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Mit drei Beinen auf hoher See

Technik. - Noch immer lässt sich ausgerechnet Deutschland Zeit mit eigenen Windenergieparks auf hoher See. Der Grund: Wassertiefen von 30 Metern und mehr erschweren und verteuern den Bau der Windräder. Neue Konstruktionen sollen die Anlagen dennoch rentabel machen.

Von Monika Seynsche | 07.05.2007
    Martin Skiba ist ein Pionier. Der Ingenieur der Hamburger Firma Repower hat im letzten Sommer etwas geschafft, das zuvor weltweit noch niemand gewagt hatte: er hat zusammen mit seinen Kollegen ein Windrad in 45 Meter tiefes Wasser gestellt - vor die Ostküste Schottlands.

    "Wenn sie eine solche Wassertiefe haben, dann haben Sie einfach das Problem, dass Sie weltweit nur sehr schwierig Schiffe finden, die sich auf dem Meeresboden während der Montage absetzen können. Das sind solche Schiffe mit Jack-Up-Vorrichtungen, da werden Beine ausgefahren und die können sich auf dem Meeresboden festhalten, heben sich oberhalb der Meeresoberfläche damit raus und dann haben Sie eine ganz stabile Arbeitsplattform."

    45 Meter Wassertiefe ist allerdings selbst für diese Schiffe zu tief. Also mussten sich Martin Skiba und seine Kollegen anders behelfen: sie haben ihr Windrad mit einem schwimmenden Kran aufgestellt.

    "Der Nachteil ist ganz klar: er ist nicht verankert, man ist viel stärker von Wind und Wellen abhängig während der Montage."

    Das Experiment ist geglückt. Allerdings sind Transport und Aufbau nur der erste Schritt. Das Windrad muss auch stehen bleiben. Im sandigen Meeresboden bei ständig gegen die Anlage prallenden Wellen und an den Rotorblättern zerrendem Wind ist das keine leichte Aufgabe. Vorbilder gibt es wenige – denn alle bisherigen Windräder stehen im flachen Wasser direkt vor den Küsten. Dort rammt man einfach den Turm des Windrads tief genug in den Boden und die Windanlage bleibt stehen. Das funktioniert aber nur bei flachem Wasser, sagt Peter Schaumann. Der Leiter des Instituts für Stahlbau an der Universität Hannover erforscht Tragstrukturen für Windenergieanlagen auf dem Meer. Je tiefer das Wasser, desto größer sei die Hebelwirkung.

    "Die Kräfte, die dort angreifen bei einer unter Wasser liegenden Konstruktion, greifen hauptsächlich an der Wasserlinie, also am Übergang zwischen Wasseroberfläche und Luft, an aus den Wellenlasten. Und je tiefer die Konstruktion fest mit dem Seeboden verankert wird, desto größer ist halt der Hebelarm dieser horizontalen Kräfte zum Seeboden und mit diesem Abstand nehmen halt die Kräfte zu."

    Um den großen Kräften standzuhalten, steht das Windrad vor Schottlands Küste auf einer Gitterstruktur, ähnlich einem Hochspannungsmasten. Jacketkonstruktion heißt diese Art von Fundament – bei Ölplattformen ist sie seit Jahrzehnten bewährt. Aber auf ein Windrad wirken andere Kräfte als auf eine schwere Ölplattform.

    "Die Kräfte aus dem Gewicht sind im Vergleich zur Ölplattform viel kleiner, dafür ist aber die horizontale Beanspruchung aus Wind und auch aus Wellen im Vergleich zu den vertikalen Gewichtskräften sehr viel größer."

    Die Gittermaststruktur vor Schottlands Küste wird in den kommenden Jahren zeigen, wie sicher sie steht. Derweil setzt die Firma Multibrid auf eine andere Fundamentart für ihre Offshore-Windenergieanlagen. Der Geschäftsführer Martin Lehnhoff zeigt auf eine Konstruktion, die an eine startbereite Rakete erinnert.

    "Hier sehen wir die Offshore-Gründungsstruktur, den Tripod, an Land zum ersten Mal errichtet hier in Bremerhaven. Eine Stahlstruktur, die knapp 30 Meter hoch ist, 500 Tonnen schwer und einen dreieckigen Grundriss hat mit einer Länge von etwa 25 Metern einer Kantenlänge von etwa 25 Metern."

    Der graue Windradturm wird von drei schräg gestellten Pfeilern gestützt. In Computersimulationen haben er und seine Kollegen berechnet, dass auch diese Konstruktion in Wassertiefen von über 20 Meter den Wellen standhalten sollte. Ob sie es tut, wird sich im nächsten Jahr zeigen. Dann will auch Multibrid die ersten Windräder ins Meer stellen. Peter Schaumann ist optimistisch, dass beide Fundamentarten sich technisch bewähren werden, nur:

    "Die Frage, die im Raum steht, ist, ob der Preis, den wir für diese Anlagen zahlen müssen, zu einer ökonomischen Lösung in der Energieerzeugung führt."

    Eine Antwort auf diese Frage wird es seiner Ansicht nach erst dann geben, wenn die ersten zehn, zwölf Anlagen im Wasser stehen und ihre Ingenieure die nötigen Erfahrungen gesammelt haben, um sie günstiger bauen zu können.