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Mit Gysi und Lafontaine

Die WASG gleicht einer bunten Truppe, in ihr sind nicht nur SPD-Abweichler und Gewerkschafter, sondern auch linke Paradiesvögel und manches schwer zu disziplinierende Faktotum aus der autonomen Szene. Das passt denjenigen in der PDS nicht, die gerade mit Müh und Not Ordnung in der eigenen Partei hergestellt haben. Doch angesichts der möglichen Neuwahlen im Herbst müssen sich jetzt beide Seiten zusammenreißen

Von Andreas Baum | 02.07.2005
    " Ich habe dem Parteivorstand vorgeschlagen, dass er am Sonderparteitag der PDS am 17. Juli den Antrag stellt, die PDS umzubenennen in "Die Linkspartei – Punkt". Ich will dazu sagen, dass Gebietsverbände den Zusatz PDS nach dem Punkt führen dürfen, wenn sie es möchten."
    Als Lothar Bisky am Abend des 22. Juni vor die Presse trat, war ihm sein Unbehagen anzumerken. Denn was der Vorsitzende der PDS der Öffentlichkeit mitzuteilen hatte, war nicht weniger als das Ende der PDS im gewohnten Antlitz. Um den Weg zu einem Bündnis mit der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) frei zu machen, sollten die drei Buchstaben PDS weitestgehend verschwinden aus der corporate identity der Partei.
    Im Presseraum machte sich bald Heiterkeit breit angesichts der Aussichten, die PDS nun "Linkspartei – Punkt" nennen zu müssen. Offenbar haben die Parteioberen keinen anderen Ausweg gesehen, als das zu tun, wovon alle Werbestrategen abraten würden: Den eingeführten Namen eines Produktes zu ändern. Und einen umständlichen Kunstnamen zu etablieren, der es jedem Landesverband der Partei erlauben soll, nach dem Punkt einen Zusatz zu wählen, der in der Lage sein soll, so wenig Wähler wie möglich zu vergraulen.
    Denn einerseits ist das Kürzel PDS für die Stammwähler im Osten unbedingt notwendig. Andererseits will die WASG ihre Mitglieder in den westlichen Bundesländern nicht auf Listen kandidieren lassen, auf denen der Name PDS erscheint. Sonst würden sie den Trumpf verlieren, den sie seit dem 23. Mai auf der Hand haben: Oskar Lafontaine.
    Der wohl prominenteste abtrünnige Sozialdemokrat hat sich bereit erklärt, für ein linkes Bündnis zu kandidieren, sofern es nicht das Kürzel PDS im Namen trägt. Das Wählerpotential der PDS, deren Infrastruktur und deren Geld stören ihn freilich nicht, denn:
    Das Bündnis bedeutet vorerst noch keine Fusion. Beide Parteien bleiben bestehen. Aber Mitglieder der WASG kandidieren nun auf den Landeslisten der Partei, die einmal die PDS gewesen sein wird. Bevor nun der Versuch gestartet wird, in einer Kampagne den Wählern zu vermitteln, wer die(se) Linkspartei – Punkt – Zusatz – ist, geht es zunächst darum, dass die Mitglieder erst einmal selbst verstehen, wie mit dem flexiblen Halbnamen variantenreich umzugehen ist. Bodo Ramelow, der Wahlkampfleiter der PDS, erklärt, wie es gehen könnte:
    " Die Linkspartei in Berlin würde heißen: Die Linkspartei – Punkt – PDS Berlin, wenn der Landesverband das so für sich definiert. Die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen könnte heißen: Die Linkspartei – Punkt – Nordrhein-Westfalen. Wir signalisieren, dass es eine Aufbruchstimmung gibt, und mit dem Begriff der Linkspartei – Punkt – wollen wir diesen Aufbruch beschreiben, aber wir wollen niemanden verschweigen."

    Genau das könnte aber geschehen. Denn mit diesem Aufbruch in die Unverbindlichkeit verschweigen die Parteistrategen ihr politisches Ziel: einen wie immer gearteten "demokratischen Sozialismus."

