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Mit Gesangbuch und Parteibuch

Die Unionsparteien führen das C im Namen, doch auch in den übrigen großen Parteien schließen sich christliche Aktivisten zu Arbeitskreisen zusammen oder sprechen gezielt Gläubige als Wähler an.

Von Jens Rosbach | 31.01.2010
    Rachel: "Ich glaube, dass die Suche der Menschen nach Orientierung, nach Begründung ihres Lebens - aber auch von Politik, zugenommen hat. Während in der Gesamtgesellschaft der Anteil der Christen aufgrund der säkularen Entwicklung eher rückläufig ist, scheint die Suche der Menschen nach Antworten über den Sinn ihres Lebens eher zuzunehmen."

    Lohmann: "Also Geld allein - oder Boni-Zahlungen allein - können ja wohl nicht das Wertvolle sein, aus dem heraus man lebt. Wer soll denn diese Wertorientierung anbieten, wenn nicht die Christen es tun?"

    Schieder: "Ich freue mich darüber, dass die Religion in der öffentlichen Wahrnehmung ihren angemessenen Platz erhält. Ich warne aber davor, mit der religiösen Karte politisch zu spielen."

    Neue christliche Arbeitskreise, Wertedebatten in der Stammzell- und Familienpolitik, Streit um das C im CDU-Namen - die Religion steht auf der Agenda der Parteien. Martin Lohmann, Sprecher des kürzlich gegründeten Arbeitskreises Engagierter Katholiken in der Union:

    "Wir haben beobachtet, dass sehr viele Menschen in Deutschland in dieser Partei nicht mehr so richtig politisch beheimatet sind. Dass sie gesagt haben: Wo ist das prägnante Katholische? Und deshalb sind wir aufgestanden und haben gesagt: Wir wollen dieses Katholische ganz klar zur Sprache bringen."

    Otto Fricke, Vertreter der neuen Gruppe "Christen in der FDP-Bundestagsfraktion":

    "Gott ist auch ein Liberaler. Wenn wir uns die Bibel mal an vielen Stellen genauer angucken, dann ist Basis der Bibel an vielen Stellen eine soziale Marktwirtschaft."

    Religiöse Botschaften auch aus den Reihen der Opposition. Etwa von Kerstin Griese, Sprecherin des Arbeitskreises Christinnen und Christen in der SPD:

    "In unserem Grundsatzprogramm betonen wir ja, dass es verschiedene Wurzeln gibt, sich in der Sozialdemokratie zu engagieren - und dass eben auch die jüdisch-christlichen Traditionen eine dieser Wurzeln sind. Und dann ist es gut, einen solchen Arbeitskreis zu haben."

    Auch die Grünen präsentieren eine "Bundesarbeitsgemeinschaft Christinnen und Christen". Selbst Die Linke hat eine kleine christliche Partei-AG - und schickt gar ausgewiesene Atheisten auf Kirchentage. Wie die Bremerin Birgit Menz:

    "Gott gehört nicht nur den Christen und denen, die daran glauben, sondern über Gott müssen auch wir reden. Gott ist für mich persönlich kein Begriff als solcher, weil es ist für jeden was anderes. Aber man muss auf alle Fälle über die Religionen reden."

    Was hat es mit dem Christlichen in der Parteipolitik auf sich? Ein Blick auf die CDU/CSU. Hier gibt es seit Wochen eine heftige Konfessionsdebatte. Anlass ist die Entstehung des unionsinternen Arbeitskreises Engagierter Katholiken. Die Initiative zeigt sich unzufrieden mit dem Kurs der C-Parteien - und verweist auf rund vier Millionen Wähler, die der Union verloren gegangen seien in den letzten Jahren. Dem Arbeitskreis zufolge haben sich 2009 etwa viele Katholiken von der CDU abgewendet, weil Parteichefin Angela Merkel den Papst attackiert hatte. Hintergrund war Roms Umgang mit dem Holocaust-Leugner Richard Williamson. Die Bundeskanzlerin - und Protestantin - Merkel hatte den "Heiligen Vater" in aller Öffentlichkeit gerügt. Martin Lohmann, der Sprecher des neuen Katholikenkreises, findet dies unerhört.

    "Ich hätte mir gewünscht, dass Frau Merkel das korrigiert - es ist so, es hat viele verärgert, und wir halten es auch für falsch, was sie da gemacht hat. Aber auch das muss möglich sein, ohne dass man gleich die Inquisitionsfrage stellt, die eigentlich in der Partei gar nichts zu suchen hat."

