein traditioneller Tanz, sie stehen hintereinander, bilden einen Kreis und drehen sich dann mit den sinnlichen Gesten dieses Tanzes aus Kambodscha. Khean Tang singt jedes Wochenende in dem bekannten Restaurant "La Chine Masséna" Hits aus aller Welt, in drei chinesischen Sprachen, auf Englisch, Französisch, Thailändisch, Spanisch. Und auf alle Tanzrhythmen.

    Inmitten der größten Chinatown Europas im 13. Pariser Arrondissement leben 40.000 Asiaten. In ganz Frankreich sind es eine Million. Die meisten flüchteten in den 70er-Jahren als Boatpeople aus Südostasien, ihre Kinder sind in Frankreich geboren. Kheans Eltern flohen Anfang der 70er-Jahre vor dem Pol-Pot-Regime aus Kambodscha. Kheans Hobby ist die Musik, im Berufsleben ist er Informatiker.

    "Schon als ich jung war, lebte ich eine Mischung der Kulturen. Ich kenne die Traditionen meiner Eltern, aber mit meiner Arbeit als Informatiker integriere ich mich in die französische Gesellschaft. Ich nehme das Beste von beiden Kulturen. Ich kenne zum Glück beide und habe daher einen größeren Horizont."

    Zur chinesischen Tradition gehören der Respekt vor den Älteren und der Buddhismus, den Khean eher als Philosophie denn als Religion betreibt. Ein Tempel befindet sich im Erdgeschoss eines der 30 Stockwerke hohen Hochhaustürme des asiatischen Dreiecks zwischen Avenue de Choisy, Avenue d´Italie und Boulevard Massena. Auf dem großen Altar sitzen drei goldene Buddhas, zu beiden Seiten stehen asiatische Gottheiten in einer Reihe. Menschen knien auf Kissen zum Gebet nieder, verbeugen sich mit Räucherstäbchen in der Hand. Hier wird auch eine Art göttliche Wahrsagung betrieben. Der französische Buddhismusexperte Michel Banassat erklärt, wie das funktioniert:

    "Man stellt eine Frage, nähert sich dem Altar mit den Holzstäbchen. Dann kniet man nieder, betet. Man bewegt den Behälter und darf nur ein Stäbchen herausfallen lassen. Die Nummer des Holzstäbchens entspricht einer Wahrsagung, die man auf einem Zettel mit derselben Nummer an der Wand entnimmt."

    Plattengeschäfte, Reisebüros, Metzger, Kneipen, Juweliere, Friseure, Supermärkte: In den Einkaufszentren in Chinatown gibt es alles, was der Asiate braucht. Aber auch Afrikaner und Europäer kommen aus ganz Paris hierher, zum Einkaufen, zum Essen oder um sich den Drachenumzug zum chinesischen Neujahr anzusehen.

    Am Neujahrabend wird auch auf französische Musette getanzt.

    Mit einem Metroticket kann man in Paris die ganze Welt besuchen! Kaum eine halbe Stunde entfernt von Chinatown ist der Stadtteil Barbès, auch "Afrika an der Seine" genannt. Barbès ist in Kinshasa, Conakry, Abidjan, Dakar, aber auch in Algier und bis nach Pakistan so bekannt wie der Eiffelturm! Der Musiker Kamel vom "Orchestre National de Barbès":

    "Es gibt keine einzige Einwandererfamilie, die Barbès nicht kennt. Egal, wo sie wohnen: In Barbès fühlen sich alle zu Hause. Barbès ist eine Metrostation, aber Barbès ist auch in unseren Köpfen. Warum? Die Einwanderer haben wenig Geld, und auf dem Markt von Barbès kannst du deine Tasche für wenig Geld füllen. Dafür kommen die Leute von weit her! Außerdem findest du Produkte, die du woanders höchstens als exotische Luxusprodukte bekommst."

    Auf dem Markt von Chateau-Rouge in Barbès gibt es senegalesischen Thioff-Fisch, Süßkartoffeln, Kochbananen, Couscous, Zitronengras, Papaya, frische Feigen... Hier kaufen alle ein, die exotische Zutaten brauchen: Afrikanerinnen in bunten Röcken, die ihre Babys auf den Rücken gebunden haben. Afrikaner im traditionellen Gewand. Europäisch gekleidete Schwarze. Maghrebiner, Europäer, Asiaten. Die dunkelhäutigen Gesichter überwiegen.