    Anderseits zeigen die Erfahrungen des Jahres 1990, dass die Mitglieder und Wähler einen Namenswechsel, wenn auch mit Murren hinzunehmen bereit sind. Gregor Gysi überzeugte seinerzeit die verbliebenen Mitglieder der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, sich erst in SED-PDS, und dann in PDS umzubenennen. Und ebenso wie 1990 appelliert die Parteiführung auch heute an die Mitglieder, duldsam zu sein, um etwas Neues zu schaffen. Das Opfer, sagt Parteichef Lothar Bisky, lohnt sich:
    " Die Chance besteht darin, in Deutschland links von der SPD eine Kraft zu konstituieren, die sich dauerhaft als drittstärkste politische Kraft erweisen könnte. "

    Es erscheint allerdings fraglich, ob das überhaupt möglich ist. Die PDS behauptet, ihre Juristen hätten dieses Vorgehen geprüft und für unbedenklich befunden. Andere deutsche Wahlrechtsexperten bezweifeln das. Letztere sind der Ansicht, dass das gemeinsame Auftreten der beiden Parteien sogar zur Ungültigkeit der Bundestagswahl führen könnte, weil ein verdeckter gemeinsamer Wahlvorschlag zweier Parteien unzulässig sei. Zunächst muss aber das Konstrukt der neuen Linkspartei noch durch die eigenen Gremien. Die PDS hat ihren Bundesparteitag für den 17. Juli einberufen, um den Namenswechsel abzusegnen. Dazu ist eine Zweitdrittelmehrheit der Delegierten notwendig.

    Die Parteiführung argumentiert, dass sie die spielend erreicht. Aber so sicher ist das erfahrungsgemäß nicht. Denn PDS-Parteitage können ihre eigene Dynamik entwickeln. Und gerade in den Hochburgen der Partei regt sich Unmut. In den Bezirken des Berliner Ostens, in denen die PDS über 40 Prozent der Wählerstimmen erreichen kann, sehen viele Mitglieder keine Notwendigkeit, sich den Wünschen anderer zu fügen. Zum Beispiel Stefan Liebich, Landesvorsitzende der PDS in Berlin. Er macht aus seiner Distanz zur WASG keinen Hehl:
    " Die PDS in Berlin begrüßt die prinzipielle Bereitschaft der WASG, auf der Bundesebene auf den offenen Listen der PDS zu kandidieren. Damit sind die Chancen gestiegen, dass es eine Linksfraktion im Deutschen Bundestag gegen die Große Koalition des Sozialabbaus gibt. Ich finde auch, dass der Name kein Grund ist, so ein Vorhaben zum Scheitern zu bringen, sage aber auch, dass die WASG dabei den Bogen nicht überspannen sollte. Demokratischer Sozialist zu sein, ist kein Makel, sondern das ist etwas, was wir mit dem Herzen sind und worauf wir auch stolz sind, das stellen wir hier in Berlin nicht zur Disposition. "
    So denken viele PDS-Mitglieder, und es wird die Strategen Bisky und Ramelow einige Überzeugungsarbeit kosten, die Parteibasis davon zu überzeugen, dass es notwendig ist, den Parteinamen aufzugeben. Denn von der Unzufriedenheit mit der rot-grünen Bundesregierung profitiert die PDS ohnehin und so rechnet man sich dort realistische Chancen aus, die Fünfprozenthürde auch ohne die Unterstützung der WASG zu überspringen. Der Streit um den Namen der neuen Linkspartei könnte also am eigentlichen Problem vorbeigehen. Kaum ein Wähler wird so naiv sein, auf den Etikettenschwindel hereinzufallen.
    Unter den Kommentatoren und Beobachtern der Berliner Politik, die sich in den Salons und Cafés des Regierungsviertels treffen, ist es längst ausgemachte Sache, dass sich die Wähler nichts werden vormachen lassen. Auch Oskar Niedermayer, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, teilt diese Meinung:
    " Also, ich denke, dass dieser Namensstreit ein Streit ist, der stärker noch die Funktionäre der beiden Parteien betrifft und die Mitglieder der beiden Parteien, als die Wähler. Denn es ist natürlich zu erwarten, dass der politische Gegner im Wahlkampf sehr deutlich darauf hinweisen wird, dass da, wo jetzt die Linkspartei steht, eigentlich PDS drin ist, und zwar eben auch im Westen. "

