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Mit einer Idee unterwegs

Potentiale erkennen und nutzen - das will das Bildungskonzept "Lebensunternehmer". Organisiert wird es von Arbeitsvermittlern, Weiterbildungstrainern und dem Bundesverband Wirtschaftsförderung. Ihr Ziel: Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Motivation vermitteln, damit auch ehemalige Arbeitslose aktiv ihr Leben steuern können.

Von Philip Banse |
    "Was wir schon mal festhalten können, ist, dass diese Gruppe das Thema möchte: Lebensunternehmer - was kann es für die Beratung und das Training bedeuten? Ist das richtig?"

    Die Gründerzeitvilla Limone im bürgerlichen Berliner Bezirk Zehlendorf. 60 private Arbeitsvermittler, Coaches und Trainer aus Weiterbildungsunternehmen sind einen Tag zusammen gekommen. In kleinen Arbeitsgruppen diskutieren die Arbeitsmarktexperten, wie sie ein neues Bildungskonzept bekannt machen und in ihrem Arbeitsalltag anwenden können. Das Konzept heißt "Lebensunternehmer". Peter Spiegel ist Sprecher des Bundesverbandes Wirtschaftsförderung und Mit-Organisatoren der Lebensunternehmer-Konferenz.

    "Lebensunternehmer - dahinter steckt folgender Gedanke. Wir meinen, dass unser traditionelles Bildungssystem noch sehr stark auf dem Stadium beharrt, Wissen zu vermitteln. Das ist wichtig, das ist wertvoll, brauchen wir auch in Zukunft, aber es reicht bei weitem nicht mehr. Die Anforderungen neues zu lernen in jedem Beruf, in jeder Lebenssituation wird immer dringlicher. Und wir haben kein Kompetenzen-Bildungssystem."

    Zu den wichtigen, aber im klassischen Bildungssystem kaum vermittelten Kompetenzen, gehörten Teamfähigkeit, Konfliktlösungskompetenzen und vor allem die Fähigkeit, Neues zu lernen. Außerdem müssten Menschen lernen, ihre Potentiale zu entdecken und zu nutzen.

    Um dieses ganzheitliche Bildungsangebot Schulen, Universitäten, Firmen und staatlichen Einrichtungen anzubieten, haben staatliche und private Bildungseinrichtungen eine Genossenschaft gegründet. Sie wollen kein paralleles Bildungssystem schaffen, sondern die Idee des Lebensunternehmers verbreiten und in die Praxis umsetzen. Dass dies schwer ist, zeigte die Diskussion zwischen Arbeitsvermittlern:

    "Das ist ja das spannende an diesem Ansatz, dass es hier drum geht eigene Visionen, eigene Potentiale zu fördern. Denn häufig ist es ja so, dass in unserer Förderpolitik das nicht das oberste Prinzip ist, sondern dass es vorgegeben Leitsätze gibt, nach denen wir diese Visionen und Potentiale biegen sollen und erstmal nicht im Mittelpunkt steht: Was bringe ich denn rein? Kann ich überhaupt eigene Visionen erkennen? Habe ich das überhaupt gelernt?"

    Thomas Heinle fördert Arbeitslose nach dem Prinzip Lebensunternehmer - mit großem Erfolg, wie er sagt. Heinle ist Chef des "Instituts für Vermittlungscoaching". Jeden Monat bekommt Heinle 1.000 Arbeitslose vom der Arbeitsagentur, der Coach soll ihnen einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt verschaffen. 750 von den 1.000 erscheinen nicht oder verweigern die Mitarbeit.

    Aber vom motivierten Rest kann Heinle 80 in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln, sagt er. Sein Erfolgsrezept: Heinle fragt nicht: Was ist bisher alles schief gegangen, sondern: Was willst Du machen? Er lässt Arbeitslose ihre Träume aufzeichnen, hilft Potentiale zu heben und Hürden wegzuräumen. Als Beispiel nennt er eine 53-jährige Verkäuferin, arbeitslos, für Jobs bei Lidl und Co zu alt. Aber die Frau hat auch keine Lust mehr an der Kasse zu sitzen.

    "Dann kriegt man eben raus, was sie wirklich machen will. Sie macht Puppen. Mit Porzellanköpfen, bekleidet, metergroße Puppen. Die Bewerbungsstrategie war die, dass sie mit ihren Puppen unterwegs ist und mit ihren Puppen durch die Geschäfte durchläuft und schaut, wo die Puppen auch reinpassen würden. Also komplett der andere Weg. Nicht mich auf eine Stelle bewerben, sondern mit meiner Idee unterwegs zu sein und zu schauen: Ja wo passt den das ganze hin und dann eben über diese Geschichte in einem Kunstgewerbeladen angestellt zu werden. "

    Potentiale erkennen, Neigungen folgen - wem das gelingt, sagt Coach Heinle, der komme aus einer passiven Haltung raus, steuert aktiv sein Leben, wird zum Lebensunternehmer.

    "Es ist eine deutsche Depression nicht mehr dran zu glauben, dass ich das tun darf, was ich tun will. Dieses unternehmerische Denken ist sehr stark zurück gedrängt. Von der Arbeitsagentur bekomme ich Geld fürs Nichtstun. Die Anreize sind da einfach falsch. Es geht darum, die Menschen zu befähigen, wirklich an sich zu glauben und da wirklich auch die Unterstützung zu bekommen."