    "Wie schwer sind die Ketten, die der Meister dem Neger um den Fuß legt. Schwere Ketten an der Hand! Mögen alle Fesseln der Welt fallen! Der Schrei, der in meiner Kehle brennt, wenn ich mein Leid herausschreie ..."

    "Negritudes" heißt die One-Man-Show mit Gedichten afroamerikanischer, karibischer und afrikanischer Autoren, die der aus Senegal stammende Schauspieler Amadou Gaye in den Theatern von Barbès aufführt. Wegen des anhaltenden Erfolgs wird die Show seit Monaten immer wieder verlängert:

    "Diese Gedichte haben mir schon immer gefallen, aber nicht die Art, wie sie aufgesagt wurden: im Ton der Academie Française oder aber mit einem Klavier als Begleitung. Das passte nicht dazu. Eines Tages sagte ich mir, du bist Schauspieler, such selbst die richtige Art. Ich musste in den tiefsten Ecken meiner eigenen Seele suchen, um diese Worte zu verkörpern. Das hat das Publikum vielleicht verstanden, denn mir macht es Spaß und dem Publikum auch. Ich bin gerne auf der Bühne, ich atme, spüre, fühle diese Worte."

    "Ich erinnere mich an einen Tag im November. Mein Sohn war keine sechs Monate alt und der Meister kam in die Hütte, näherte sich der Wiege des Babys und berührte seine kleinen muskulösen Glieder. Das war ein sehr guter Meister. Er berührte das Kind zärtlich, seine blauen Augen lachten und sein Mund neckte: Du wirst ein gutes Stück werden, sagte er. Und noch etwas Nettes: dass man sehr bald damit anfangen müsse, einen guten Sklaven und einen guten Christen aus ihm zu machen, einen guten Untertan. Dieser Mann spekulierte an der Wiege meines Sohnes ..."

    Der Schmelztiegel Barbès liegt im Trend. Das Viertel ist ein echtes Dorf, mit zahlreichen Vereinen und Organisationen, einer Kirche, zwei Moscheen, drei buddhistischen Tempeln und einer Synagoge. Neuerdings gibt es auch ein Mode-Zenrum, ein literarisches Café, das Chansonzentrum Barbara. Hervé Breuil ist der Direktor eines Theaters und des Konzertsaals im Keller der Kneipe "Olympic Café". Der jüdische Franzose meint:

    "Im 18. Arrondissement leben über 190.000 Einwohner, ein Viertel davon in Barbès. In der sich verändernden Gesellschaft verliert der Staat an Macht. Die Globalisierung ist im Gange. Heute muss man mit seinen Nachbarn arbeiten können, die aus der ganzen Welt gekommen sind! Barbès ist ein richtiges soziales Labor."

    Das Kulturzentrum Saraba leitet der Senegalese Nago Seck mit seiner französischen Ehefrau Sylvie:

    "Unsere Bühne ist offen für junge Rapper oder Slam-Poeten oder Künstler aus dem Viertel, aber wir bringen gleichzeitig Kultur von außen rein, aus Afrika, dem Indischen Ozean, der Karibik, von der afrikanischen Diaspora."

    Das "Afrika an der Seine" ist kosmopolitisch. Hier treffen sich alle, die sich für schwarze Kultur interessieren:

    "Eines Tages kam zu uns ein japanischer Tourist, der auf Weltreise war. Er kam jeden Abend, es gefiel ihm hier sehr. Wir erzählten ihm von einer Freundin, einer Journalistin, die in Kobe in Japan wohnt. Als er nach Japan zurückkehrte, setzte er sich mit ihr in Verbindung. Sie ist auch selbst schon bei uns gewesen, und auch der Direktor einer japanischen Autofirma in Dakar! Gemeinsam haben sie einen Blog geschaffen von Japanern, die in Saraba zu Gast waren."

    Seine Markenzeichen sind das Saxofon, die getönte Sonnenbrille und sein tiefes, unverkennbares Lachen. Manu Dibango trifft man in Paris nicht nur, wenn er selbst Konzerte gibt: Auch mit über 75 ist er ein gern gesehener Gast in zahlreichen Restaurants und Jazzklubs. Obwohl er weltberühmt ist, grüßt er weniger bekannte Musikerkollegen genauso herzlich wie den Barmann:

    "Das Leben ist ein Austausch, ein Geben und Nehmen. Ich repräsentiere schließlich einen Kompromiss zwischen Afrika und Europa. Soul Makossa ist afro-europäisch."

