Die konservative Regierung unter Jan Peter Balkenende hat nicht nur eines der strengsten Einwanderungsgesetze in Europa verabschiedet. Sie praktiziert mittlerweile auch die rigideste Ausweisungspolitik.
Die Niederlande folgen also nicht dem Beispiel von Belgien, Großbritannien, Frankreich, Italien oder von Spanien - die sich allesamt dazu entschlossen, den illegalen Einwanderern nachträglich eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Die Niederlande haben sich für den harten Kurs entschieden - und er richtet sich in erster Linie gegen die 26.000 Asylbewerber, die bislang geduldet wurden und zum Teil schon seit vielen Jahren in den Niederlanden leben. Sie sollen bis Ende 2007 ausgewiesen werden.
Doch die Kritik wächst. Die Kirchen machen mobil, Bürgermeister verweigern die Zusammenarbeit mit den Behörden, Klassenlehrer stellen sich vor ihre Schützlinge. Und so hat auch Clody aus dem Kongo in Leiden Helfer gefunden.
Ein Parkplatz zwischen lieblosen Apartmentkomplexen am südlichen Stadtrand der alten Rembrandtstadt Leiden. Marco Schramm, ein 35Jähriger Angestellter mit blondem Haar und Nickelbrille, hat sein Auto abgestellt und steuert auf den Eingang mit der Nummer 14 zu. Er hat den 11Jährigen Clody bei sich und bringt ihn zurück zu seiner Mutter. Clody geht in dieselbe Schule wie die Kinder von Marco Schramm. Er ist fröhlicher, sportlicher Junge - und schwarz wie die Nacht. Denn Clodys Familie kommt aus dem Kongo.
Clodys Schule liegt im 15 Kilometer entfernten Voorhout, und damit er nicht jeden Tag hin- und herfahren muss, schläft er zwei Nächte pro Woche bei den Schramms in Voorhout.
Bis vor kurzem noch hat auch Clody mit seinen beiden kleinen Brüdern, seiner Mutter und seinem Stiefvater in Voorhout gelebt. Doch kurz vor Weihnachten wurde der Asylantrag von Clodys Mutter abgelehnt, und die Gemeinde Voorhout setzte daraufhin die gesamte Familie auf die Strasse. In Leiden fand sie eine vorläufige Bleibe in einem 2-Zimmer-Apartment. Seitdem kümmert sich Marco Schramm um Clody und sorgt dafür, dass er weiterhin in Voorhout zur Schule gehen kann.
Clody und seine Familie gehören zu jenen 26.000 Asylbewebern, die keine Aussicht mehr auf eine Aufenthaltsgenehmigung haben und seit Januar 2004 ausgewiesen werden, obwohl viele von ihnen seit Jahren in den Niederlanden leben. Viele haben hier Kinder bekommen. Auch Clody wurde in Holland geboren:
Er kann sich nicht vorstellen, im Kongo zu leben: Alles hier würde er vermissen, die Freunde, die Schule, den Fussballclub. Denn Clodie will am liebsten Profi-Fussballer werden, so wie Stürmer Ruud van Nistelrooij, sein grosses Vorbild:
Clodies Mutter Nicole ist eine freundliche, mollige junge Frau. Sie trägt ein weites Sweatshirt und Jeans. 16 Jahre war sie alt und hochschwanger, als sie vor 12 Jahren aus dem Kongo flüchtete. Clodys Vater war zuvor im Bürgerkrieg ermordet worden. Über diese Zeit kann die heute 28 Jahre alte Frau immer noch nicht reden:
Sie habe Angst, in den Kongo zurückzukehren. Clodies kleiner Bruder Bradi versucht die Mutter zu trösten.
Sie kenne niemanden mehr im Kongo, bricht es schliesslich auf französisch aus ihr heraus:
Ich habe dort kein Haus und keine Familie mehr! Ich war 16, als ich wegging. Ich bin dort eine Fremde, wo soll ich denn hin? Ich werde mit meinen Kindern auf der Strasse landen.
