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Mit Feuer und Flamme

Vom 14. bis 26. August steht in Singapur die Premiere der Olympischen Jugendspiele an, die das IOC auf seiner 119. Session im Jahre 2007 beschlossen hat. Der Grundgedanke der Befürworter: Schon im Jugendalter soll die Olympische Idee verankert werden.

Von Gerd Michalek |
    Die Kritiker hingegen bemängeln unter anderem, dass das IOC ohne längere Diskussion das Projekt "Olympische Jugendspiele" durchgeboxt habe. Am 21. Mai beginnen für die Leichathletik - als Olympischer Kernsportart - in Moskau die Ausscheidungswettkämpfe für europäischen Athleten.

    Eine Premiere ist reizvoll - das gilt natürlich auch für die ersten Olympischen Jugendspiele im August 2010:

    "Es gibt eine Olympische Flamme, Einmarsch und alle anderen Zeremonien auch. Diese ganze Atmosphäre spüren zu dürfen, das Gefühl, bei den ersten Olympischen Spielen zu sein. Ich glaube es wird ein fantastisches Erlebnis sein. In einer großen Stadt wie Singapur wird das richtig toll."

    Davon träumt Sonja Mosler, Deutschlands schnellste jugendliche 400-Meter-Läuferin. Die erst 16-Jährige wurde vom Deutschen Leichtathletikverband für die europäische Qualifikation nominiert. Diese ist wie ein Gang durchs Nadelöhr: In der Kernsportart Leichtathletik wird viel stärker gesiebt als bei normalen Olympischen Spielen, betont Trainer Paul-Heinz Wellmann vom TSV Bayer Leverkusen:
    "Die Regularien bei Weltmeisterschaften oder normalen Olympischen Spielen sind vorher klar festgelegt - da weiß man, wenn man zu den drei besten Deutschen gehört, ist man dabei. Und hier ist das nicht so einfach, weil man europäisch ausgesiebt wird."

    Konkret: Vom 21. bis 23 Mai treten die 33 aussichtsreichsten Athleten des DLV bei den Ausscheidungswettkämpfen in Moskau an: Pro Disziplin dürfen schließlich nur 16 Athleten aus aller Welt in Singapur starten. Wie diese auf die einzelnen Kontinente verteilt werden, hängt von der jeweiligen Disziplin ab: Europa ist in den Laufdisziplinen nicht so stark wie in technischen Wettbewerben. Daher gibt es im 400-Meter-Lauf nur fünf Europa-Tickets. Eine mächtige Hürde für Sprinterin Sonja Mosler vom TV Herkenrath:

    "Ich gehe da jetzt positiv ran. Wie ich in der Bestenliste in Europa stehe, weis ich nicht, weil die noch nicht veröffentlicht wurde."

    Im Stabhochsprung werden Europa immerhin acht Startplätze eingeräumt. Damit DLV-Anwärter Jonas Efferoth aus Leverkusen einen davon ergattert, muss er im Bereich seiner Bestleistung von 4,95 Meter springen:

    "In Moskau, dort wo die Qualifikation stattfindet, will ich erstens mein bestes geben und versuchen, weiterzukommen. Zweitens: Man hat die Chance, sich mal mit anderen Athleten auf internationales Niveau zu begeben. Und dann das ganze drum herum: Wenn es wirklich ein Olympisches Dorf gibt und eine Eröffnungsfeier. Das sind Sachen, worauf man sich freut."
    Entsprechend stark sind Top-Athleten für die europäische Ausscheidung in Moskau motiviert. Wie in der Leichtathletik wird generell auch in den anderen 25 Sportarten der Olympischen Jugendspiele verfahren: Erst nach kontinentalen Ausscheidungen erfolgt die endgültige Nominierung.

    Die Premiere der Olympischen Jugendspiele ist vorrangig ein Spitzensport-Ereignis. Daneben will das IOC olympische Werte vermitteln - durch Kultur- und Bildungsveranstaltungen. Durchaus eine Chance, sagt der Jugendreferent des Leichtathletikverbandes Nordrhein, Hans-Joachim Scheer:

    "Dass man über die eigene Sportart hinaus schaut, mit anderen Sportlern in Kontakt kommt und sich austauschen muss. Gerade im Jugendbereich, wo wir ja wissen, dass sehr viel informelle Bildung passiert, ist die Idee, hier Begegnung und Kulturaustausch zu schaffen, den Blick in andere Kulturkreise zu gewährleisten, eine prima Sache."

    Skeptischer sieht es Guido Schmitt, der Trainer von 400m-Läuferin Sonja Mosler:

    "Das ist nicht die Zielgruppe, wo man Bildungsinhalte rüberbringen kann. Das sind Leute, die voll im Sport drin sind, die schon fast profi-haft trainieren. Grundsätzlich finde ich das Problem in der Leichtathletik, dass Kinder und Jugendliche zu früh zu speziell zu intensiv trainiert werden. Dass es eher eine Gefahr ist, als dass man sagen könnte, dass sie es nötig hätten, einen weiteren Höhepunkt einzuführen."

    Ohnehin steht den jungen Topathleten des DLV eine große Meisterschaft im Juli bevor, die U-20-WM in Kanada. Da heißt es: Kräfte einteilen! Deshalb will der DLV auch nicht, dass Jugendliche beide Wettkämpfe bestreiten. 400-Meter-Läuferin Sonja Mosler wird nur auf einer Hochzeit tanzen. Sie tröstet sich:

    "Wenn ich mich in Moskau qualifiziere, kann ich nicht nach Kanada fahren. Ich meine, die WM wird in zwei Jahren stattfinden, die Olympischen Spiele erst wieder in vier."

    Es bleibt das Dilemma, dass ein Mega-Event wie die Olympischen Jugendspiele starke Anreize für hoch gezüchteten Spitzensport bieten, aber nicht unbedingt breiten Bevölkerungsschichten Sport nahe bringt. Jugendreferent Hans-Joachim Scheer mit Blick auf den Spitzensport:

    "Der zweite Aspekt, den ich kritisch sehe, ist, dass die Motivation sich für diese Jugendspiele zu qualifizieren, so herausragend ist, dass die Verführung zu spezifischen Trainingsmethoden, um dieses Ziel zu erreichen, durchaus groß ist. Und möglicherweise da auch ein kontinuierlicher Leistungsaufbau, wie er immer gefordert wird, um zum Hochleistungsalter auch wirklich die Spitzenleistung zu erreichen - außer Acht gesetzt wird."