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Mit Erasmus nach Europa

Das Erasmus-Programm ist eine Erfolgsgeschichte für Studierende in Europa. Seit 1987 bietet das Programm der EU ihnen die Möglichkeit für eine Zeit zwischen drei und zwölf Monaten in einem anderen europäischen Land zu studieren. Trotzdem gibt es Kritik.

Von Dietrich Sondermann | 25.06.2009
    Nicolas Kipp studiert in Münster Politik, BWL und VWL. Diese eher seltene Fächerkombination gab es nur an wenigen Unis in Europa. Er wählte Jyväskula in Finnland und würde es immer wieder machen. Auch, wenn er eigentlich während seiner Zeit dort gar nicht mehr streng auf seine Fächer geachtet hat:

    "Als ich dann vor Ort war, habe ich eigentlich gar nicht das studiert, was ich in Münster studiert hätte, das feste Curriculum, sondern habe eigentlich wahllos interessante Sachen studiert, von der Rentierzucht in Schweden über einen hawaiianischen Filmprofessor, der eine Lecture gehalten hat."

    Finanziell hat Nicolas das gut hinbekommen, auch wenn Finnland richtig teuer ist. Er hatte zwei Geldquellen angezapft, um ohne den Zuschuss der Verwandschaft auszukommen: Die Förderung durch das Erasmus-Programm und ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes

    "Irgendetwas zwischen 800 und 1000 Euro habe ich bekommen und hatte ich auch an Kosten. Ich bin Plus-Minus null eigentlich rausgegangen, was auch gut ist, weil meine Eltern mir nichts hätten zahlen können."

    Mehr Probleme macht da schon die Vereinbarkeit von Auslandsaufenthalt und den anderen Vorgaben, die an Studierende gestellt werden:

    "Dass wir Druck ausgesetzt sind, dass man halt die Regelstudienzeit erfüllt, dass man ein Auslandsstudium hat, dass man Auslandspraktikum hat, dass man sich engagiert und dass man noch zwei, drei andere Praktika hat. Und eigentlich ist es auch standardmäßig, dass man versucht, das zu erfüllen, nur muss man meist Abstriche machen und die Gefahr ist eben, dass die Meisten sich für die Regelstudienzeit entscheiden und nicht für das Auslandsstudium."

    Ein Erasmus-Fenster ist an deutschen Hochschulen selten zu finden: Das heißt, das Auslandssemester bedeutet an den meisten Unis ein längeres Studium, mehr Studiengebühren und einen schwierigen Anschluss an der Heimat-Universität.
    Diesem Druck hat sich Nicolas aber trotzdem entzogen:

    "Ich hätte mir theoretisch ziemlich viel anrechnen lassen können, sodass ich es noch in der Regelstudienzeit geschafft hätte. Ich habe mich jetzt dagegen entschieden, aber länger als ein Semester kann man das eigentlich nicht schaffen."

    Eine der Baustellen des DAAD. Die andere: Anerkennung der Creditpoints. Veranstaltungen, die die eine Universität so bewertet, bringen an der nächsten noch lange nicht so viele Punkte. Das Problem besteht zwar auch zwischen deutschen Hochschulen und Fakultäten, aber für den Erasmus-Studierenden ist das ein veritabler Hinderungsgrund, ins Ausland zu gehen.

    Siegbert Wuttig ist beim Deutschen Akademischen Austauschdienst, DAAD, für die Hochschulzusammenarbeit in Europa zuständig und kennt die Sorgen der Studierenden:

    "Wo man daran arbeiten muss, ist eine Verbesserung der Anerkennung von Studienleistungen und einer großzügigeren Anerkennung von Studienleistung. Das ist nicht das Gleiche, was ich da studiere, aber auch in Deutschland sollte man anerkennen, dass es trotzdem gut ist."

    Der DAAD bemerkt, dass die Teilnehmerzahlen für Studienaufenthalte mit Erasums stagnieren; nur bei den vor zwei Jahren eingeführten Praktika steigen sie noch stark an:

    "Möglicherweise hat Bologna auch dazu geführt, dass die Studien kürzer werden einerseits, aber andererseits auch zu mehr praktisch orientierten Aufenthalten im Ausland."

    Für die Studierenden bleibt trotzdem die Frage, welche Prioritäten sie für ihre Laufbahn wählen: Schnell fertig werden oder Erfahrungen sammeln. Ein Auslandsaufenthalt - welcher Art auch immer - ist und bleibt eine sehr persönliche Entscheidung.