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Mit einem Bein im Modelbusiness

Als Mario Galla im letzten Jahr in kurzen Hosen über den Laufsteg der Berliner Fashion Week marschierte, sorgte er für Aufsehen. Denn das Model trägt eine Beinprothese aus Carbon. Und auf die reagieren nicht alle in der glitzernden Modebranche mit Coolness.

Von Bettina Ritter |
    "Das war mir gar nicht bewusst, dass das so ein medialer Event war. Ich war auch total überfordert mit der Situation, weil ich auf einmal 20 Mikrofone vorm Mund hatte, und ich stand da so, und dachte: Oh Gott!"

    Ein Model mit Beinprothese und kurzen Hosen im strahlenden Scheinwerferlicht der Berliner Fashion-Week. Kalkulierter PR-Coup des Designers Michael Michalsky? Oder Karriere-Sprung für Model-Neuling Mario Galla? Auf jeden Fall eine kleine Medien-Sensation! Eine Boulevard-Zeitung titelte: Schock-Model!
    "That's Yellow Press. Die brauchen ihre reißerischen Geschichten, und wenn ein behindertes Model dafür herhalten muss... Mein Anspruch wär's nicht, aber okay."

    Hellblonde Haare, blaue Augen, ein makelloses Gesicht, ein muskulöser Körper: Mario Galla sieht ohne Zweifel wie ein Model aus. Nur - ist da dieses Humpeln, wenn er geht. Der Grund: Der 26-Jährige ist mit einem zu kurzen Oberschenkel zur Welt gekommen und trägt eine Prothese. Und auf die reagieren nicht alle in der glitzernden Modebranche mit Coolness.

    "Wenn die Kunden zum ersten Mal sehen, dass da was anders ist – dann wird so geguckt, als wenn gerade ein Raumschiff durch den Raum fliegt oder an meinem Bein klebt. Ich kenn das selbst, man hat einfach Berührungsängste damit, weil man nicht weiß, wie man damit umgehen soll, oder was man demjenigen, der vor einem steht, zumuten kann."

    Mario Galla selbst mutet sich eine Menge zu: Lässt sich, wie andere Models auch, zu einem lebendigen Kleiderhaken degradieren. Lässt sich von dünnnervigen Designern anblaffen und beschimpfen. Und bekommt zweifelhafte Angebote von scheinbar entscheidungsmächtigen Kunden. Warum er das alles trotzdem macht?

    "Das ist ne gute Frage. Ich glaub, weil das die Möglichkeit war, die vor mir lag, wodurch ich keinen konventionellen Job machen musste. Ich konnte frei sein, ich konnte reisen, ich konnte neue Leute treffen ..."

    Zugegeben, das hört sich besser an, als jeden Tag acht Stunden im Büro zu sitzen. Das hatte der Hamburger vorher gemacht, als Azubi zum Kaufmann für Bürokommunikation. Heute heißt es für ihn statt Ablage und Computer, Shootings und Shows in Paris, Mailand und London. Nur für die Deutschen ist er offensichtlich noch immer das Schock-Model.
    "Die haben viel zu viel Angst davor in Deutschland. Das ist so ein konservativer Markt ..."

    Gestern Schock-Model, heute Vorbild für Behinderte. In seiner kurzen Karriere hat Mario Galla vor allem eines erlebt: wie schnell jemand zum Spielball der Medien wird. Und wie er eigentlich nur versuchen kann, das Beste daraus zu machen. Für den Studenten der Medienwissenschaft eine lehrreiche Erfahrung.

    "Also, ich war ja schon immer Mario Galla und bin schon immer durch den Grindelhof gelaufen in kurzen Hosen oder hab Basketball gespielt in kurzen Hosen und alle haben's gesehen. Ich stand nur nicht in der Öffentlichkeit. Und jetzt steh ich damit in der Öffentlichkeit und jetzt ... bin ich halt ein Vorbild damit. Das ist okay."