    Schwarze Rhythmen hört man nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Pariser Boulevards: Amerikanische Jazzmusiker, die in ihrer Heimat wegen der Rassentrennung in schmuddeligen Schuppen auftreten, werden in den Klubs in Saint-Germain-des-Prés wie Götter behandelt. In den 50er-Jahren tanzen die Pariser auf sogenanntern Bals nègres zu Tönen aus der Karibik. Es dauert eine Weile, bis den Afrikanern in Paris Gleichberechtigung erfuhr: Manu Dibangos Hit "Soul Makossa" verkauft sich 1972 millionenfach in den USA, erst danach auch in Frankreich. Ab den 80er-Jahren wachsen Afrikaner, Antillenfranzosen und schwarze Amerikaner in Paris zu einer "schwarzen" Kultur-Szene zusammen. Die aus Kamerun stammende Schriftstellerin Calixthe Beyala gehört dazu, ihre Werke wurden auch auf Deutsch übersetzt.

    "Man hat den Schwarzen lange Zeit Glauben gemacht, dass sie ewig Einwanderer seien. Man sprach zum Beispiel von einem Malier, obwohl der Schwarze zur zweiten oder dritten Generation gehört und nichts mehr mit Afrika zu tun hat. Das sind kleine Franzosen mit schwarzer Hautfarbe! Wir sind uns dessen bewusst geworden, dass wir Franzosen sind! Nun merken die Weißen, dass es schwarze Franzosen gibt."

    "Die meisten meiner Kumpels waren da, einige standen wie ich auf der Terrasse, andere lehnten an der Bar, ein Auge im Glas, das andere auf die Straße gerichtet. Ich sehe ihre Gesichter noch vor mir, als wäre es gestern gewesen. Roger-der-Franko-Ivorer, der alle Bücher der Welt gelesen hat, war auch da. Yves-der-Ivorer schlechthin war da und verkündete laut, er sei nur nach Frankreich gekommen, um die Französinnen für die Kolonialschulden zur Kasse zu bitten, und er werde dies mit allen nötigen Mitteln durchsetzen. Vladimir-der-Kameruner war da, der die längsten Zigarren von ganz Frankreich und Navarra raucht. Paul-aus-Großkongo war da, der sich mit Parfums begießt, die es auf dem Weltmarkt noch nicht gibt ... Sie klopften ihre Sprüche ... unter dem verständigen Blick von Jeannot, dem Wirt, und dem Barmann Willy, er uns eine teuflische Mucke aus irgendeinem verreckten Viertel Abidjans, Dakars, Doualas oder Brazzavilles auflegte."

    Schwarze Kultur und Identität sind in Frankreich zu wichtigen Themen geworden, die sich in der künstlerischen Kreation niederschlagen. Der Roman "Black Bazar" von Alain Mabanckou erzählt voller Humor die Pariser Szene. Er ist soeben auf Deutsch erschienen, bei Liebeskind. Der mit zahlreichen Preisen ausgestattete Schriftsteller stammt aus dem Kongo; Alain Mabanckou lebte 17 Jahre lang in Paris.

    "Black Bazar ist eine Promenade in der Pariser Kapitale, mit ein paar Erinnerungen an Afrika. ... Liebesgeschichten. Probleme unter Communities. Probleme der Identität. All das findet man manchmal am Ende eines Metrotickets. Meine Faszination für Paris ist kultureller Art. Die Stadt ist voller Überraschungen, voller Monumente, voller Lust und voller Begegnungen. Es ist die Stadt der Schriftsteller, es ist eine Stadt mit Savoir vivre."

    Auch Generationen algerischer Künstler fanden in Paris eine zweite Heimat, zum Beispiel die französischsprachigen Schriftsteller Mohamed Dib oder Assia Djebar. Der arabofone Dramaturg und Romanautor Mohamed Kacimi kam 1981 nach Paris.

