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Mit der Schule geht der Stress erst richtig los

Der erste Schultag: Erwartungsvoll sitzen die Sechsjährigen auf ihren Stühlchen: endlich Lesen, Schreiben, Rechnen lernen wie die Großen.

Martina Sabra | 20.09.2000
    Die Eltern freuen sich mit. Doch gleichzeitig ist so mancher Mutter nicht traumhaft zumute. Denn fast die Hälfte aller Mütter von Grundschulkindern in Deutschland gehen arbeiten: weil sie es wollen, oder weil sie es aus finanziellen Gründen müssen. Sie stehen nun vor der bangen Frage: wohin mit dem Kind vor und nach der Schule? Im Kindergarten hatte man sich an verlässliche Betreuungszeiten gewöhnt. In der Schule dagegen ist mal um elf Schluss, mal um zwölf, mal beginnt der Schultag um acht, mal um halb neun. Und: die Schule macht nicht drei Wochen, sondern drei Monate im Jahr zu.

    Eine Situation, die besonders Eltern in Westdeutschland betrifft. In der ehemaligen DDR waren ganztägig geöffnete Schulhorte die Norm. Das großzügige Betreuungsangebot für Schulkinder in Ostdeutschland ist seit dem Ende der DDR zwar empfindlich reduziert worden. Doch gemessen an der Zahl der berufstätigen Mütter ist der Bedarf immer noch weitgehend gedeckt. Zwölf von zwanzig Kindern bekommen im Osten einen Hortplatz. Im Westen existieren Hortplätze nur in den Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin in nennenswerter Zahl: vier von zwanzig Kindern kommen hier durchschnittlich im Hort unter. In den übrigen Bundesländern findet nur einer von zwanzig Erstklässlern einen Platz im Hort. Das gilt auch für das bevölkerungsreichste Bundesland, Nordrhein-Westfalen.

    Ute Steffes-Lay: "Ich hab' Jonas in fünf verschiedenen Horteinrichtungen angemeldet, die auch 'ne Betreuung bis 17 Uhr anbieten. Eine Horteinrichtung ist ganz klar an die Montessorischule gebunden, und die anderen Horteinrichtungen hatten so viele Anmeldungen, dass sie erstmal Geschwisterkinder bevorzugt haben. Ich bin leider nicht die einzige alleinerziehende Mutter in Köln, und es gibt so weit ich weiß nen Schlüssel, dass auf einen Hortplatz 38 Anmeldungen kommen."

    Ute Steffes-Lay arbeitet ganztags bei einer Beratungsfirma für berufliche Weiterbildung. Bis vor kurzem konnte ihr Sohn Jonas täglich bis 17 Uhr im Kindergarten bleiben, und er fühlte sich dort sehr wohl. Seit einigen Wochen geht Jonas zur Schule. Einen Hortplatz für Jonas hat Ute Steffes-Lay nicht bekommen, obwohl sie als berufstätige Alleinerziehende Vorrang genießt. Zum Glück werden an Jonas' Schule ein Mittagessen und Betreuung bis in den Nachmittag hinein angeboten. Aber:

    Ute Steffes-Lay: "Also die erste Woche war eine katastrophale Umstellung, weil normalerweise beginne ich um acht Uhr mit meiner Arbeit, aber um viertel nach acht beginnt die Schule. Ich kann ihn ja auch nicht einfach da abgeben, oder morgens um halb acht vor der Schule absetzen und sagen, jetzt sieh mal zu, wie du zurechtkommst, und nachmittags ist es eben ähnlich. Ich müsste bis 16 Uhr eigentlich arbeiten, aber um 16 Uhr muss ich eigentlich meinen Sohn abholen, das ist überhaupt nicht zu schaffen."