    Lohmann ist Bonner Journalist und hat den Arbeitskreis zusammen mit weiteren konservativen Katholiken ins Leben gerufen - etwa Wolfgang Bosbach, Norbert Geis und Dominikanerpater Wolfgang Ockenfels. Sie haben nach eigener Auskunft mittlerweile über eintausend Mitstreiter gefunden. Die Aktivisten sind überzeugt, dass sich CDU und CSU nicht genug für den Lebensschutz eingesetzt haben, als sie das eingeschränkte Forschen mit embryonalen Stammzellen erlaubten. Die katholische Initiative ist zudem der Ansicht, dass die christlichen Parteien die Institution Ehe nicht ausreichend schützen. Das Verfassungsgut Ehe werde, so Lohmann wörtlich, durch Homo-Partnerschaften "diffamiert":

    "Was uns alle stört im Arbeitskreis engagierter Katholiken ist, dass es immer wieder eine reflexartige Inquisitionsfrage gibt nach dem Motto: Bist Du für oder gegen Merkel? Diese Frage stellt sich nicht. Wir stehen hinter Angela Merkel! Wir möchten schon, dass in der CDU, wo ein C draufsteht, auch mehr C drin ist. Es ist so, wenn Sie zum Apotheker gehen und sagen: Ich möchte Vitamin C! Wenn der Ihnen kein Vitamin C reicht, dann würden Sie wahrscheinlich doch sagen: Hey, ich hatte Vitamin C verlangt und Sie geben mir jetzt eine Tüte Mehl! Das geht nicht. Wir brauchen mehr C in dieser Partei - es ist doch nicht verboten, Kritisches in einer demokratischen Partei zu sagen!"

    Lohmanns Katholikengruppe ist vor allem dem Evangelischen Arbeitskreis der Union ein Dorn im Auge. Der EAK, wie er abgekürzt heißt, wurde bereits 1952 gegründet - als Gegengewicht zu der katholischen Mehrheit in der CDU/CSU. Heute wirbt das einflussreiche evangelische Netzwerk mit prominenten Mitgliedern wie Finanzminister Wolfgang Schäuble, Unionsfraktionschef Volker Kauder und Kanzlerin Angela Merkel, die einst selbst EAK-Vorsitzende war. Der jetzige EAK-Chef, Protestant Thomas Rachel, will sich zu der neuen katholischen Konkurrenzgruppe nicht äußern:

    "Die Gründung von diversen Gesprächskreisen kommentiere ich nicht."

    Hinter vorgehaltener Hand schimpft man allerdings im Evangelischen Arbeitskreis, der Katholikenverein verrate den Unionsgedanken. Der Hintergrund: In der CDU wird Einheit groß geschrieben - als Lehre aus der Geschichte. Denn der Nationalsozialismus konnte auch deshalb an die Macht kommen, weil die Christen zersplittert und in unterschiedlichen politischen Gruppen teilweise gegeneinander gearbeitet haben. Somit wollte die CDU bei ihrer Gründung 1945 ganz bewusst Katholiken und Protestanten zusammenführen. So wird der neue katholische Unionskreis heute als bedenkliche Partei-Abspaltung empfunden. Deshalb ist der Kreis in aller Munde - und in allen Medien. CDU-Chefin Merkel hat mittlerweile angekündigt, sich mit den Aktivisten treffen zu wollen. Doch Thomas Rachel ist vorsichtig - und schweigt lieber über den neuen konfessionellen Gegenspieler. Der Chef des Evangelischen Arbeitskreises arbeitet hauptamtlich als parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbildungsministerium. Rachel ist gegenüber Journalisten so misstrauisch, dass er ein eigenes Tonbandgerät mitlaufen lässt beim Interview: Schließlich könnte jedes falsch zitierte Wort ein Beben in der Union auslösen:

    "Ich stelle fest, dass ganz, ganz viele, Hunderttausende Katholiken engagierte CDU-Leute, engagierte CSU-Mitglieder sind, die in der einen oder anderen Frage der Tagespolitik selbstverständlich auch mal andere Meinungen haben, die auch artikulieren. Das gehört zur demokratischen Partei dazu, die sich aber insgesamt sehr wohl fühlen in der CDU und in der CSU. Insofern sehe ich keinen Grundkonflikt."

