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Mit Fliegen gegen Fliegen

Biologie. Die Fruchtfliege gilt als gefährlichster Schaderreger in mediterranen Zitruskulturen. Sie kann komplette Ernten vernichten. Mit dem Aussetzen unfruchtbarer Männchen könnte die Gefahr gebannt werden.

Von Volker Mrasek |
    "Millionen Fliegen. Das klingt dramatisch. Aber es kommt nur ein feiner Dunst aus der Maschine. Man sieht keinen Schwarm."

    "Normalerweise setzt man 2000 Fliegen pro Hektar aus, und das zwei- oder dreimal in der Woche."

    "Man fährt mit seinem Traktor herum. Hinten dran sitzt die Dosiermaschine, und die pumpt die Insekten in die Obstplantage."

    Es ist ein komisches Geschäft, das Neil Goldsmith und Charlie Rose betreiben. Um Schadinsekten in Obstkulturen zu bekämpfen, setzen sie genau diese Insekten in den Anlagen aus. Doch es sind keine normalen Fliegen, die aus der "bodengestützten Dosiermaschine" strömen. sondern Zuchtexemplare, die vorher sterilisiert wurden: abermillionen unfruchtbare Männchen, die die Obstgärten überschwemmen und den natürlichen Fliegenbestand unterwandern.

    "Die Grundidee ist, dass man eine große Menge männlicher Fliegen aussetzt, deren Samen nicht funktionstüchtig ist. Auf ein Weibchen in der Obstanlage kommen dann vielleicht 20 unfruchtbare Männchen aus der Zuchtkultur und nur ein fruchtbares Männchen aus dem natürlichen Bestand. In den meisten Fällen wird sich das Weibchen also mit einem sterilen Partner paaren. Es produziert dann vielleicht noch Eier, aber die entwickeln sich nicht."

    Goldsmith und Rose sind Gründer der Firma InSecta in London. Mit ihrer Methode haben es die beiden Briten vor allem auf einen Schädling abgesehen: auf die Mittelmeer-Fruchtfliege.

    Orangen- und Zitronenanbauer fürchten das unscheinbare Insekt wie kein anderes. Die Larven ernähren sich von den Früchten im Obsthain. Obwohl kaum größer als ein Stecknadelkopf, gilt die Fruchtfliege als gefährlichster Schaderreger in den mediterranen Zitruskulturen. Sie kann komplette Ernten vernichten. In Südafrika befällt sie auch Tafeltrauben, in Asien Feigen.

    Bisher bekämpfen südeuropäische Obstbauern die Plage mit chemischen Mitteln. Doch das wichtigste Pestizid, ein Produkt namens Malathion, steht bald nicht mehr zur Verfügung. Laut Goldsmith will es die EU-Kommission verbieten, wegen gesundheitlicher Bedenken, deshalb die Versuche mit den sterilen Fliegen als mögliche Alternative. Nach drei Jahren ist das EU-Projekt jetzt abgeschlossen.

    "Es laufen Programme in Valencia, auf Madeira und in Israel. Sie sind alle sehr erfolgreich. In Israel ist es sogar gelungen, die Fliegenpopulation bis auf Null herunterzuschrauben. Dort wachsen die Obstplantagen in der Wüste, und es wandern keine neuen Fruchtfliegen ein. Auf Madeira gingen die Schädlingsbestände um rund 80 Prozent zurück. Dort ist die Bekämpfung schwieriger. Die Zitrusanlagen sind von Bergen umgeben, und es kommen ständig Fliegen von außerhalb herein."

    Über 800 Obstbauern in zehn Anrainerstaaten des Mittelmeeres erproben die sterile Insektentechnik mittlerweile. Es gibt zwei Fabriken mit eigenen Zuchtkolonien, eine in Portugal und eine in Spanien. Im Puppenstadium werden die Fliegen bestrahlt, um sie unfruchtbar zu machen. Nach Angaben der Projektleiter geschieht das mit den gleichen Geräten wie sie Krankenhäuser benutzen, um Medizinabfälle zu sterilisieren. Als Puppe kann man die Insekten auch am besten über lange Strecken transportieren. Vor Ort im Anbaugebiet muss man sie dann nur noch schlüpfen lassen.

    Die beiden Fabriken produzieren Woche für Woche über eine Milliarde Fliegen. Auch jetzt, im Winter. In Israel etwa ist das ganze Jahr über Saison für Zitrusfrüchte und auch für die darauf abonnierte Fruchtfliege.