    Viele Frauen in Westdeutschland, die Erziehungsurlaub nehmen, rechnen damit, spätestens dann wieder arbeiten gehen zu können, wenn die Kinder zur Schule kommen. Doch selbst ein Teilzeitjob ist mit den üblichen Schulzeiten und Betreuungsangeboten in den alten Bundesländern oft nicht zu machen. Ute Steffes-Lay erlebt den Frust enttäuschter Mütter hautnah mit, denn sie führt Seminare für sogenannte 'Berufsrückkehrerinnen' durch:

    Ute Steffes-Lay: "Wir erstellen ein Raster mit den verschiedenen Tätigkeiten, die die Frauen im einzelnen machen müssen, also auch Fahrtwege, und das ist oft das Aha-Erlebnis, ja Moment, wenn mein Kind um zwölf aus der Schule kommt und allein zum Hort muss, das schaffe ich nicht, weil mein Arbeitsplatz ist am anderen Ende der Stadt, und dann reduzieren viele Frauen schon freiwillig ihre Ganztagsstelle auf ne Halbtagsstelle, Teilzeitstelle. Es bleiben dann mehr oder weniger Arbeitsplätze im Call Center, als Empfangskraft, im Sonnenstudio, 630-Marks-Regelungen übrig, ich finde das ist für ne ausgebildete Frau nicht gerade Crème."

    In den meisten europäischen Nachbarländern haben berufstätige Mütter diese Sorgen nicht. In Frankreich, Benelux, Skandinavien und Spanien ist entweder die Ganztagsschule die Norm, oder es gibt Ganztags-Betreuungsangebote für Schulkinder. In der Europäischen Union existiert die Halbtagsschule als Regelschule nur in Österreich, Griechenland, in einigen Regionen Italiens und - in Deutschland. Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) sieht deshalb enormen Nachholbedarf vor allem für Westdeutschland.

    Christine Bergmann: "In den alten Ländern ist das schon eigentlich n' ganz großes Problem, weil wir noch nicht mal flächendeckend die verlässliche Halbtagsgrundschule haben, geschweige denn eine Ganztagsschule, und da müssen wir natürlich hinkommen, das ist das Thema, das den Familien am meisten unter den Nägeln brennt. Es ist wichtiger als zehn Mark mehr Kindergeld, sag ich mal."

    Die Politiker wissen um das Problem. Alle großen Parteien fordern mittlerweile mehr Betreuungsangebote für Grundschulkinder. Und dies nicht nur, weil immer mehr Mütter berufstätig sein wollen, sondern auch aus pädagogischen Erwägungen, erläutert Rainer Straetz, stellvertretender Leiter des Sozialpädagogischen Instituts in Köln:

    Rainer Straetz: "Leben in der Gruppe hat für Schulkinder noch mal einen ganz anderen Stellenwert als für Kindergartenkinder oder kleinere Kinder. Kinder, gerade auch Einzelkinder, deren Zahl ja steigt, Kinder brauchen Leben in der Gruppe nicht nur im Unterrichtszusammenhang oder in Fünfminutenpausen."

    Auch CDU und CSU, in familienpolitischen Fragen eher konservativ, wollen laut Programm Ganztagsbetreuungsangebote für Grundschulkinder ausbauen bzw. auf die Schulferien ausdehnen. Maria Eichhorn, CSU-Bundestagsabgeordnete und Mitglied des Ausschusses für Jugend und Familie:

    Maria Eichhorn: "Gerade im Hinblick auf die Vereinbarkeit ist es natürlich wichtig, auch diesen Übergang vom Kindergarten zum regelmäßigen Besuch der Grundschule zu schaffen, diese Frage stellt sich vor allem in den ersten Monaten, aber insgesamt in den ersten Jahren der Grundschule, und deswegen gibt es einige Bundesländer, die unter dem Namen "kind- und familiengerechte Grundschule" wie z.B. Bayern mittels der zuständigen Ministerin Monika Holmeyer dafür sorgen wollen, dass Mütter und Väter ohne zusätzliche Belastung gerade auch in den ersten Schuljahren des Kindes Familien- und Erwerbsarbeit miteinander vereinbaren können."

    Klar ist: die Politik muss handeln, Betreuungsangebote für Grundschulkinder sind Mangelware. Doch der Bund hält sich zurück: Der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz , seit 1996 in Kraft, hat viel Geld gekostet. An einen Rechtsanspruch auf Betreuung von Kindern im Schulalter ist zur Zeit nicht zu denken. Ein entsprechender Antrag der PDS an den Bundestag wurde im Frühjahr 2000 schon im Ausschuss für Jugend und Familie abgeschmettert. Einen einklagbaren Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung von null bis zwölf Jahren gibt es derzeit nur in Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Ein Erbe, herübergerettet aus DDR-Zeiten.

