Tatsächlich macht sich die gefürchtete Überalterung des Klassik-Publikums in der Kammermusik noch stärker bemerkbar als in der Oper oder im Symphoniekonzert. Umso verblüffender ist die Entwicklung auf den Podien: Unter den Streichquartetten ist den letzten Jahren ein wahrer Frühling ausgebrochen. Wer gesehen hat, wie die jungenhaften Gesichter der vier Musiker des Jerusalem-Quartet beim Spielen vor Begeisterung leuchten, wer erlebt hat, mit welcher draufgängerischen Risikofreude das Quatuor Ebène musiziert, dem kann um die Zukunft der Gattung Streichquartett nicht bange sein.
Schließlich liegt das Durchschnittsalter dieser erstklassigen Ensembles bei Mitte 20. Noch jünger ist das Ensemble, das ich Ihnen in den kommenden knapp 20 Minuten vorstellen möchte: Es heißt Quatuor Modigliani und kommt aus Frankreich. Mit seiner zweiten, Joseph Haydn gewidmeten CD beweist das Modigliani-Quartett mit Nachdruck, dass im Augenblick an vielversprechenden jungen Ensembles kein Mangel herrscht. Hier das Quatuor Modigliani mit dem Beginn von Haydns Streichquartett op. 76 Nr. 4 - genannt: Der Sonnenaufgang.
1. Satz - Allegro con spirito
aus: Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello B-dur, op. 76/4
Das Quatuor Modigliani mit dem Kopfsatz aus dem Streichquartett B-Dur op. 76 Nr. 4 von Joseph Haydn, bekannt als "Sonnenaufgangs-Quartett". Wenn ich mit zwei Worten den charakteristischen Klang des Modigliani-Quartetts beschreiben müsste, dann würde ich sagen: sehr französisch. Dass sich der Klang einer Sprache auch in der Art des Musizierens im betreffenden Sprachraum niederschlägt, ist immer wieder verblüffend. Jedenfalls lässt sich nicht leugnen, dass französische Orchester heller, nasaler, weniger satt und bassgrundiert klingen als deutsche.
Unüberhörbar gilt das auch für den Klang des Quatuor Modigliani: Sehr transparent, hell, seidig und ein wenig nasal. Dieser Haydn hat einen leichten französischen Akzent, und das wirkt auf mich ausgesprochen charmant. Schließlich war Haydns Zeitalter nicht nur das der Empfindsamkeit, sondern auch das der Aufklärung. Und deren Ideal war die Klarheit, französisch: clarté. Beides, Klarheit und Empfindsamkeit, verbindet sich im Spiel des Quatuor Modigliani auf höchst sympathische Weise.
Dass die vier Musiker dabei hörbar von der historischen Aufführungspraxis inspiriert sind, ohne gelegentlich ein sinnliches Vibrato zu scheuen, verbindet sich ausgezeichnet mit diesem Interpretations-Ideal. Dazu kommt eine gewisse emotionale Reserve: Die Modiglianis gehen im Ausdruck nie ins Extrem, wahren stets elegant die Balance. Wett gemacht wird diese emotionale Zurückhaltung durch klangliche Sensibilität und frei atmende musikalische Bögen. So etwa im langsamen Satzes aus dem "Sonnenaufgangs-Quartett", ein hymnisches Adagio, das vom Quatuor Modigliani angenehm zügig genommen wird.
2. Satz - Adagio
aus: Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello B-dur, op. 76/4
Französische Klarheit trifft auf österreichische Innigkeit: Das Quatuor Modigliani mit dem Beginn des langsamen Satzes aus Haydns Sonnenaufgangs-Quartett. Wenn Ihnen die Art, wie das Quatuor Modigliani diesen langsamen Satz spielt - einen der schönsten, den Haydn geschrieben hat - eine Spur unterkühlt vorkommen sollte, dann hören Sie, wie lebendig und innig die Modiglianis das Largo aus dem sogenannten "Reiter-Quartett" gestalten, also den langsamen Satz aus Haydns g-moll-Quartett op. 74 Nr. 3. Hier spürt man, wie intensiv sich die vier jungen Franzosen mit Haydns musikalischer Sprache auseinandergesetzt haben, und hier treffen sie genau die spezifische Ausdruckswelt von Haydns langsamen Sätzen: mit existenziellem Ernst und dennoch unaufgeregt spricht sich hier ein Individuum aus, hochexpressiv und doch getragenen von großer innerer Gelassenheit.