Vor fünf Jahren lernte Nicole ihren jetzigen Partner kennen, den 32-jährigen John, ebenfalls ein Flüchtling aus dem Kongo. Mit ihm hat sie zwei weitere Söhne, den dreijährigen Bradi und den zweijährigen Rabi.
Zum Heiraten fehlten John und Nicole bislang die nötigen Papiere. Johns Asylanfrage wird in einem extra Verfahren behandelt; er hat noch keinen endgültigen Bescheid bekommen. Dadurch droht die Familie nun auseinander gerissen zu werden. Unbegreiflich, findet Helfer Marco Schramm. Er schämt sich für sein Land. Zusammen mit anderen Eltern von Clodies Schule versucht er, die Abschiebung zu verhindern:
Elf Jahre lang wurden diese Menschen hingehalten: Vielleicht dürft ihr bleiben, vielleicht auch nicht. Jetzt haben wir eine neue Regierung, die den Kurs radikal geändert hat. So weit wäre selbst Pim Fortuyn nicht gegangen, der hatte auf eine Generalamnesty plädiert für alle Menschen, die noch unter das alte System fallen. Und darin hatte er recht: Man kann Leute wie Nicole doch nicht verantwortlich machen für die Fehler des Systems! Man muss ihnen ermöglichen, hier zu bleiben!
Statt dessen stand im November eines Morgens um sechs plötzlich die mobile Einheit der Polizei vor der Tür. Ohne Vorwarnung, ohne jede Ankündigung. Ihr Asylantrag sei abgewiesen worden, bekam Nicole zu hören, sie müsse das Land mit ihren Kindern umgehend verlassen. Widerspruch ausgeschlossen.
Ich schlief noch, als ich die Klingel hörte. Wer in aller Welt, fragte ich mich, konnte das sein! Ich hatte dann eineinhalb Stunden Zeit, alles zusammenzupacken. Dann wurden wir mit Blaulicht im Gefängniswagen in das Abschiebezentrum vom Rotterdamer Flughafen gebracht.
Dort musste Nicole zwei Wochen mit den Kindern bleiben. Es sei wie in einem Gefängnis gewesen, der dreijährige Bradi habe in dieser Zeit fünf Kilo verloren:
Die Eltern der Voorhouter Schule setzten sich daraufhin mit Nicoles Anwalt in Verbindung, der eine Freilassung erwirkte: Das war nur dem Umstand zu verdanken, dass noch einige Papiere für die Abschiebung fehlten, erzählt Marco Schramm. Und Kinder dürften höchstens ein paar Tage in solchen Abschiebezentren verbringen:
Der Staat muss ihnen jetzt 700 Euro Schadenersatz zahlen, doch das Geld haben sie immer noch nicht bekommen, auch das eine Schande.
Denn sie haben das Geld bitter nötig. Seit der Ablehnung des Asylantrages sind Nicole und die drei Kinder ohne alle Rechte. Die Familie lebt von der Sozialhilfe von John, dessen Antrag noch läuft. Er bekommt 39 Euro die Woche.
Kirchliche Organisationen unterstützen die Familie mit Kleidern und Lebensmitteln und besorgen in Notfällen auch kostenlos einen Arzt. Nicole geht jeden Sonntag in die Kirche. Sie ist Mitglied des Kirchenchors geworden. Das Singen macht ihr Freude.
Trotz des jahrelangen Wartens hat sie die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Sie träumt von einem grösseren Haus, von Arbeit, um ihre Kinder ernähren zu können - und von Papieren, die ihr es ermöglichen, zu bleiben:
Es sei frustrierend, elf Jahre zu warten und nichts tun zu dürfen. Mit 16 sei sie gekommen, als einfache Näherin. Jetzt ist sie 28. Nichts habe sie dazugelernt, obwohl sie so gerne eine Ausbildung gemacht hätte.
Zum Glück habe sie die Kirche und Freunde wie die Schramms. Alleine würde sie das nicht schaffen. Es gibt unzählige Dinge zu regeln: Clodies Busfahrkarte zum Beispiel. Beim Abschiednehmen verspricht ihr Marco Schramm, auch das möglichst schnell zu erledigen.
Da Clody als abgewiesener Ayslbewerber kein Recht auf eine kostenlose Schülerfahrkarte hat, wollen die Eltern der Schule zusammenlegen:
Ich muss los, ich ruf’ dich heute abend noch an!