    Kinderbetreuung ist in Deutschland Sache der Länder und Kommunen: und die verweisen auf leere Kassen. Klassische Hortplätze müssen per Gesetz relativ hohen pädagogischen Ansprüchen genügen und sind teuer. Sie entstehen zur Zeit praktisch nur noch dort, wo Kindergartenplätze nicht belegt werden, oder aus sozialen Erwägungen. Für die große Masse der Grundschulkinder sucht man dagegen nach möglichst preiswerten Lösungen.

    Die Länder gehen dabei unterschiedliche Wege: In Hamburg und Hessen zum Beispiel werden schrittweise die Unterrichtszeiten an der Grundschule verlängert und vereinheitlicht. Ziel ist die sogenannte "verlässliche Halbtagsgrundschule", wo die Kinder von acht bis zwölf oder von acht bis ein Uhr Unterricht haben. In Hessen müssen bis zum Schuljahr 2003/2004 sämtliche Grundschulen feste Öffnungszeiten anbieten.

    Anders in Nordrhein-Westfalen: hier wurden in den letzten Jahren nicht die Unterrichtszeiten verlängert, sondern Betreuungsangebote um die Unterrichtszeiten herum geschaffen. "Schule von acht bis eins" heißt hier das vorherrschende Modell. Auch die Kölner Schule, die der Sohn von Ute Steffes-Lay besucht, wird im Rahmen des Programms "Schule von acht bis eins" gefördert. Vielen Eltern reicht die Zeit bis ein Uhr mittags jedoch nicht. Mit zusätzlichen Mitteln der Stadt wird das Angebot deshalb auf "acht bis eins plus drei", will sagen bis 16 Uhr aufgestockt. Die Nachfrage ist enorm, berichtet Schulleiterin Margarete Hilger:

    Margarete Hilger: "Das hat sich heute so gesteigert, dass bei 140 Kindern in der Schule inzwischen 46 diese Übermittagsbetreuung in Anspruch nehmen, bis nachmittags um 16 Uhr, und wenn ich nicht dieses Raumproblem hätte, könnte ich noch gern 120 dazu aufnehmen, die Anfragen kommen jeden Tag."

    Die "Schule von acht bis eins" hat gegenüber dem klassischen Kinderhort vor allem zwei Vorteile: die vorhandenen Schulräume werden auch nachmittags genutzt. Und "Schule von acht bis eins" ist wesentlich billiger. Zum Vergleich: Die rund 42.000 Hortplätze subventionierte das Land im Jahr 1999 mit rund 110 Millionen Mark. Die etwa 70.000 Plätze im Rahmen der "Schule von acht bis eins" kosteten das Land dagegen nur 23 Millionen Mark. Unterm Strich können für einen Hortplatz mindestens fünf Plätze im Rahmen von "acht bis eins" geschaffen werden.

    Doch das Modell "Schule von acht bis eins" wirft viele Fragen auf. Während die Horte laut Gesetz klaren pädagogischen Standards genügen müssen und einen Bildungsauftrag haben, gibt es beim Modell "Schule von acht bis eins" nur wenige Vorgaben - weder für die Arbeit mit den Kindern noch für die Qualifikation des Personals. Da die finanzielle Hauptlast die Eltern tragen, muss das Angebot vor allem billig sein: oft wird die Betreuung auf 630-Marks- oder Honorarbasis, über ABM-Maßnahmen oder ehrenamtlich von den Eltern selbst organisiert. Für den Umgang mit schwierigen Kindern sind solche Kräfte nur selten ausgebildet. Und auch organisatorisch kann es schwierig werden. Margarete Hilger hat das an ihrer Schule erlebt:

    Margarete Hilger: "Ich habe anfangs eine Studentin gehabt, die mir empfohlen wurde, und die ist täglich gekommen, und hat sich gekümmert. Wenn dieses Mädchen in der Uni zu tun hatte, und Mütter waren dann eben bestellt, und die hatten an dem Tag gerade was vor, ist es oft vorgekommen, dass ich hier stand und überhaupt niemanden hatte, ich hatte aber meine Kindergruppe, und Gott sei Dank hat dann mal die Hausmeisterin Aufsicht geführt, oder ich habe auch mal ne Stunde selbst einspringen müssen, um auch mal die Kinder zu betreuen. Es war also keine sichere Versorgung der Kinder, sondern ich war immer davon abhängig, wenn ich mittags guckte, wer kommt gerade und wer ist nicht da. Es war einfach ein Zustand, der für Eltern, Kinder und mich als Leitung unbefriedigend war."

