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Mit Gebärden sprechen lernen

Der Bundesrat berät am 22. März nicht nur das viel beachtete Zuwanderungsgesetz, sondern auch ein neues Gleichstellungsgesetz für Behinderte. Gehörlose etwa haben danach einen Anspruch auf Dolmetscher in Verwaltungsverfahren oder beim Arzt. Doch für die rund 80.000 Gehörlosen in Deutschland fehlt es an geeigneten Gebärdendolmetschern. Auf 2500 jährlich wird der Bedarf geschätzt. Die Berliner Humboldt-Universität führt nun zum kommenden Semester einen Studiengang Gebärdendolmetscher ein und folgt damit dem Beispiel, das Hochschulen in Hamburg, Zwickau, Stendhal und Magdeburg gegeben haben. An der Fachhochschule Magdeburg gibt es den Studiengang bereits seit 1997. In einer vierjährigen Ausbildung lernen die Sudierenden, simultan aus der gesprochenen in die Gebärdensprache zu übersetzen. Zwar hatten die meisten Studierenden schon vorher mit Gehörlosen zu tun, beruflich oder privat, doch der Unterricht setzt keine Vorkenntnisse voraus. Die Gebärdensprache hat eine eigene Grammatik und ist ebenso komplex wie das gesprochene Wort. Das Zeichensystem muss wie eine Fremdsprache erlernt werden. Es ist sogar etwas schwerer als Englisch oder Französisch, meint der Student Florian Schubert: "Es ist insofern nicht vergleichbar, weil man die Vokabeln nicht aufschreiben kann. Ich habe mein Gebärdensprachwissen im Kopf." Die lautlose Kommunikation setzt Mimik und Gesten bewusst ein. Zum Unterricht gehören deshalb auch szenische Darstellung und Pantomime. Die Erfahrung von Professor Jens Hoffman aus Magdeburg zeigt, dass gerade Hörende in der Mimik eine Schwäche haben: "Da wundern wir uns ein bisschen, denn das ist eigentlich etwas ganz Natürliches. Doch der Sprung dahin, es bewusst einzusetzen, sich mit Mimik auszudrücken, ist für viele doch sehr groß." Auf dem Arbeitsmarkt sind qualifizierte Gebärdendolmetscher begehrt. Häufig werden die Studenten schon vor dem Studien-Ende abgeworben. Hoffmann betont, wie wichtig eine qualifizierte Ausbildung dennoch ist: "Es ist erst in den letzten Jahren entstanden, dass es Professionalisierungsverfahren gibt, dass es neue Qualitätsmaßstäbe gibt. Vorher herrschte völliger Wildwuchs." In Berlin soll der neue Studiengang an der Humboldt-Universität nur drei Jahre dauern und mit einem internationalen Bachelor-Abschluss enden.

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    Viele nützliche Tipps unter anderem zum Gebärdensprache-Studium gibt es bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Hörbehinderter Studenten und Absolventen e.V.