    "Ich konnte nicht nach Kairo oder Damaskus. In der arabischen Welt gibt es leider sehr wenig Orte, wo das Verlagswesen frei ist und wo es keine Zensur gibt. Wo man alles sagen kann. Es blieb also dieses andere Land, Frankreich, ein Spiegel und ein Double, das gleichzeitig die Lossagung von Algerien bedeutet. Frankreich und die französische Sprache waren mein Asyl."

    Mohamed Kacimi ist mit Arabisch aufgewachsen, aber er schreibt auf Französisch:

    "Ich komme aus einer sehr religiösen Familie, die zum religiösen Adel gehört, Wächter der Dogmen und des Koran. Französisch gibt mir die Freiheit eines sprachlichen Asyls. Es gab mir fast einen Abstand im Brecht'schen Sinne, von mir selbst, von der Geschichte, der Religion, die auf unserer Kultur lastet: In einer anderen Sprache schreiben!"

    Kateb Yacine bezeichnete die französische Sprache als "Kriegsbeute" nach Kolonialherrschaft und Befreiungskrieg. Als er seinen Meisterroman "Nejma" dem Pariser Verleger Seuil vorlegte, sagte der allerdings: "Sie haben schöne Hammel in Algerien, warum schreiben Sie nicht darüber?" Auch Mohamed Kacimis erste Manuskripte wurden abgeschieden mit der Begründung, in seinen Romanen sei zu wenig Wüste!

    "Wir sind nicht die Gewürze der französischen Literatur, weder Harissa noch Curry oder Tandoori."

    Inzwischen werden Kacimis Werke in der Comédie Française und im Théâtre du Soleil von Ariane Mnouchekine aufgeführt.

    "Der Eiffelturm ist für die Touristen. Aber das wahre Paris, wie es leibt und lebt, ist Ménilmontant. Hier passiert was, nicht am Montmartre, nicht am Eiffelturm. Hier vermischen sich alle Kulturen und Rassen."

    So der Regisseur Mathieu Kassovitz über Ménilmontant. Der berühmte Schauspieler Vincent Kassel besitzt in einer kleinen Gasse des Viertels eine Wohnung.

    "Als ich hier ankam, hatte ich das Gefühl, nicht in Paris zu sein. Das gefiel mir, die marokkanische oder tunesische Kneipe, Griechen, Chinesen, es ist sehr kosmopolitisch. Und gleichzeitig ist es ein echtes französisches Viertel."

    Dieses Einwandererviertel im Nordosten wurde 1860 nach Paris eingemeindet. Alternativ-Sightseeing im 20. Arrondissement mit Samuel:

    "In diesem Viertel lebt das kleine Volk, viele Arbeiter, viele Handwerker, viele Leute aus anderen Ländern. Hier waren die Ganoven zu Hause, es gab zahlreiche Kneipen, in denen die Leute Wein tranken. Die Kneipen hießen im 19. Jahrhundert Gartenwirtschaften, und der Wein wurde auf den Hügeln weiter oben produziert. Die Leute kamen aus Paris in diese Viertel, um sich auszutoben. Wein zu trinken, zu feiern; es war ein bisschen billiger, weil es außerhalb von Paris war."

    Und schon sind wir mittendrin in der Geschichte der Viertel Belleville und Ménilmontant, weitab von Sonnenkönigen und Elyseepalästen. Hier leben Asiaten, Juden, Nordafrikaner, Polen, Inder ... Kontraste auch in der Architektur: Auf der linken Seite der Rue de Belleville verschandelt eine Beton-Siedlung aus den 60er-Jahren die Landschaft, die kleinen Häuser auf der rechten Seite retteten die Bürger vor Immobilienspekulanten. Die Eingangstüren verbergen hübsche Innenhöfe und zahlreiche Künstlerateliers. Samuel zeigt auf ein Theater mit asiatischen Überdächern, chinesischen Lampions und Schriftzügen.

    "Hier war das ehemalige Theater von Belleville. Es blieb eine Zeit lang verlassen und ungenutzt, und vor einiger Zeit haben Chinesen daraus ein Restaurant, einen Supermarkt und einen Basar gemacht. Das schafft wirtschaftliche Aktivitäten und Arbeitsplätze, und nicht nur Asiaten kommen zum Einkaufen."