    Margarete Hilger hat inzwischen zwei Erzieherinnen fest angestellt, über den Förderverein der Schule. Die chaotische Personalsituation, die sie anfangs erlebte, ist im Rahmen der "Schule von acht bis eins" durchaus kein Einzelfall. Pädagogen und Elternverbände warnen, dass der häufige Wechsel der Bezugspersonen zu Lasten der Kinder geht. Und manche befürchten, dass mittelfristig "Masse statt Klasse" zum Leitmotiv der Grundschulkinderbetreuung werden könnte. Erika Biehn, Vorsitzende des Verbandes Alleinerziehender Mütter und Väter in Nordrhein-Westfalen:

    Erika Biehn: "Also, ich befürchte, dass Schmalangebote immer mehr die Runde machen, dass die immer mehr gefördert werden, und dass das eben das ist, was vom Land finanziert wird. Dass aber ne wirklich vernünftige Betreuung, in dem Sinne, wie ich sie verstehe, beispielsweise in Horten, immer mehr abgebaut wird. Und das ist dann für die Kinder n Problem, für die Eltern natürlich auch."

    Ob das Angebot "Schule von acht bis eins" an einer Schule existiert und was es kostet, hängt wesentlich von den Eltern ab, und vom Engagement der Schulleitung. Die Schulleiterin Margarete Hilger zum Beispiel erledigt die gesamte Verwaltungsarbeit im Zusammenhang mit "Schule von acht bis eins". Die Betreuung der Kinder nach der Schule ist aber eigentlich nicht ihr Job. Dass sie die Arbeit trotzdem macht, begründet Margarete Hilger mit ihrem Idealismus. Viele Grundschulleiter stehen aber auch unter Druck: die Schülerzahlen sinken, so manche Schule ist von der Schließung bedroht. Schulen mit zusätzlichen Betreuungsangeboten sind attraktiver für Eltern. Margarete Hilger kritisiert, dass das Land und die Kommunen sich aus der Verantwortung für die Kinderbetreuung ziehen:

    Margarete Hilger: "Das einzige, was klar werden müsste, ist, das kann man nicht allein den Schulen überlassen und schon gar nicht den Schulleitungen, da liegt das Problem, dass die Schulleitungen die gesamte Organisation eines Hortplatzangebotes übernehmen, wozu meiner Meinung nach ne eigenständige Kraft gehört, die ihren Beruf hat, nämlich Hortbetreerin, und die das dann auch macht, dazu gehört einfach die öffentliche Einrichtung von Hortplätzen. Und ich denke, das müsste eigentlich jedem Politiker klarsein, und jedem, der damit zu tun hat, dass der Bedarf immens hoch ist, und mich wundert es eigentlich bis heute, dass noch niemand aufgestanden ist und das zu nem Wahlthema gemacht hat."

    Angesichts des hohen Bedarfs und der geringen Finanzmittel versucht man in Nordrhein-Westfalen jede Möglichkeit auszuschöpfen, um zusätzliche Betreuungsangebote für Grundschulkinder zu schaffen. Die NRW-Familienministerin Birgit Fischer hat jetzt das Programm "Schülertreff in der Tageseinrichtung" gestartet, abgekürzt "SiT", ausgestattet mit 8,5 Millionen Mark für 13.000 Grundschulkinder. Sie sollen nachmittags in Kindergärten, Schulen und Jugendzentren mitbetreut werden. Ein Pluspunkt von SiT ist, dass mindestens eine pädagogische Fachkraft für 20 Kinder da sein muss, und dass das Angebot in den Ferien ganztags stattfindet. Aber auch das SiT-Programm liegt deutlich unter dem Hort-Standard. Und Kindergärtnerinnen fürchten, dass ihre Einrichtungen zu Verschiebebahnhöfen für Schulkinder werden. NRW-Familienministerin Birgit Fischer hält dagegen:

    Birgit Fischer: "Entscheidend finde ich ein flexibles Angebot mit unterschiedlichen Möglichkeiten. Wenn wir eine verlässliche Grundschule von acht bis eins haben, ist der Hort am Vormittag, das ist er ja zur Zeit noch, wäre damit hinfällig. Wir brauchen dann vormittags dieses Hortangebot nicht. Das heißt wir möchten unsere Möglichkeiten die wir haben, konzentrieren, erstens auf den Nachmittagsbereich, und konzentrieren auf möglichst viele Kinder. Wir halten es nicht für hinnehmbar, dass wir nur wenigen Kindern die Möglichkeit geben, überhaupt ein Nachmittagsangebot zu haben."