    Aber so lange die Landesverbände sich um ihren Namen und deren mögliche Zusätze Gedanken machen, muss nicht so sehr um Inhalte gekämpft werden. Hier aber könnten sich weitere Gräben auftun, die noch schwieriger zu überwinden sind. Denn ideologisch, so Oskar Niedermayer, knirscht es zwischen WASG und PDS erheblich:
    " Es knirscht ja insofern, als zum einen viele WASG-Funktionäre, die aus dem Gewerkschaftsmilieu kommen, sehr stark Kompromisse ablehnen, die die PDS zum Beispiel in ihrer pragmatischen Fraktion in den ostdeutschen Bundesländern problemlos eingeht, das ist das eine Problem. Das andere Problem ist, das ich sehe, ist, dass in vielen westdeutschen Landesverbänden der WASG sich ja auch versprengte Linke aus allen möglichen Gruppen versammelt haben, es war ja historisch schon immer so, dass sich die Linke in sich sehr, sehr schnell zerstritten hat. Und das, vermute ich, wird auch hier der Fall sein."
    Die WASG gleicht einer bunten Truppe, in ihr sind nicht nur SPD-Abweichler und Gewerkschafter, sondern auch linke Paradiesvögel und manches schwer zu disziplinierende Faktotum aus der autonomen Szene. Das passt denjenigen in der PDS nicht, die gerade mit Müh und Not Ordnung in der eigenen Partei hergestellt haben. Etwa in Berlin, wo die PDS gemeinsam mit den Sozialdemokraten die Stadt regiert. Genau das wird ihr von der WASG der Hauptstadt vorgeworfen, denn der rot-rote Senat hat, um den Landeshaushalt zu sanieren, Stellen und Sozialleistungen abgebaut in einem Maße, wie es eine konservative Regierung kaum rigoroser vermocht hätte. Deshalb werden die Postkommunisten regelmäßig von der Berliner WASG mit dem gern benutzten Schimpfwort des "Neoliberalismus" bedacht.

    In der Hauptstadt sind beinahe 20 Prozent der Wahlalternativler ehemalige PDSler, weshalb zu politischen Meinungsverschiedenheiten auch persönliche Animositäten kommen dürften: Man kennt sich, man geht sich aus dem Weg. Die Berliner PDS will erst ab Position sechs Plätze auf der Landesliste anbieten. Die WASG dagegen fordert, gleichberechtigt behandelt zu werden – nicht nur zu plakatieren, sondern auch zu kandidieren, wie aus dem Vorstand zu vernehmen war. Der Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer glaubt, dass es gelingen kann, die Zerstrittenen bis zur Bundestagswahl zusammenzuhalten, weil offensichtlich ist, dass man kurzfristig gemeinsam Ziele erreichen kann, die alleine utopisch wären. An eine Zukunft über die Wahl hinaus glaubt er nicht:
    " Das einigende Band jetzt eigentlich vor der Wahl sind zwei Dinge: Von der PDS aus die Aussicht, über diese Schiene ihre Westausdehnung endlich hinzubekommen, und von der WASG aus die Aussicht, ein paar ihrer Leute in den Bundestag zu bekommen, was sie sonst nicht geschafft hätte. Die Problem, die kulturellen Unterschiede, die politischen Probleme, die werden auftauchen nach der Wahl, wenn man wirklich versucht, die beiden Parteien zu fusionieren, zu einer Partei zusammen zu fassen."