    In der Straße Julien Lacroix steht eine evangelische und eine orthodoxe Kirche, eine Synagoge und eine Moschee: in einer einzigen Straße! Die ashkenazischen Juden aus Osteuropa lebten hier seit der Hälfte des 19. Jahrhunderts. Während des Zweiten Weltkriegs fanden Razzien statt; die, die die Deportation überlebten, kehrten nach Belleville zurück.
    Heute zeugen Plakate und Transparenten gegen "Razzien auf illegale Einwanderer" vom Bürgerprotest gegen die Politik von Präsident Sarkozy.

    Zum Abschluss der alternativen Führung gibt es Minztee in einer Teestube, die mit Mosaiken und hübschen Mustern gekachelt ist. Die Touristen machen es sich auf den Kissen des Diwans bequem:

    "Das war sehr interessant. Wenn du nicht Leute von hier kennst, lernst du solche Sachen normalerweise nicht kennen."

    "Ich wollte mal den Pariser Alltag kennen lernen. Die historischen Monumente sind meist die Geschichte der Reichen, nicht die der Armen."

    "Der Villettepark ist ein Ort der künstlerischen Wachsamkeit. Wir mögen, was gerade erst entsteht, was außerhalb des etablierten Zentrums aufkommt. Wir helfen neuen Bewegungen, im Theater, der Choreografie im Hip-Hop. Wir sind wach für neue Kreationen, deshalb findet hier so Unterschiedliches statt. Wir sind offen für alle Ambitionen der Künstler."

    Jacques Martial ist der Präsident von "La Villette". Der hohe Funktionär ist von Beruf Schauspieler. Er erlangte in Frankreich Berühmtheit als erster schwarzer Fernsehkommissar. Heute "herrscht" er über den 55 Hektar großen Kulturpark im Nordosten der französischen Metropole, der im Jahr fast zehn Millionen Besucher anzieht; Jung und Alt, Arm und Reich, Menschen aller Hautfarben und Herkunft. Auch um den großen Brunnen mit den Löwen findet der Dialog der Kulturen statt. 1974 wurde im damaligen Schlachthof das letzte Tier getötet; ab 1984 wurde der Kulturpark ausgebaut, die Konzerthalle Zenith, das Wissenschaftsmuseum, ein Theater, die sogenannte Große Halle. 1997 wurde das Musikmuseum eingeweiht. In diesem Park der besonderen Art finden Konzerte statt, Ausstellungen, Kulturereignisse. Zeitgenössische Musik, Zirkus, Tanz und im Sommer Filmvorführungen im Open-Air-Kino ... Auch wenn die Familien auf dem Rasen picknicken, junge Leute Fußball spielen: Der Villettepark ist ein Kulturpark, erklärt Präsident Jacques Martial:

    "Als die Fußballer dachten, der Park sei ein riesiges Fußballfeld, störten sie die anderen. Damit gehen wir um, wir machen den Leuten bewusst, dass sie bestimmte Regeln achten müssen. Das vermittelt unser Sicherheitsdienst. Hier lernt man auf spielerische Art und Weise, zusammenzuleben."

    Paris besteht aus vielen Dörfern, heißt es immer wieder. Doch eigentlich ist Paris ein global village, ein globalisiertes Dorf, in dem die ganze Welt zu Hause ist. Seit Juni 2006 gibt auch einen höchst offiziellen Ort, der die Vermischung der Kulturen feiert: Das Branly-Museum neben dem Eiffelturm wurde mit einer Zeremonie der australischen Aborigines eingeweiht. Um den Koloss von Architekt Jean Nouvel, der die Hauptgalerie auf Stelzen baute, ranken sich dekorativ exotische Pflanzen; Gärten laden zum Verweilen ein. Die Schätze im französischen nationalen Museum stammen von allen Kontinenten. Masken, Kostüme, Musikinstrumenten sind nicht – wie sonst in Europa üblich – nach ethnologischen Gesichtspunkten ausgestellt, sondern es werden die künstlerischen Eigenschaften der Ausstellungsstücke betont. Antike Schätze stehen neben zeitgenössischen Kunstausstellungen. Der Präsident des Museums, Stephane Martin, erklärt voller Stolz:

    "Wir sind ein Ort der Begegnung zwischen der westlichen Welt und dem Rest des Universums. Das ist ein Ort für Bürger der Welt, ein Museum, in dem der Dialog der Kulturen stattfindet."