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"Mit freizügigen Bikini-Fotos aus dem Urlaub gefunden werden"

Es sei wichtig, Kinder und Jugendlichen über die Folgen von Veröffentlichungen im Internet aufzuklären, sagt Medienpädagogin Ingrid Bounin von "Mediaculture online", einem Internetportal zur Medienbildung. Schädigende Fotos lassen sich später nicht mehr zurückholen, so die Expertin.

Ingrid Bounin im Gespräch mit Stephan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Das Poesiealbum hat ausgedient. Das Internet sorgt längst vor allem bei Jugendlichen für soziale Kontakte. In Chatrooms, Blogs und anderen sozialen Netzwerken werden Bilder und Informationen ausgetauscht. Stundenlang hängen Kinder und Jugendliche vor ihrem Computer. Ein Phänomen nicht ohne Risiken, denn was im World wide Web erscheint, ist nur schwer zurückzuholen - Datenmissbrauch nicht ausgeschlossen. Heute startet die Bundesregierung deshalb eine Kampagne, um Eltern und Jugendliche vor Gefahren des Internets zu warnen.
    Am Telefon begrüße ich jetzt Ingrid Bounin. Sie ist Journalistin und Pädagogin bei "Mediaculture online", einem Internetportal zur Medienbildung. Guten Tag, Frau Bounin.

    Ingrid Bounin: Schönen guten Tag.

    Heinlein: Werden die Jugendlichen auf Ilse Aigner hören?

    Bounin: Dass sie auf sich aufpassen sollen, ich glaube schon. Wir haben auch die Erfahrung gemacht hier am Landesmedienzentrum in Stuttgart - wir haben solche Projekte mit Jugendlichen an Schulen bereits durchgeführt -, wenn man sie darauf aufmerksam macht, dass sie dann auch sehr wohl in der Lage sind, ihr Verhalten darauf abzustimmen und auf sich Acht zu geben.

    Heinlein: Wie können denn Jugendliche im Internet auf sich Acht geben?

    Bounin: Zunächst, indem sie sich genau überlegen, was sie von sich preisgeben, gerade in diesen "social communities", wie es so schön heißt, dass sie aufpassen, welche Angaben sie dort machen und vor allem auch welche Fotos sie einstellen, weil das, was Ihre Kollegin auch erzählt hat, das ist so. Personalchefs heutzutage schauen sich ganz genau in diesen "Communities" um und möchten auch, dass ihre Bewerber dort gefunden werden, aber sie möchten nicht, dass sie mit unsäglichen Fotos von der letzten Party, wo man besoffen in einer Ecke saß, oder mit freizügigen Bikini-Fotos aus dem Urlaub gefunden werden, sondern sie möchten, dass die Bewerber deutlich machen, wir sind kompetent und wir haben auch darüber nachgedacht, was wir im Internet veröffentlichen.

    Heinlein: Also, Frau Bounin, keine Bikini-Fotos. Welche Angaben darf man denn machen, ohne in Gefahr zu geraten, dass diese Daten dann letztendlich auf lange Sicht missbraucht werden?

    Bounin: Das ist eine ganz schwierige Frage, denn so einfach kann man die nicht beantworten, weil es kommt immer darauf an, was man möchte. Wenn sie mit Jugendlichen sprechen, dann sagen die immer, ich möchte gefunden werden, ich möchte, dass jemand weiß, was ich tue, was meine Hobbys sind, was mich interessiert, weil dann kann ich mich mit anderen darüber auch austauschen. Deswegen ist es immer so ein kleiner Spagat. Es gibt sicher "Communities", da kann man doch einigermaßen sicher sein, die auch selber darauf achten, was die Jugendlichen von sich preisgeben, die auch eine ganz gute Art und Weise haben, dass man Privatsphären-Einstellungen vornehmen kann und sagen kann, nur meine Freunde dürfen das und das sehen. Da gibt es schon "Communities", die inzwischen gut darauf aufpassen, aber es gibt eben auch die vielen anderen und da muss man eigentlich sagen, am besten so wenig private Daten wie möglich.

