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Mit einer Hightech-Spürnase auf Minenjagd

Technik. - In den vergangenen 50 Jahren änderte sich im Vorgehen und Arsenal der Minensucher nicht allzu viel. Im Groben spürt ein Detektor Metallteile des Sprengkörpers auf, die heikle Feinarbeit obliegt dann dem Experten, der mit einer Sonde die Mine genau lokalisiert, ausgräbt und entschärft. Doch selbst hochsensible Detektoren laufen immer mehr ins Leere, denn je moderner eine der lauernden Sprengfallen sind, desto weniger Metall enthält sie. Angesichts der geschätzten 100 Millionen vergrabener Minen sind neue Aufspürverfahren dringend nötig.

    Der Metallgehalt moderner Landminen ist heute so gering, dass auch Nägel oder Patronenhülsen den Detektor gleichermaßen alarmieren wie der gesuchte Sprengkörper. Auf eine richtige Detektion kommen denn auch rund 1000 Fehlalarme und machen das ohnehin Nerven aufreibende Räumen von Minenfeldern zur Sisyphosarbeit. Bessere Chancen versprechen alternative Verfahren, die den Sprengstoff selbst erkennen. Einer der Favoriten dazu ist eine Variante der magnetischen Kernspinresonanz, die bislang vor allem in der bildgebenden Diagnostik der Medizin verwandt wird. "Atomkerne tragen in sich kleine magnetische Dipolmomente, die mittels einer zugeführten, spezifischen Hochfrequenz umgekippt werden können", erklärt Franz Fujara, Physikprofessor an der Technischen Universität Darmstadt das Prinzip. Wird die eingestrahlte Hochfrequenz abgeschaltet, springen die angeregten Atome wieder in den ursprünglichen Zustand zurück und geben dabei Energie ab. Dieses Signal kann so zum Nachweis der in einem Material vorhandenen Moleküle und damit auch charakteristischer Substanzen verwendet werden.

    Zunutze machen sich die Forscher dabei, dass in fast allen Sprengstoffen Stickstoff-14-Atomkerne vorkommen, die auf eine gezielte Anregung mit einem entsprechenden Signal antworten. Der Clou dabei: Nicht nur das Stickstoffatom verrät sich, sondern auch gleich das Molekül, in das es eingebaut ist. Viele Sprengstoffe können so quasi aus der Distanz genau ermittelt werden, darunter auch der zweithäufigste Sprengstoff Hexogen, wie US-Experten nachwiesen. Trinitrotoluen dagegen, besser bekannt als TNT und häufigstes Sprengmittel überhaupt, spricht auf das Verfahren aufgrund seiner Molekülstruktur bisher nicht an. Während bei den meisten Sprengstoffen der Stickstoff im tragenden Molekülring liegt und ein starkes Signal aussendet, liegt der Fall bei TNT anders: "Weil die stickstoffhaltigen Nitro-Gruppen des TNT außerhalb des Ringes sitzen und sehr kleine elektrische Felder ausbilden, ist es zumindest sehr schwierig, TNT-haltige Minen zu detektieren."

    Weil die schwachen TNT-Signale bislang nicht aus dem Hintergrundrauschen isoliert werden können, geht Fujara daher einen anderen Weg: Der Forscher verwendet ein zusätzliches, starkes Magnetfeld und verstärkt die TNT-Signale, indem er zunächst die Wasserstoff-Protonen des TNT-Moleküls ausrichtet. Wird anschließend das Magnetfeld auf eine bestimmte geringe Feldstärke zurückgefahren, setzt ein quantenmechanischer Prozess ein: "Die sehr starke Protonenpolarisation überträgt sich dabei auf die Stickstoff-14-Atomkerne quasi über ein Resonanzphänomen - so können wir die erhöhte Stickstoff-14-Polarisation im TNT-spezifisch nachweisen." Noch funktioniert das Verfahren nur unter Laborbedingungen, weil dazu ein starkes Magnetfeld von rund einem Tesla Feldstärke nötig ist und die Probe überdies in den Detektor eingeführt werden muss. Um vergrabene Minen aufzuspüren, müsste ein sehr starker Magnet auf einem Fahrzeug montiert werden. Weil aber Alternativen zu der Methode der Signalverstärkung via Wasserstoff derzeit undenkbar sind, sieht der Darmstädter Physiker durchaus eine Chance für sein Nachweisverfahren.

    [Quelle: Dagmar Röhrlich]