    In jedem Fall würde Oskar Lafontaine die Plattform an der Spitze einer Fraktion im Bundestag für sich zu nutzen wissen. Vielleicht war diese Aussicht auch verführerisch genug für einen anderen, der sich schon mehrmals aus der aktiven Politik verabschiedet hatte, wieder Morgenluft zu wittern.
    Gysi: " Am heutigen Vormittag habe ich dem Vorsitzenden der PDS, Lothar Bisky, mitgeteilt, dass ich für den Fall, dass es im Jahre 2005 vorgezogene Bundestagswahlen geben sollte, bereit bin, für die PDS, besser noch, für ein zu bildendes Linksbündnis zu kandidieren."
    So Gregor Gysi am 3. Juni 2005 in der Bundeszentrale der PDS am Rosa-Luxemburg-Platz. An und für sich wollte der ehemalige Parteivorsitzende, der seinen Posten als Berliner Wirtschaftssenator wegen einer Flugmeilenaffäre freiwillig geräumt hatte, künftig nur noch als Rechtsanwalt und Publizist tätig sein. Aber er entschied sich zum Rücktritt vom Rücktritt – oder er ließ sich dazu drängen.
    Und doch wirkte der frisch gekürte Spitzenkandidat zunächst verhalten: Er werde im Wahlkampf seinem Beruf Priorität einräumen. Er werde, nach Herzinfarkten und einer Gehirnoperation seine Gesundheit ebenso wenig vernachlässigen wie seine Familie. Im Bundestag werde er sich dann nur noch mit Wichtigem befassen. Gysi ist sich sicher, der Partei auch dienlich zu sein, wenn er sich diesmal etwas schont.
    Trotz gespielter Nonchalance: Gregor Gysi arbeitet hinter den Kulissen schon seit geraumer Zeit an einem Linksbündnis, das es seiner Partei erlauben würde, sich im Westen dauerhaft zu etablieren. Der Prozess des Umdenkens begann im Jahr 2002, als es der PDS nicht nur nicht gelang, die Fünfprozenthürde zu überspringen, sondern sie auch die Chance verpasste, als Gruppe ins Parlament einzuziehen.
    Um weiter existieren zu können, mussten die Linkssozialisten sich ändern. Der erste Schritt wurde ein Jahr nach dem Wahldebakel gemacht. Im Oktober 2003 gab die PDS mit einem neuen Programm ihren streng sozialistischen Kurs auf und akzeptierte die Marktwirtschaft – letztlich um neue Wählerschichten zu gewinnen.