Die Niederlande folgen also nicht dem Beispiel von Belgien, Großbritannien, Frankreich, Italien oder von Spanien - die sich allesamt dazu entschlossen, den illegalen Einwanderern nachträglich eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Die Niederlande haben sich für den harten Kurs entschieden - und er richtet sich in erster Linie gegen die 26.000 Asylbewerber, die bislang geduldet wurden und zum Teil schon seit vielen Jahren in den Niederlanden leben. Sie sollen bis Ende 2007 ausgewiesen werden.
Doch die Kritik wächst. Die Kirchen machen mobil, Bürgermeister verweigern die Zusammenarbeit mit den Behörden, Klassenlehrer stellen sich vor ihre Schützlinge. Und so hat auch Clody aus dem Kongo in Leiden Helfer gefunden.
Ein Parkplatz zwischen lieblosen Apartmentkomplexen am südlichen Stadtrand der alten Rembrandtstadt Leiden. Marco Schramm, ein 35Jähriger Angestellter mit blondem Haar und Nickelbrille, hat sein Auto abgestellt und steuert auf den Eingang mit der Nummer 14 zu. Er hat den 11Jährigen Clody bei sich und bringt ihn zurück zu seiner Mutter. Clody geht in dieselbe Schule wie die Kinder von Marco Schramm. Er ist fröhlicher, sportlicher Junge - und schwarz wie die Nacht. Denn Clodys Familie kommt aus dem Kongo.
Clodys Schule liegt im 15 Kilometer entfernten Voorhout, und damit er nicht jeden Tag hin- und herfahren muss, schläft er zwei Nächte pro Woche bei den Schramms in Voorhout.
Bis vor kurzem noch hat auch Clody mit seinen beiden kleinen Brüdern, seiner Mutter und seinem Stiefvater in Voorhout gelebt. Doch kurz vor Weihnachten wurde der Asylantrag von Clodys Mutter abgelehnt, und die Gemeinde Voorhout setzte daraufhin die gesamte Familie auf die Strasse. In Leiden fand sie eine vorläufige Bleibe in einem 2-Zimmer-Apartment. Seitdem kümmert sich Marco Schramm um Clody und sorgt dafür, dass er weiterhin in Voorhout zur Schule gehen kann.
Clody und seine Familie gehören zu jenen 26.000 Asylbewebern, die keine Aussicht mehr auf eine Aufenthaltsgenehmigung haben und seit Januar 2004 ausgewiesen werden, obwohl viele von ihnen seit Jahren in den Niederlanden leben. Viele haben hier Kinder bekommen. Auch Clody wurde in Holland geboren:
Er kann sich nicht vorstellen, im Kongo zu leben: Alles hier würde er vermissen, die Freunde, die Schule, den Fussballclub. Denn Clodie will am liebsten Profi-Fussballer werden, so wie Stürmer Ruud van Nistelrooij, sein grosses Vorbild:
Clodies Mutter Nicole ist eine freundliche, mollige junge Frau. Sie trägt ein weites Sweatshirt und Jeans. 16 Jahre war sie alt und hochschwanger, als sie vor 12 Jahren aus dem Kongo flüchtete. Clodys Vater war zuvor im Bürgerkrieg ermordet worden. Über diese Zeit kann die heute 28 Jahre alte Frau immer noch nicht reden:
Sie habe Angst, in den Kongo zurückzukehren. Clodies kleiner Bruder Bradi versucht die Mutter zu trösten.
Sie kenne niemanden mehr im Kongo, bricht es schliesslich auf französisch aus ihr heraus:
Ich habe dort kein Haus und keine Familie mehr! Ich war 16, als ich wegging. Ich bin dort eine Fremde, wo soll ich denn hin? Ich werde mit meinen Kindern auf der Strasse landen.
Vor fünf Jahren lernte Nicole ihren jetzigen Partner kennen, den 32-jährigen John, ebenfalls ein Flüchtling aus dem Kongo. Mit ihm hat sie zwei weitere Söhne, den dreijährigen Bradi und den zweijährigen Rabi.