2. Satz - Largo assai
aus: Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello g-moll, op. 74/3
Largo assai - der langsame Satz aus dem sogenannten Reiter-Quartett von Joseph Haydn. Sie hören "Die neue Platte" im Deutschlandfunk, heute mit einer beim Label Mirare erschienen Haydn-CD des Quatuor Modigliani. Seit mittlerweile fünf Jahren spielt das junge Ensemble zusammen. Die Geiger Philippe Bernhard und Loic Rio, der Bratschist Laurent Marfaing und der Cellist Francois Kieffer haben sich am Pariser Konservatorium getroffen. Dort bekam das Ensemble Unterricht beim Ysaye-Quartett.
Weitere Lehrer waren der große Komponist György Kurtag und Walter Levin, der Primarius des LaSalle-Quartetts. Beeindruckt vom Können der vier jungen Franzosen war auch das Artemis-Quartett. Auf Einladung der berühmten Kollegen reist das Quatuor Modigliani regelmäßig nach Berlin, um dort an der Universität der Künste mit dem Artemis-Quartett zu arbeiten. Preise hat das Modigliani-Quartett natürlich auch schon gewonnen - so den ersten Preis bei den Young Concert Artists Auditions in New York, auf den Auftritte in der Carnegie Hall, in der Londoner Wigmore Hall und am Pariser Chatelet folgten, also in den wichtigsten Kammermusik-Sälen der USA, Englands und Frankreichs. In Deutschland dagegen ist das Quatuor Modigliani noch vergleichsweise wenig bekannt. Hier das Menuett aus Haydns G-Dur-Quartett op. 54 Nr. 1 - auch dieses Stück ist nicht so bekannt, wie es verdiente.
3. Satz - Menuetto. Allegretto
aus: Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello G-dur, op. 54/1
Keine Frage: Ein Wiener Quartett würde diese Musik ganz anders spielen. Mit mehr Schmäh, mit mehr rhythmischen Freiheiten - eben "genial verschlampt", wie das die Österreicher nennen. Das Quatuor Modigliani hält sich da eher an die höfisch-elegante Seite dieser Musik. Schließlich hat Haydn die Einflüsse aus der Volksmusik, die seine Menuette unverkennbar prägen, sehr sorgfältig stilisiert: Ein Haydnsches Menuett, wie das eben gehörte aus dem Streichquartett G-Dur op. 54 Nr. 1, ist nun mal ein Stück Kunstmusik. Und als solche wollte Haydn seine Quartette auch verstanden wissen. Als Mozart ihn vor seiner ersten London-Reise fragte, wie er dort zurecht kommen wolle, wo er doch kein Englisch könne, soll Haydn stolz geantwortet haben: Meine Sprache versteht man durch die ganze Welt. Tatsächlich zirkulierten Haydns Quartette schon zu seinen Lebzeiten in Drucken und Abschriften in ganz Europa.
Dass diese Musik eine universale Sprache spricht, die nichts von ihrer spontanen Verständlichkeit und Lebendigkeit eingebüßt hat, dass sie sich heute wie damals aufs Reizvollste mit unterschiedlichen musikalischen Traditionen und Idiomen mischt, das belegt die neue Platte des Quatuor Modigliani. Und auch, dass von diesem jungen Quartett noch einiges zu erwarten ist. Technisch und musikalisch hat es schon jetzt eine bemerkenswerte Reife. Seinem ersten Geiger Philippe Bernhard würde man ein klanglich verführerischeres Instrument wünschen. Junge Musiker können sich so etwas aus eigener Kraft ja unmöglich leisten. Vielleicht erbarmt sich ja irgendeine Stiftung und versorgt ihn mit einem alt-italienischen Meisterinstrument. Auf jeden Fall hat das Quatuor Modigliani schon jetzt jede Aufmerksamkeit verdient.
4. Satz - Allegro von brio
aus: Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello g-moll, op. 74/3
Streichquartette von Joseph Haydn hat das junge französische Quatuor Modigliani auf seiner zweiten CD eingespielt. Zuletzt hörten Sie das Finale aus dem sogenannten Reiterquartett op. 74 Nr. 3. Erschienen ist diese CD beim französischen Label Mirare.