    Rund 60.000 Plätze sollen im Rahmen des SiT-Programms bis zum Jahr 2005 entstehen. Erika Biehn vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter in Nordrhein-Westfalen findet es einerseits positiv, dass das Betreuungsangebot für Schulkinder in viele Richtungen ausgebaut wird. Aber sie befürchtet, dass die Horte mit ihren hohen pädagogischen Standards in absehbarer Zeit nur noch für sogenannte Problemkinder da sein werden. Und:

    Erika Biehn: "Was ich auch besonders schwierig finde, ist, dass möglicherweise die Kinder Gefahr laufen, mehrere unterschiedliche Angebote nacheinander wahrnehmen zu müssen. Nämlich erst die Schule von acht bis eins, dann Schülertreff in der Tageseinrichtung, wo dann die Kinder nach dieser 14-Uhr-Regelung dann am Nachmittag noch in ne Tageseinrichtung gehen müssen, bis die Eltern nach Hause kommen. Das denke ich, ist die größte Gefahr daran."

    Die angestrebte Vielfalt der Betreuungsangebote für Grundschulkinder in Nordrhein-Westfalen hat den Vorteil, dass Eltern das jeweilige Angebot vor Ort mitgestalten können - wenn sie es können. Häufig sind Eltern aber auch überfordert mit dem Zuständigkeits-Dschungel zwischen Jugendamt und Schulverwaltung, oder sie haben einfach keine Zeit, sich zu kümmern. Darüber hinaus gibt es keine verlässlichen Qualitätsstandards für alle. Das deutsche Jugendinstitut warnte 1998 in einer Studie vor einer "Zweiklassengesellschaft" als Folge öffentlicher Sparpolitik. Will heißen: dort, wo die Eltern ihre Interessen besonders gut durchsetzen oder es sich finanziell leisten können, ist das Betreuungsangebot gut, für die anderen ist es Glückssache.

    Doch selbst wenn die Finanzpolitiker sich zu mehr Investitionen in die Schulkinderbetreuung durchringen könnten: Auch hochwertige Betreuungsangebote lösen das zugrundeliegende Problem nur teilweise. Denn auch die Arbeitszeiten der Eltern müssen sich ändern, vor allem die der Väter. Noch immer gilt es als völlig normal, dass Väter 10, 12 oder mehr Stunden am Tag außer Haus sind und für die Kinderbetreuung nicht zur Verfügung stehen. Die Bundesfamilienministerin Christine Bergmann will deshalb im nächsten Jahr eine Väterkampagne starten.

    Bergmann: "Wir können das Thema Kinderbetreuung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht immer den Müttern nur aufbürden, Kinder haben immer auch Väter. Und Väter können sich auch ein Stück an der Erziehungsarbeit beteiligen, sie wollen das ja auch, und deswegen muss man die Rahmenbedingungen verbessern, dass sie das können, wir sind dabei, auch mit Unternehmen dafür ein besseres Klima zu schaffen, dass das mehr akzeptiert wird, dass das auch als soziale Kompetenz positiv anerkannt wird."

    Der großen Gruppe der Alleinerziehenden in Deutschland nützen jedoch auch kooperative Väter und Chefs nichts. Für die meisten von ihnen bleibt die Betreuung ihrer schulpflichtigen Kinder ein Alptraum. Ute Steffes-Lay:

    Ute Steffes-Lay: "Ich find's ne Katastrophe, fühl mich auch sehr hilflos in dieser ganzen Situation und weiß letztendlich, wünsch ich mir einfach ne richtig gutgehende Betreuung bis 17, 18 Uhr, wo ich das Gefühl hab, Jonas ist gut aufgehoben, und die gibt es zur Zeit nicht."