Zum Heiraten fehlten John und Nicole bislang die nötigen Papiere. Johns Asylanfrage wird in einem extra Verfahren behandelt; er hat noch keinen endgültigen Bescheid bekommen. Dadurch droht die Familie nun auseinander gerissen zu werden. Unbegreiflich, findet Helfer Marco Schramm. Er schämt sich für sein Land. Zusammen mit anderen Eltern von Clodies Schule versucht er, die Abschiebung zu verhindern:
Elf Jahre lang wurden diese Menschen hingehalten: Vielleicht dürft ihr bleiben, vielleicht auch nicht. Jetzt haben wir eine neue Regierung, die den Kurs radikal geändert hat. So weit wäre selbst Pim Fortuyn nicht gegangen, der hatte auf eine Generalamnesty plädiert für alle Menschen, die noch unter das alte System fallen. Und darin hatte er recht: Man kann Leute wie Nicole doch nicht verantwortlich machen für die Fehler des Systems! Man muss ihnen ermöglichen, hier zu bleiben!
Statt dessen stand im November eines Morgens um sechs plötzlich die mobile Einheit der Polizei vor der Tür. Ohne Vorwarnung, ohne jede Ankündigung. Ihr Asylantrag sei abgewiesen worden, bekam Nicole zu hören, sie müsse das Land mit ihren Kindern umgehend verlassen. Widerspruch ausgeschlossen.
Ich schlief noch, als ich die Klingel hörte. Wer in aller Welt, fragte ich mich, konnte das sein! Ich hatte dann eineinhalb Stunden Zeit, alles zusammenzupacken. Dann wurden wir mit Blaulicht im Gefängniswagen in das Abschiebezentrum vom Rotterdamer Flughafen gebracht.
Dort musste Nicole zwei Wochen mit den Kindern bleiben. Es sei wie in einem Gefängnis gewesen, der dreijährige Bradi habe in dieser Zeit fünf Kilo verloren:
Die Eltern der Voorhouter Schule setzten sich daraufhin mit Nicoles Anwalt in Verbindung, der eine Freilassung erwirkte: Das war nur dem Umstand zu verdanken, dass noch einige Papiere für die Abschiebung fehlten, erzählt Marco Schramm. Und Kinder dürften höchstens ein paar Tage in solchen Abschiebezentren verbringen:
Der Staat muss ihnen jetzt 700 Euro Schadenersatz zahlen, doch das Geld haben sie immer noch nicht bekommen, auch das eine Schande.
Denn sie haben das Geld bitter nötig. Seit der Ablehnung des Asylantrages sind Nicole und die drei Kinder ohne alle Rechte. Die Familie lebt von der Sozialhilfe von John, dessen Antrag noch läuft. Er bekommt 39 Euro die Woche.
Kirchliche Organisationen unterstützen die Familie mit Kleidern und Lebensmitteln und besorgen in Notfällen auch kostenlos einen Arzt. Nicole geht jeden Sonntag in die Kirche. Sie ist Mitglied des Kirchenchors geworden. Das Singen macht ihr Freude.
Trotz des jahrelangen Wartens hat sie die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Sie träumt von einem grösseren Haus, von Arbeit, um ihre Kinder ernähren zu können - und von Papieren, die ihr es ermöglichen, zu bleiben:
Es sei frustrierend, elf Jahre zu warten und nichts tun zu dürfen. Mit 16 sei sie gekommen, als einfache Näherin. Jetzt ist sie 28. Nichts habe sie dazugelernt, obwohl sie so gerne eine Ausbildung gemacht hätte.
Zum Glück habe sie die Kirche und Freunde wie die Schramms. Alleine würde sie das nicht schaffen. Es gibt unzählige Dinge zu regeln: Clodies Busfahrkarte zum Beispiel. Beim Abschiednehmen verspricht ihr Marco Schramm, auch das möglichst schnell zu erledigen.
Da Clody als abgewiesener Ayslbewerber kein Recht auf eine kostenlose Schülerfahrkarte hat, wollen die Eltern der Schule zusammenlegen:
Ich muss los, ich ruf’ dich heute abend noch an!