    Schieder: "Naja, es gibt offenbar den Versuch, diese Initiative durch Nichtkommentierung klein zu halten und nicht stark werden zu lassen."

    Rolf Schieder ist Theologieprofessor an der Berliner Humboldt-Universität und beobachtet aufmerksam den Wirbel um die neue Katholiken-Initiative. Dem Wissenschaftler zufolge geht es den papsttreuen Aktivisten weniger um eine Wertedebatte. Vielmehr wollten sie den Modernisierungs-Kurs der CDU insgesamt bremsen und die Partei nach rechts schieben, erklärt der Experte:

    "Es ist ja im Moment auch ein offener Prozess innerhalb der CDU, ob das nun zu Polarisierung kommt, bei denen die Religion sozusagen instrumentalisiert wird, um politische Ziele durchzusetzen. Ich glaube, das ist die eigentliche Gefahr, dass nicht sozusagen ein authentisches religiöses Anliegen vorhanden ist, sondern mithilfe der Religion politische Ziele durchgesetzt werden sollen."

    Neue religiöse Aktivitäten auch beim Koalitionspartner FDP. Hier ist im vergangenen Frühjahr die Gruppe "Christen in der FDP-Bundestagsfraktion" entstanden. 41 der insgesamt 93 liberalen Abgeordneten sind mittlerweile Mitglied dieses ökumenischen Arbeitskreises. Die Aktivsten von ihnen findet man etwa beim Morgengebet im Andachtsraum des Reichstaggebäudes. Eigentlich galten die Liberalen jahrzehntelang als religionskritisch und antiklerikal. In den 70er-Jahren forderte der FDP-Bundesparteitag gar die Abschaffung der Kirchensteuer. Der evangelische Abgeordnete Otto Fricke erklärt die neue Lage:

    "Da hat sich bei uns aber Einiges geändert. Dadurch, dass jeder ja jederzeit sagen kann: Ich will dieser Kirchensteuerpflicht nicht mehr unterliegen, ist das für einen Liberalen - jedenfalls im Grundsatz - etwas, wo man sagen kann: Ja, gut, wenn ich es so einfach kann, dann muss ich es an der Stelle nicht mehr machen. Aber der, der es will, der soll es ruhig tun. Und damit ist der Punkt jedenfalls inzwischen erledigt."

    In der Gruppe der liberalen Bundestagschristen diskutieren Katholiken und Protestanten über ethisch heikle Fragen wie Bio-Wissenschaften, Sterbehilfe oder Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Mitunter stimmen sie auch für Parlamentsanträge, die abseits der liberalen Linie liegen. Kein Wunder, dass der neue Kreis innerhalb der FDP mitunter für Skepsis sorgt. Und auch außerhalb der Partei - etwa beim Koalitionspartner. So beansprucht der Evangelische Arbeitskreis der Union zwar für sich, ausschließlich lautere christliche Ziele zu verfolgen. Gleichzeitig spricht er aber den Christen in der FDP offenbar eine hehre Motivation ab. CDU/CSU-Protestantenvertreter Thomas Rachel, der auch im Bundesvorstand der Christdemokraten sitzt, drückt sich diplomatisch aus.

    "Ich begrüße es, wenn sich Christen in den verschiedenen Parteien - selbstverständlich auch in der FDP - zusammenfinden. Inwiefern sich dieses dann prägend tatsächlich in den verschiedenen Themen auswirkt, wird man sehen müssen. Bei der FDP war es beispielsweise so, dass tatsächlich im Rahmen der Koalitionsverhandlungen beispielsweise die FDP das Stammzellgesetz vollkommen ändern wollte, den Stichtag vollkommen abschaffen wollte. Dies haben wir als Christdemokraten nicht zugelassen. Insofern sehen Sie hier schon eine klare inhaltliche andere Auffassung."

    Die Skepsis in der CDU/CSU hat einen guten Grund: Schließlich könnte die FDP der Union gläubige Wähler abwerben. Doch Freidemokrat Otto Fricke dementiert, dass sein neuer Arbeitskreis diese Absicht verfolgt.

    "Ich sende durch solche Sachen nicht an irgendwelche Unionswähler ein Signal. Das Einzige, was ich tue ist, ich sende an den Bürger, der folgenden Satz denkt: Als Christ kann ich nicht FDP wählen, dem sage ich: Guck, ob Du da nicht ein Vorurteil hast. Aber für mich ist Glaube nicht ein Kriterium, um Wähler irgendjemandem abzuluchsen oder nicht."