Titel: Joseph Haydn - Streichquartette
Ensemble : Quatuor Modigliani
Label: Mirare/harmonia mundi
Bestellnummer: Mir 065
Schließlich liegt das Durchschnittsalter dieser erstklassigen Ensembles bei Mitte 20. Noch jünger ist das Ensemble, das ich Ihnen in den kommenden knapp 20 Minuten vorstellen möchte: Es heißt Quatuor Modigliani und kommt aus Frankreich. Mit seiner zweiten, Joseph Haydn gewidmeten CD beweist das Modigliani-Quartett mit Nachdruck, dass im Augenblick an vielversprechenden jungen Ensembles kein Mangel herrscht. Hier das Quatuor Modigliani mit dem Beginn von Haydns Streichquartett op. 76 Nr. 4 - genannt: Der Sonnenaufgang.
1. Satz - Allegro con spirito
aus: Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello B-dur, op. 76/4
Das Quatuor Modigliani mit dem Kopfsatz aus dem Streichquartett B-Dur op. 76 Nr. 4 von Joseph Haydn, bekannt als "Sonnenaufgangs-Quartett". Wenn ich mit zwei Worten den charakteristischen Klang des Modigliani-Quartetts beschreiben müsste, dann würde ich sagen: sehr französisch. Dass sich der Klang einer Sprache auch in der Art des Musizierens im betreffenden Sprachraum niederschlägt, ist immer wieder verblüffend. Jedenfalls lässt sich nicht leugnen, dass französische Orchester heller, nasaler, weniger satt und bassgrundiert klingen als deutsche.
Unüberhörbar gilt das auch für den Klang des Quatuor Modigliani: Sehr transparent, hell, seidig und ein wenig nasal. Dieser Haydn hat einen leichten französischen Akzent, und das wirkt auf mich ausgesprochen charmant. Schließlich war Haydns Zeitalter nicht nur das der Empfindsamkeit, sondern auch das der Aufklärung. Und deren Ideal war die Klarheit, französisch: clarté. Beides, Klarheit und Empfindsamkeit, verbindet sich im Spiel des Quatuor Modigliani auf höchst sympathische Weise.
Dass die vier Musiker dabei hörbar von der historischen Aufführungspraxis inspiriert sind, ohne gelegentlich ein sinnliches Vibrato zu scheuen, verbindet sich ausgezeichnet mit diesem Interpretations-Ideal. Dazu kommt eine gewisse emotionale Reserve: Die Modiglianis gehen im Ausdruck nie ins Extrem, wahren stets elegant die Balance. Wett gemacht wird diese emotionale Zurückhaltung durch klangliche Sensibilität und frei atmende musikalische Bögen. So etwa im langsamen Satzes aus dem "Sonnenaufgangs-Quartett", ein hymnisches Adagio, das vom Quatuor Modigliani angenehm zügig genommen wird.
2. Satz - Adagio
aus: Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello B-dur, op. 76/4
Französische Klarheit trifft auf österreichische Innigkeit: Das Quatuor Modigliani mit dem Beginn des langsamen Satzes aus Haydns Sonnenaufgangs-Quartett. Wenn Ihnen die Art, wie das Quatuor Modigliani diesen langsamen Satz spielt - einen der schönsten, den Haydn geschrieben hat - eine Spur unterkühlt vorkommen sollte, dann hören Sie, wie lebendig und innig die Modiglianis das Largo aus dem sogenannten "Reiter-Quartett" gestalten, also den langsamen Satz aus Haydns g-moll-Quartett op. 74 Nr. 3. Hier spürt man, wie intensiv sich die vier jungen Franzosen mit Haydns musikalischer Sprache auseinandergesetzt haben, und hier treffen sie genau die spezifische Ausdruckswelt von Haydns langsamen Sätzen: mit existenziellem Ernst und dennoch unaufgeregt spricht sich hier ein Individuum aus, hochexpressiv und doch getragenen von großer innerer Gelassenheit.