    Im Jahr darauf gründeten unzufriedene Sozialdemokraten und Gewerkschaften den Verein "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit", zunächst als Protestplattform gegen die Hartz-IV-Reformen der Bundesregierung. Im Januar 2005 wandelte sich die WASG zur Partei und bei den nordrhein-westfälischen Landtagswahlen im Mai bekam sie aus dem Stand immerhin 2,2 Prozent der Stimmen, mehr als doppelt so viele wie die PDS. Als Gregor Gysi Anfang Juni seine Spitzenkandidatur für die PDS bekannt gibt, weiß er bereits, dass das geplante Bündnis mit der WASG kurz vor dem Abschluss steht – auch, dass er ein solches Bündnis nicht allein anführen wird.
    " Natürlich gibt es auch Personen, die symbolisch für ein solches Linksbündnis stehen. Deshalb begrüßte ich es sehr, wenn Oskar Lafontaine und ich zusammen für den Bundestag kandidierten, ebenso wie Lothar Bisky und Klaus Ernst."
    Am 10. Juni einigen sich die Spitzen von PDS und WASG endgültig auf ein Bündnis – die Gremien der Parteien allerdings müssen das noch absegnen. Nun kann auch Oskar Lafontaine in den Ring steigen und öffentlich kundtun, dass er dabei ist.
    "Es sieht so aus, dass das Linksbündnis zustande kommt, und habe ja erklärt, wenn es zustande kommt, dann trete ich an."
    Oskar Lafontaine, der 1999 als Bundesfinanzminister und als Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Knall auf Fall zurückgetreten war, hat seinen Rückzug aus der aktiven Politik nie verwunden. Immer wieder meldete er sich mit regierungskritischen Kommentaren zu Wort - mal in der Bild-Zeitung, mal in Talkshows. Spätestens ab Juli 2004 empfahl er sich öffentlich als Spitzenkandidat einer neu zu gründenden Linkspartei. Nachdem er mehrfach, nicht nur auf einer Leipziger Montagsdemonstration gegen die Sozialreformen, Bundeskanzler Schröder zum Rücktritt aufforderte, wurde in der SPD geprüft der, ob man ihn aus der Partei auszuschließen kann. Am 24. Mai 2005 kommt er dem zuvor und erklärt er selbst seinen Austritt.
    Wenige Wochen später ist Lafontaine Mitglied des nordrhein-westfälischen Landesverbandes der WASG. Seine Begründung für diesen Schritt ist die Kritik an der Arbeitsmarktreform der rot-grünen Bundesregierung. Seit seinem Rücktritt als Parteivorsitzender haftet ihm der Makel des Verräters an. Er selbst jedoch versichert, seinen Prinzipien treu geblieben zu sein – auch ohne Parteibuch der SPD.
    " Ich bin nach wie vor Sozialdemokrat. Ich bestimme Sozialdemokrat sein ja inhaltlich, und ich sofern empfinde ich es traurig, ich empfinde auch Verbundenheit zu vielen Sozialdemokraten, die mich über Jahre unterstützt haben, aber es ist jetzt eine historische Situation da, das gab’s noch nie, dass Arbeitnehmer enteignet wurden, mit Zustimmung aller Parteien, und deshalb habe ich mich entschlossen, mitzuhelfen, dass diese Politik wieder korrigiert wird."

    Lafontaine erfreut sich in der PDS keines hohen Beliebtheitsgrades. Man hat nicht vergessen, dass er Innenminister Schily in seiner Absicht unterstützt hat, Lager für Flüchtlinge in Nordafrika zu errichten. Außerdem hat er als Bild-Zeitungs-Kolumnist den damaligen Vize-Polizeipräsident von Frankfurt am Main, Wolfgang Daschner, in Schutz genommen. Der wiederum hatte einem Mord-Verdächtigen im Polizeigewahrsam Folter-Praktiken angedroht, um ein entführtes Kind zu finden. Insbesondere aber sprechen viele in der PDS Oskar Lafontaine ab, ein verlässlicher Partner zu sein, wenn es um den Sozialismus geht. Dazu die Sprecherin der kommunistischen Plattform in der PDS, Sahra Wagenknecht:
    " Ich denke zum Beispiel an Oskar Lafontaines Vorstellungen zur Flüchtlingspolitik, sicherlich auch zu Differenzen in der Friedensfrage und auf jeden Fall Differenzen bezogen auf das, wie sich die PDS zu ihrer eigenen Vergangenheit Positionen erstritten hat, wo es sicherlich größere Differenzen gibt, und zur sozialistischen Zielstellung. Wo Oskar Lafontaine sicherlich die ersten Schritte mit uns gemeinsam gehen kann, aber die langfristige Perspektive, glaube ich, nicht teilt, wenn ich seine Bücher richtig verstanden hat."
    Wenige Tage später gerät Lafontaine nicht nur im linken Milieu noch mehr ins Zwielicht, als er in einer Rede in Chemnitz die Bundesregierung auffordert, aktiv zu werden gegen Lohndumping – und sich dabei eines fragwürdigen Vokabulars bedient:
    "Der Staat ist verpflichtet, seine Bürgerinnern und Bürger zu schützen. Er ist verpflichtet zu verhindern, dass Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter zu niedrigen Löhnen ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen. Das kann nicht in einer sozialen Demokratie zum Alltag werden."