    Schieder: "In dem Moment, wo es keine Weltanschauungsparteien mehr gibt, worüber wir alle sehr, sehr glücklich sein müssen, sind die Möglichkeiten der Profilierung über die Sachpolitik sehr, sehr viel schwieriger. Sodass man vielleicht sagen kann: Diese neue Religiosität der Parteien ist eine neue Form der Symbolpolitik."

    Für den Berliner Theologen Rolf Schieder ist klar: Religion zählt. Nach seiner Ansicht versuchen die Parteien - trotz gegenteiliger Behauptungen - mit Gott und Glauben zu punkten. Dem Professor zufolge belegen nämlich Studien, dass Christen eher zur Wahlurne gehen als Nichtchristen. Und dass sie sich eher politisch engagieren. Laut Schieder steigt in der Bevölkerung zudem das Interesse für Religiöses - auch wenn sich immer mehr Menschen von der Institution Kirche abwenden. Die Politik könne jedoch ganz ohne Kirche "keinen Staat machen":

    "Das Problem ist nur: Es gibt nicht Religion allgemein. Also wann immer wir über Religionen sprechen, über unseren eigenen Glauben sprechen wollen, brauchen wir ja bestimmte kommunizierbare Symbole, Traditionen usw. Und dafür sind die Kirchen dann doch wieder unverzichtbar."


    Wolfgang Huber beim Kirchentag im Mai 2009:

    "Sehr geehrte Frau Kirchentagspräsidentin, liebe Frau von Welck. Sehr verehrte Gäste! Dieser Empfang ist ja inzwischen zu einem festen Bestandteil des Kirchentages geworden. Inzwischen nachgeahmt von vielen anderen. Und ich hoffe, Sie sehen das auch sportlich so, dass Wettbewerb das Geschäft belebt."

    Der damalige Bischof und Ratspräsident der Evangelischen Kirche Deutschlands, Huber, genießt es bei einem Sektempfang der CDU/CSU, von den Parteien umworben zu werden. Sein katholischer Kollege Joachim Kardinal Meisner zeigte sich kürzlich ebenfalls über die religionspolitische Entwicklung erfreut - als er den neuen Kreis der Unionskatholiken lobte. Profitieren die Kirchen vom C-Trend der Parteien? Können die Kirchen jetzt auf die Politik "durchgreifen"? Parteienvertreter aller Couleur winken ab - auch Kerstin Griese. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete vertritt den Arbeitskreis Christinnen und Christen in der SPD. Dieser Zusammenschluss existiert seit eineinhalb Jahren als feste Parteigruppe. Griese hält den Einfluss der Kirche nach wie vor für begrenzt - bis auf Ausnahmen:

    "Die Grenze war für mich einmal im Vorfeld der Abstimmung über die Verschiebung des Stichtages bei der Stammzellforschung. Und in dieser Situation hat die katholische Kirche nahezu ultimativ die Abgeordneten aufgefordert, dazu öffentlich Stellung zu nehmen. Das war mir ein Tick zu viel und ein Tick zu sehr Druck machend. Verbunden mit dem Ansatz, ein katholischer Christ darf der Ausweitung des Stichtages bei der Stammzellforschung nicht zustimmen. Das war für mich ein Schritt zu weit. Aber das ist auch das einzige Mal, dass ich das erlebt habe."

    Thierse: "Ja, liebe Genossinnen und Genossen! Braucht die demokratische Gesellschaft Religion? Die Frage ist ..."

    Der ökumenische Arbeitskreis der Sozialdemokraten kann auf ein prominentes Mitglied verweisen: den ostdeutschen Katholiken und Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Thierse. Zu den Mitstreitern zählt mittlerweile auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, die sich im vergangenen Jahr als Katholikin outete - und zwar in Form eines Buches mit dem Titel "Frau, gläubig, links". Arbeiten die Sozialdemokraten an einer neuen, christlichen Außenwirkung? Die Homepage der SPD-Christen betont jedenfalls, man wolle, Zitat, "die Profilierung der SPD" stärken. Protestant Sigmund Ehrmann, der Kirchenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, wettert in diesem Zusammenhang über die politische Konkurrenz - namentlich über die CDU-Chefin und den FDP-Vorsitzenden:

    "Weil mich in den letzten Tagen und Wochen doch einiges wirklich erzürnt. Wenn von Frau Merkel und Herrn Westerwelle diese Koalition als christlich-liberale Koalition, als Label, benutzt wird. Ähnlich arrogant und anmaßend die bürgerlich-liberale Koalition. Sind wir, die wir in anderen politischen Parteien engagiert sind, damit ausgegrenzt als Nichtbürger, Nichtchristen? Was sagt das eigentlich aus?"

