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Mit einem blauen Auge davongekommen

Die Lage hat sich entspannt. Das Wasser fließt ab. Noch aber ist eine Bilanz der Schäden nicht möglich. Doch es sieht so aus, als seien die meisten Kulturstätten Sachsen-Anhalts wie das Wörlitzer Gartenreich oder die Dome und Schlösser im Saale-Unstrutgebiet weitgehend verschont geblieben.

Von Christoph Richter | 19.06.2013
    Die positive Nachricht vorweg: Anders als 2002 ist man dieses Mal in Sachsen-Anhalt – was die Folgen der Flut und die Kulturstätten betrifft - mit einem blauen Auge davon gekommen. Deutlich wird das am UNESCO-Weltkulturerbe Wörlitzer Gartenreich, das damals komplett überflutet wurde, jetzt aber von großen Schäden verschont blieb, unterstreicht Sachsen-Anhalts SPD-Kultusminister Stephan Dorgerloh:

    "Wobei die Analysen jetzt erst folgen. Was ist tatsächlich in den Elbauen passiert, an der Rosenwiesche, wie sieht es bei den kleinen Bauten aus, die versteckt dort liegen, wie bei den Pavillons? Also das können wir erst in ein paar Wochen genau sagen, wenn das Wasser wirklich zurück ist."

    Denn die Grünanlagen des Wörlitzer Parks stehen teilweise immer noch unter Wasser, eine Folge des hochdrückenden Grundwassers. Ansonsten konnte Schlimmeres verhindert werden. Was man hauptsächlich den neuen Deichen zu verdanken habe, die nach der Flut 2002 gebaut wurden, betont Steffen Kaudelka, Pressesprecher beim Wörlitzer Gartenreich:

    "Die Anschaffung des Mobildeichsystems hat sich auch bewährt. Darüber hinaus wurden noch neue Pumpenanlagen geschaffen, Abwassersysteme. Um dann auch im Schadensfall, wenn es dann so gekommen wäre, entsprechende Untergeschosse, Keller frei zu pumpen. Alle Maßnahmen seit 2002 haben gegriffen und wir können deswegen auch glücklich sein, dass größere Schäden ausgeblieben sind."

    Anders sieht es im Luisium aus, dem Sommersitz der Fürstin Luise von Anhalt-Dessau. Ein anmutiges Ensemble bestehend aus einem frühklassizistischen Sommerschloss, Gestüt, Schlangenhaus und angrenzenden Park, das sich im Auengebiet zwischen Elbe und Mulde befindet. Nach einem Deichabrutsch konnte die englische Gartenanlage mit Sandsäcken und mobilen Deichsystemen nicht mehr gehalten werden, sodass große Teile noch immer knietief unter Wasser stehen. Betroffen sind Wege, Brücken und Wiesen. Kultusminister Dorgerloh rechnet hier – neben Einnahmeausfällen – mit einem Schaden von etwa einer Million Euro.

    "Manchmal müssen wir jetzt noch abwarten. Also wir wissen noch nicht, was alles in Aken auf uns zukommt, auch im Bereich Denkmalpflege. Wir wissen noch nicht, was in Bernburg genau ist, was in Schönhausen ist, wo das Bismarck-Museum ist. Was wir wissen, dass das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie ein Depot hat, etwas außerhalb der Kernstadt von Halle, aber dicht an der Saale, wo die Keller vollgelaufen sind. Mit doch wertvollen Funden."

    Wie Keramik, Knochen und Bodenplatten. Stark erwischt hat es auch die 16.000 Hektar große Kulturlandschaft Saale-Unstrut. So was wie das grüne Kastilien Deutschlands, bestehend aus Weinbergen, Burgen und romantischen Flusstälern. Hier offenbaren sich die Folgen des Rekordhochwassers überdeutlich. Nichts mehr ist von den anmutigen Flusslagen im südlichen Sachsen-Anhalt zu sehen, von denen bereits 1826 Franz Kugler in seinem Gedicht "An der Saale hellem Strande" schwärmte. Jetzt hat die Flut eine modernd-müffelnde Schneise der Verwüstung hinterlassen. Ein Trauerspiel nennt es Geschäftsführer Roland Thrän vom Förderverein Welterbe Saale und Unstrut.

    "Wir sehen jetzt den Zustand. Es sieht bei dem schönen sommerlichen Licht eigenartig aus, wenn man nämlich eine fast herbstliche Landschaft – die braun gefleckt, wie man sie nur im September kennt – vor sich sieht. Was das an Pflegearbeiten nach sich zieht, vermag ich jetzt nicht zu sagen."

    Keine Flutschäden sind dagegen bei dem in Elbnähe liegenden UNESCO-Weltkulturerbe Lutherstätten Wittenberg zu konstatieren, so ein Sprecher der gleichnamigen Stiftung. Auch an Kirchen, Domen und Klöstern, wie etwa dem Naumburger Dom St. Peter und Paul, dem Havelberger Dom oder dem Zisterzienserkloster in Pforta im Saale-Unstrutgebiet, wurden nach Angaben der Stiftung Dome und Schlösser keine Schäden verzeichnet. Das Heinrich-Schütz-Haus in Weißenfels, das einzig erhaltene Wohnhaus des Barock-Komponisten, ist ebenfalls bestens durchs Hochwasser gekommen. Obwohl Teile der Weißenfelser Innenstadt unter Wasser standen. Henrike Rucker, die Leiterin des Schütz-Hauses, glaubt die Gründe zu kennen:

    "Schütz hat sich das Haus wohl gekauft, weil er wusste, dass es nicht so hochwassergefährdet ist. "

    Über die genauen Kosten der Flut in Bezug auf die Kulturstätten in Sachsen-Anhalt kann Kultusminister Stephan Dorgerloh aktuell noch nichts sagen. Schätzt aber, dass ein noch nicht genau bezifferbarer Millionenbetrag aufs Land zukommen werde.

    Dennoch will Dorgerloh den Hochwasserschutz auch bei den Kulturstätten weiter vorantreiben. Denkmalpflegerische Aufgaben und Hochwasserschutz in Einklang zu bringen, gute Kompromisse im Sinne aller zu finden, betrachtet er als die Aufgabe der Zukunft. Wie es jetzt aussieht, eine lösbare Aufgabe.

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