2. Satz - Largo assai
aus: Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello g-moll, op. 74/3
Largo assai - der langsame Satz aus dem sogenannten Reiter-Quartett von Joseph Haydn. Sie hören "Die neue Platte" im Deutschlandfunk, heute mit einer beim Label Mirare erschienen Haydn-CD des Quatuor Modigliani. Seit mittlerweile fünf Jahren spielt das junge Ensemble zusammen. Die Geiger Philippe Bernhard und Loic Rio, der Bratschist Laurent Marfaing und der Cellist Francois Kieffer haben sich am Pariser Konservatorium getroffen. Dort bekam das Ensemble Unterricht beim Ysaye-Quartett.
Weitere Lehrer waren der große Komponist György Kurtag und Walter Levin, der Primarius des LaSalle-Quartetts. Beeindruckt vom Können der vier jungen Franzosen war auch das Artemis-Quartett. Auf Einladung der berühmten Kollegen reist das Quatuor Modigliani regelmäßig nach Berlin, um dort an der Universität der Künste mit dem Artemis-Quartett zu arbeiten. Preise hat das Modigliani-Quartett natürlich auch schon gewonnen - so den ersten Preis bei den Young Concert Artists Auditions in New York, auf den Auftritte in der Carnegie Hall, in der Londoner Wigmore Hall und am Pariser Chatelet folgten, also in den wichtigsten Kammermusik-Sälen der USA, Englands und Frankreichs. In Deutschland dagegen ist das Quatuor Modigliani noch vergleichsweise wenig bekannt. Hier das Menuett aus Haydns G-Dur-Quartett op. 54 Nr. 1 - auch dieses Stück ist nicht so bekannt, wie es verdiente.
3. Satz - Menuetto. Allegretto
aus: Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello G-dur, op. 54/1
Keine Frage: Ein Wiener Quartett würde diese Musik ganz anders spielen. Mit mehr Schmäh, mit mehr rhythmischen Freiheiten - eben "genial verschlampt", wie das die Österreicher nennen. Das Quatuor Modigliani hält sich da eher an die höfisch-elegante Seite dieser Musik. Schließlich hat Haydn die Einflüsse aus der Volksmusik, die seine Menuette unverkennbar prägen, sehr sorgfältig stilisiert: Ein Haydnsches Menuett, wie das eben gehörte aus dem Streichquartett G-Dur op. 54 Nr. 1, ist nun mal ein Stück Kunstmusik. Und als solche wollte Haydn seine Quartette auch verstanden wissen. Als Mozart ihn vor seiner ersten London-Reise fragte, wie er dort zurecht kommen wolle, wo er doch kein Englisch könne, soll Haydn stolz geantwortet haben: Meine Sprache versteht man durch die ganze Welt. Tatsächlich zirkulierten Haydns Quartette schon zu seinen Lebzeiten in Drucken und Abschriften in ganz Europa.
Dass diese Musik eine universale Sprache spricht, die nichts von ihrer spontanen Verständlichkeit und Lebendigkeit eingebüßt hat, dass sie sich heute wie damals aufs Reizvollste mit unterschiedlichen musikalischen Traditionen und Idiomen mischt, das belegt die neue Platte des Quatuor Modigliani. Und auch, dass von diesem jungen Quartett noch einiges zu erwarten ist. Technisch und musikalisch hat es schon jetzt eine bemerkenswerte Reife. Seinem ersten Geiger Philippe Bernhard würde man ein klanglich verführerischeres Instrument wünschen. Junge Musiker können sich so etwas aus eigener Kraft ja unmöglich leisten. Vielleicht erbarmt sich ja irgendeine Stiftung und versorgt ihn mit einem alt-italienischen Meisterinstrument. Auf jeden Fall hat das Quatuor Modigliani schon jetzt jede Aufmerksamkeit verdient.
4. Satz - Allegro von brio
aus: Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello g-moll, op. 74/3
Streichquartette von Joseph Haydn hat das junge französische Quatuor Modigliani auf seiner zweiten CD eingespielt. Zuletzt hörten Sie das Finale aus dem sogenannten Reiterquartett op. 74 Nr. 3. Erschienen ist diese CD beim französischen Label Mirare.
Titel: Joseph Haydn - Streichquartette
Ensemble : Quatuor Modigliani
Label: Mirare/harmonia mundi
Bestellnummer: Mir 065