    Heinlein: Also der Schutz durch ein Passwort wie etwa bei StudiVZ und anderen sozialen Netzwerken ist durchaus ausreichend, damit nicht jeder bei diesen Daten mitlesen kann, auf lange Sicht auch nicht der künftige Personalchef?

    Bounin: Ja. Bei StudiVZ funktioniert es ja sogar so, dass man einstellen kann, nur meine Freunde können mich sehen, und wenn ich dann jemanden ansprechen möchte, dann muss ich den sozusagen anmailen und dann kann der entscheiden, nimmt er mich in seinen Freundeskreis auf oder nicht. Das ist zumindest mal eine Möglichkeit, seine Daten doch einigermaßen zu schützen, weil man immer noch die Kontrolle darüber hat, wer gehört dann irgendwann zu meinem Bekannten- oder Freundeskreis.

    Heinlein: Und die Daten, die dort veröffentlicht werden, können ja dann auf lange Sicht auch zurückgeholt werden, indem man sein Profil einfach löscht?

    Bounin: Leider ist das noch nicht ganz so. Die Daten können meistens nicht vollständig zurückgeholt werden, weil eben andere sich die Daten auch schon mal runterholen, sich runterladen und die Fotos bei sich downloaden oder auch persönliche Angaben, Textauszüge und so weiter, und die sind dann noch mal multipliziert, weil digital ist das ja alles sehr schön einfach, und dann hat man eigentlich keine Chance, seine Daten wirklich zu löschen. Da haben die "Communities" auch noch kein Mittel dagegen gefunden, weil es ist so: wenn man sein Profil löscht, dann heißt das noch immer nicht, dass die Daten auch tatsächlich dann für immer gelöscht sind.

    Heinlein: Frau Bounin, was verbirgt sich denn hinter dem Begriff "Cybermobbing"?

    Bounin: Das ist eigentlich eine Beschreibung dafür, dass das Mobbing, das durchaus ja real stattfindet, auf dem Schulhof oder auf der Straße, sozusagen ins Internet übertragen wird, und zwar meistens via Handy. Die Jugendlichen benutzen dieses Schlagwort des "happy slapping", fröhliches Schlagen. Man inszeniert eine Prügelei, nimmt sie mit dem Handy auf und stellt das dann beispielsweise ins Internet in so eine "Community". Auch da keine Chance, das jemals wieder wirklich rauszubekommen, weil das immer wieder hochgeladen werden kann. Solche Filme führen dann eben dazu, dass das Opfer dann im Nachhinein nicht nur geprügelt wurde, sondern beispielsweise im Internet weiter diffamiert wird. Es wird über ihn hergezogen, gehetzt. Alle Formen des Mobbings, alle Register werden gezogen und es hört eben nie auf. Das Internet läuft immer und die Mobbing-Daten sind alle vorhanden und deswegen ist derjenige eigentlich dauerhaft davon betroffen.

    Heinlein: Zum Schluss: wir haben über die Kinder geredet, wir haben über die Politik geredet; was können denn Eltern tun, um ihre Kinder im Internet zu schützen?

    Bounin: Da ist dieses Projekt "watch your Web", das Sie auch gerade vorgestellt haben, natürlich auch eines, das da sehr gut passt, denn Eltern müssten eigentlich insgesamt einfach genau hinschauen, was ihre Kinder im Netz tun, mit ihnen im Gespräch bleiben und sie auch auf die eine oder andere Gefahr durchaus hinweisen, denn diese Gefahren gibt es ja nicht nur was die eigenen Daten angeht, sondern auch was Gewalt, was Pornographie und so weiter angeht, also da den Kindern einfach klarmachen, was geht und was geht nicht, was halten wir für sinnvoll und was ist nicht so sinnvoll.

    Heinlein: Die Journalistin und Medienpädagogin Ingrid Bounin. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Bounin: Auf Wiederhören!