    PDS-Chef Lothar Bisky hält das Wort von den Fremdarbeitern für einen Lapsus. Lafontaine selbst verteidigt mehrfach seine Wortwahl. Nun wird er Vorwurf nicht mehr los, am rechten Rand des Spektrums nach Wählern zu suchen. Schon hat die NPD offen ihre Mitglieder aufgefordert, die Linkspartei zu unterwandern. Der Vorstand der WASG, Klaus Ernst, wird seinen Parteimitgliedern vermutlich einiges zu erklären haben, bevor sie dem Projekt zustimmen. Sie müssen nun nicht nur mit der Aussicht leben, eines Tages sich mit einer Partei zu fusionieren, die etwa zehnmal mehr Mitglieder hat als sie selbst. 60.000 sind es bei der PDS, 6.000 bei der WASG.

    Nun kommt die Wahlalternative darüber hinaus noch in den Ruch des Rechtspopulismus – was wiederum die Linkssozialisten beunruhigt. Die PDS- Bundestagsabgeordnete Petra Pau fordert von Lafontaine eine Klarstellung seiner Fremdarbeiter-Äußerung. Sie hält es zwar grundsätzlich für legitim, um Wähler am rechten Rand zu werben. Nicht aber, deren Positionen verbal zu übernehmen. Auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, hat Lafontaine mittlerweile aufgefordert, sich unmissverständlich von seinen Äußerungen, die Spiegel rechtsradikal und populistisch nennt, zu distanzieren.

    WASG-Vorstand Klaus Ernst gibt sich zwischenzeitlich besonnen und setzt auf die politischen Ziele, die man nur gemeinsam erreichen kann – auch wenn die Umstände manchem wehtun.
    " Unsere Themen sind: Abbau der Arbeitslosigkeit. Wir wollen die Arbeit dadurch erhöhen in diesem Land, dass wir die Nachfrage verbessern. Wir haben ein zweites großes Thema in diesem Lande: Das ist die Sicherung unserer Sozialsysteme. Und selbstverständlich spielt auch eine Rolle, ob wir nun wirklich deutsche Interessen überall in der Welt, am Hindukusch und sonst wo verteidigen müssen, also auch die Frage der Friedenspolitik. Und das Wahlprogramm werden wir erarbeiten, das ist Grundlage auch für unsere Beschlüsse, denn das ist ja eine inhaltliche Frage, ob wir zusammengehen, und nicht eine Frage der persönlichen Sympathie."

    Die WASG will jedenfalls am 3. Juli auf einem Parteitag in Kassel über die Zusammenarbeit mit der PDS die Entscheidung herbeiführen. Die Diskussion, sagt Ernst, wird kontrovers sein. Am Ende aber rechnet er damit, dass die Delegierten positiv entscheiden. In der kommenden Woche ist dann eine Urabstimmung in der kleinen Partei geplant, deren Ergebnis Mitte Juli erwartet wird. Aber auch die Mitglieder, da ist der Vorstand sicher, werden zustimmen.
    " Das Wesentliche für uns ist eigentlich, dass wir es hinkriegen, dass wir in dem nächsten Bundestag eine Opposition haben. Um diese Opposition hinzukriegen, ist es notwendig, dass wir uns zusammentun."

    Diese Opposition gegen die SPD ist für WASG-Vorstand Klaus Ernst das eigentliche Motiv für die Zusammenarbeit mit der PDS. Schon jetzt, sagt er, sei spürbar, dass der Druck von Links wirke. Denn plötzlich will die SPD eine Reichensteuer einführen und fordert Lohnerhöhungen. Gleichzeitig beginnen die beiden Spitzenkandidaten der künftigen Linkspartei aus dem Ruder zu laufen und den Konsens der konsequenten Opposition zu verwässern. Gregor Gysi und Oskar Lafontaine reden in dieser Woche davon, dass die sich Linkspartei der SPD gar als Koalitionspartner anbieten könnte.