    Katholiken, Protestanten - überall Debatten um das Christliche. Wo bleiben dabei die Parteimitglieder anderen Glaubens? Bei Bündnis 90/Die Grünen gibt es, neben einer Christen-AG, auch einen Zusammenschluss muslimischer Politiker - allerdings nur auf Landesebene, in Nordrhein-Westfalen. Sprecher Ali Bas erklärt, sein Arbeitskreis Grüne Musliminnen habe sich gegründet, weil die Migrantenszene immer religiöser werde:

    "Da hat sich die Entwicklung auch grad mit dem 11. September halt eben auch etwas verstärkt, weil Ausgrenzungsmechanismen, also Vorbehalte gegenüber Muslimen auch in der muslimischen Community dazu geführt haben, dass Menschen, die bisher wenig religiös waren, verstärkt zu ihrem Glauben gefunden haben. Je mehr ich anfange, in der Öffentlichkeit zu sagen, das möchte ich verbieten, ich möchte keine Minarette haben, ich möchte keine Moscheebauten haben, das Kopftuch gehört verboten - da bewirke ich eher damit, dass sich der ein oder die andere eben auch halt eben etwas in den strengeren Glauben zurückzieht."

    Bas betont, Bündnis 90/Die Grünen sei besonders offen für andere Kulturen, deshalb habe sich der Arbeitskreis in dieser Partei gebildet. Seine Gruppe engagiert sich für die Anerkennung der muslimischen Glaubensgemeinschaft, also für eine Gleichberechtigung mit den christlichen Kirchen. Auf der anderen Seite setzen sich die Grünen Musliminnen auch mit fundamentalistischen Moscheeverbänden auseinander, um sie zu demokratisieren.

    "Und da gibt's halt eben durchaus auch Feedback. Wo gesagt wird, das finden wir gut, dass Ihr Euch damit auseinandersetzt, da müssen wir halt eben noch mal drüber diskutieren. Es gibt natürlich auch Situationen, wo natürlich nichts zurückkommt."

    Die Parteien beschwören zunehmend ihre christlichen Wurzeln, und gleichzeitig bekennen sich auch politisierte Muslime offener zu ihrer Religion. Theologieprofessor Rolf Schieder vermutet einen Zusammenhang zwischen beiden Trends - einen bedenklichen Zusammenhang:

    "Schon Lessing hat in Nathan dem Weisen davor gewarnt, dass man nicht dem Anderen zum Trotz einen Glauben annehmen soll. Und ich habe ein bisschen die Befürchtung, dass es nicht wenige in Deutschland gibt, die sich an das Christentum erinnern - nicht, weil sie besonders christlich sind, sondern weil sie einen kulturellen Gegenpart zum Islam aufbauen wollen. Und das birgt natürlich die Gefahr der Instrumentalisierung des Religiösen - entweder für politische Zwecke oder aber um eine kulturelle Hegemonie aufrecht zu erhalten, die einem Einwanderungsland nicht gut tut."

    "Also das ist eine interessante These. Aber ich sehe da keine Ansätze","

    so Protestant Sigmund Ehrmann. Der Kirchenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion verweist auf seine eigene Biografie: Er sei zwar in christlichen Kreisen groß geworden und engagiere sich nach wie vor in Kirchengremien. Aber er trage seinen Glauben nicht wie eine Monstranz vor sich her:

    ""Ich sehe keine Ansätze, dass die Politik die Kirchen und die Religion so funktionalisiert - im Grunde genommen auch wieder rein strategisch und taktisch - als Gegenplattform gegen andere Glaubensüberzeugungen. Das ist ein Punkt, den würde ich für verwerflich halten - und den sehe ich auch nicht."

    Eine ähnliche Meinung vertreten auch Christen aus dem Regierungslager. Sozialdemokratin Kerstin Griese bilanziert: Bedenken zum Umgang mit Religion sind durchaus berechtigt; das Konfessionelle darf nicht überstrapaziert werden. Politiker sollten zwar auch aus dem Glauben heraus entscheiden. Aber nicht damit hausieren gehen:

    "Politik muss glaubwürdige Menschen präsentieren, aber nicht den Glauben instrumentalisieren."